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kam, schien es dem Kardinal, als ob ein fahles Gesicht und zwei bleiche Hände, die ans Gitter gelegt waren, sich davon loslösten und in die innere Finsternis dieser Grabeshöhle zurückwichen.

      Der Kardinal trat voranschreitend hinzu, und trotz des ekelerregenden Geruchs, den das Grab aushauchte, legte er das Gesicht an die Stäbe und versuchte, im Innern etwas zu unterscheiden.

      Aber die Nacht war darin so tief, dass er nichts sah, als zwei grünliche Lichtpunkte, welche im Finstern wie zwei Augen eines wilden Tieres glänzten.

      Er trat einen Schritt zurück, nahm das Licht aus den Händen der Oberin und steckte es durch die Zwischenräume des Gitters in das Innere des Raumes hinein.

      Die Luft darin war jedoch so memphitisch, so dicht und so geschwängert mit Miasmen, dass die Flamme des Wachslichtes, als es hineingesteckt ward, erblich, abnahm und dem Auslöschen nahe war.

      Der Kardinal zog es zurück und draußen erst brannte es wieder hell.

      Da zündete der Kardinal, sowohl um die Luft innen etwas zu verbessern, als auch um dieses Grab zu erleuchten, das Papier an, welches die von ihm gefertigte und besiegelte Ordre enthielt, und das ihm nun, nachdem er sich zu erkennen gegeben, nicht mehr nöthig war. und warf es flammend in das Gemach.

      Trotz der Dichtheit der Luft verbreitete sich dadurch eine Helle, groß genug, um dem Kardinal an der Wand, gegenüber der Tür, eine zusammengekauerte Gestalt zu zeigen, mit den Ellbogen auf den Knien, das Kinn auf ihren zwei Fäusten, vollkommen nackt, bis auf einen Lappen von Kleidung, der sie vom Gürtel bis zu den Knien bedeckte; ihr Haar fiel auf die Schultern herab und fegte mit seinen Enden die feuchten Bretter des Fußbodens.

      Die Gestalt war fahl, ekelhaft, schlotternd; sie betrachtete mit hohlen, stieren, fast wahnwitzigen Augen diesen Mönch, der sie in ihrer Nacht aufsuchte.

      Regelmäßiges Stöhnen wand sich bei jedem Atemzuge aus ihrer Brust hervor, schaurig wie das Geröchel der Sterbenden. Das Leiden war so lang und so ausdauernd gewesen, dass die Klage darob regelmäßig geworden war, ein eintöniges, schmerzliches Röcheln.

      Der Kardinal, obgleich wenig gefühlvoll für den Schmerz eines Anderen, ja sogar für seinen eigenen, schauderte bei diesem Anblicke vom Kopfe bis zu den Füßen und warf einen drohenden, vorwurfsvollen Blick auf die Oberin, welche murmelte:

      »Das war der Befehl.«

      »Wessen Befehl?« fragte der Cardin«!.

      »Der des Urteilsspruches.«

      »Wie lautet dieser Spruch?«

      »Er lautet: Jacqueline Levoyer, genannt Marquise Coëtman, Frau des Isaac von Barenne, soll in ein Gemach von Stein eingesperrt werden, welches über ihr verschlossen sei, damit Niemand eindringen könne, und ihre Nahrung soll nur Wasser und Brot sein.«

      Der Kardinal fuhr mit der Hand über die Stirn.

      Dann näherte er sich der vergitterten Öffnung, folglich auch der Höhle, in der es neuerdings Nacht geworden war, und sprach, die Stimme dahin richtend, wo er die bleiche Gestalt gesehen hatte:

      »Seid Ihr es, Jacqueline Levoyer, Frau von Coëtman?«

      »Brot! Feuer! Kleider!« erwiderte die Gefangene.

      »Ich frage Euch,« wiederholte der Kardinal, »ob Ihr Jacqueline Levoyer seid, die Frau von Coëtman?«

      »Mich friert! Mich hungert!« erwiderte die Stimme mit schmerzlichem Schluchzen.

      »Antwortet erst aus meine Frage,« drängte der Kardinal.

      »O, wenn ich Euch sage, dass ich Die bin, die Ihr genannt habt, werdet Ihr mich Hungers sterben lassen. Schon seit zwei Tagen vergisst man mich hier trotz meines Wehgeschreis,«

      Der Kardinal warf einen zweiten Blick auf die Oberin.

      »Der Befehl, der Befehl!« murmelte diese.

      »Der Befehl war, sie mit Wasser und Brot zu ernähren, nicht aber, sie verhungern zu lassen.«

      »Warum beharrt sie dabei, am Leben zu bleiben?« fragte die Oberin.

