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ganz in der Nähe des ehemaligen Schlosses befand. Zu seinem Einstand hatten ihm Wusel und Wastel unentgeltlich eine wunderschöne Livree in Admiralblau aus gutem haltbarem Stoff mit goldenen Knöpfe auf den immer noch üppigen Leib geschneidert. Sie stand ihm vortrefflich zu Gesicht, und er wusste sich vor Freude und Dankbarkeit kaum zu lassen.

      Kokolores war, wie bekannt, ein Kenner und Genießer deftiger Hausmannskost. Daher empfahl ihm der Küchenchef zunächst einen Kurs für die Küche der verfeinerten Lebensart sowie hochwertiger, biodynamischer Ernährung, die gerade zur Zeit sehr im Kommen sei, zu absolvieren. Das tat er gerne. Er sei für alles Neue offen, war seine Antwort.

      Als hätte im Leben nichts anderes getan, sah man ihn binnen kurzem würdevoll und im Bewusstsein seiner großen Verantwortung durch die Restaurantküche stolzieren, hier eine einfache Sauce hollandaise, dort sahnige Amaretto-Mascarpone-Creme, an dieser Stelle ein raffiniertes Schokoladenmousse mit Orangensauce, verfeinert mit Olivenöl und Rosmarin, oder an jener eine frische Bouillabaisse kostend und für ausgezeichnet, gut oder nicht ganz ausreichend befindend. Die Köche und Beiköche waren voll des Lobes ob seiner Sachkenntnis und Geduld, denn in ihm hatten sie einen Küchenmeister aus Liebe zur Kochkunst gefunden, der wohl am Ende Kaiser in seinem Fach war.

      Die beiden Schneider Wusel und Wastel, die mit Witz und Schalk unerschrocken eine beispiellose historische Wende herbeigeführt hatten, eröffneten ein Modegeschäft ganz in der Nähe, und Kunden aus aller Welt rissen sich um die Kreationen aus der „WuWa-Kollektion“. Sie waren nun berühmt wie heutzutage nur Popstars.

      Dem kleinen Mädchen Traudelinde jedoch errichteten die dankbaren Bürger und Bürgerinnen ein Denkmal mit der Inschrift:

      „Kindermund spricht Wahrheit Grund“

      Die Bewohner von Wirsindwer verehrten es bis an sein Lebensende wie eine Heilige. Eine großzügige Rente sorgte dafür, dass weder Traudelinde noch ihre Angehörigen sich jemals finanzielle Sorgen machen mussten.

      Wie erstaunliche und krumme Wege das Schicksal manchmal geht, hier hat man ein wirklich exemplarisches Beispiel dafür gefunden. Und die Moral von der Geschicht’ muss jeder für sich selber finden.

      Über einem friedlichen, beschaulichen Tal reckt ein Schloss, umgeben von sanften grünen Hügeln, seine spitzen Türmchen, beflaggt mit kleinen bunten Wimpeln, hoch hinauf in den vorwiegend himmelblauen Himmel. Das Tal liegt im Reiche Klumperdeick, in dem friedliche, einfache Menschen leben, und hier herrscht König Klumperdeick derer von Klumperdeick mit seiner Frau Friedolinde und deren Tochter Rosemunde. Sie ist der Stolz und Sonnenschein und das einzige Kind des schon etwas ältlichen Königspaares, das der Prinzessin in ihrem kurzen Leben, sie ist ganze süße siebzehn, jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat.

      Rosemundes außergewöhnliche Schönheit ist weit über die Landesgrenzen bekannt. Dichter und Sänger werden nicht müde, ihren Liebreiz zu besingen und in Reime zu fassen, ihren schlanken Wuchs, das liebliche Antlitz, umrahmt von brünetten Locken, die zarte, pfirsichfarbene Haut, die haselnussbraunen Augen, über denen sich perfekt zwei Paar