      Der Kardinal fühlte etwas wie einen Fluch auf seine Lippen steigen.

      Er bekreuzte sich.

      »Gut,« sagte er zu ihr, »Ihr werdet mir sagen, von wem der Befehl gegeben wurde, sie Hungers sterben zu lassen, oder ich schwöre es bei Gott, Ihr nehmt augenblicklich ihren Platz in jenem Loche ein.«

      Dann kehrte er zu der Elenden zurück, welche der Gegenstand des Streites war, und sagte:

      »Wenn Ihr mir sagt, dass Ihr wirklich Frau von Coëtman seid, wenn Ihr aufrichtig die Fragen beantwortet, die ich Euch zu stellen habe, so sollt Ihr in einer Stunde Kleider. Feuer und Brot haben.«

      »Kleider! Feuer! Brot!« rief die Gefangene, »worauf schwört Ihr das?«

      »Auf die fünf Wunden unseres.Herrn.«

      »Wer seid Ihr?«

      »Ich bin Priester.«

      »Dann glaube ich Euch nicht. Es sind die Priester und die Nonnen, die mich seit neun Jahren martern. Lasst mich sterben; ich werde nicht sprechen.«

      »Ich war Edelmann, bevor ich Priester wurde,« rief der Kardinal, »und ich schwöre es Euch bei dem Worte eines Edelmannes.«

      »Und was geschieht, Eurer Meinung nach, Dem,« fragte die Gefangene, »der diese beiden Eide verletzt?«

      »Er verliert seine Ehre in dieser, seine Seligkeit in jener Welt.«

      »Wohl an denn, ja!« rief sie, »möge denn kommen, was da wolle, ich werde Alles sagen.«

      »Und wenn ich damit, was Ihr mir sagt, zufrieden bin, so sollt Ihr zum Brot, Feuer und den Kleidern auch noch die Freiheit haben.«

      »Die Freiheit!« kreischte die Gefangene und stürzte auf die Öffnung los, wo ihre dürre Gestalt sichtbar wurde. »Ja! ich bin Jacqueline Levoyer, Frau von Coëtman; ja, ich werde Alles sagen, Alles, Alles!«

      Dann, gleichsam in einem Anfalle närrischer Freude, fuhr sie fort:

      »Die Freiheit! Die Freiheit!« Und sie heulte unter krampfhaftem Lachen, einem Lachen, welches schaudern macht, und sie rüttelte an den eisernen Stäben des Gitters mit einer Kraft, welche ihrem gebrechlichen, mageren Körper Niemand zugetraut hätte. – »Die Freiheit! O, Ihr seid also unser Herr Jesus Christus selber, da Ihr zu den Todten sprecht: Erhebet Euch und geht hervor aus Euren Gräbern!«

      »Meine Schwester,« sagte der Kardinal und wandte sich zur Oberin, »ich will Alles vergessen, wenn ich innerhalb fünf Minuten die Werkzeuge habe, mit denen man in dieses Grab eine Öffnung machen kann, groß genug, um jener Frau den Durchgang zu gewähren.«

      »Folgt mir,« sagte die Oberin,

      Der Kardinal machte eine Bewegung.

      »Entfernt Euch nicht, entfernt Euch nicht!« rief die Gefangene; »wenn sie Euch mit wegnimmt, könnt Ihr nie mehr zurückkommen, ich werde Euch niemals wiedersehen, der Himmelsstrahl, der in meine Hölle gefallen ist, wird verlöschen und ich muss dann zurücksinken in meine Nacht.«

      Der Kardinal streckte seinen Arm aus und sprach:

      »Sei ruhig, ärmstes Geschöpf; mit Gottes Hilfe ist dein Märtyrertum seinem Ende nahe.«

      Sie aber ergriff mit ihren fleischlosen Händen den Arm des Kardinals, hielt ihn fest zusammengepresst wie in einem doppelten Schraubstock und rief:

      »O, ich halte ihn, ich halte Euren Arm. Die erste Menschenhand, die sich mir seit neun Jahren entgegenstreckt. Die anderen alle waren Tigerklauen. Sei gesegnet, o, sei gesegnet, Du Menschenhand!«

      Und die Gefangene bedeckte die Hand des Kardinals mit Küssen.

      Er hatte nicht den Mut, sie,ihr zu entziehen; er rief daher seine Träger herbei und sagte den Herzueilenden, auf die Oberin deutend:

      »Folgt dieser Frau; sie wird Auch die Werkzeuge geben, welche nöthig sind, um dieses Grab zu öffnen. Es trägt Jedem von Euch fünf Pistolen ein.«

      Die beiden Männer folgten der Oberin,

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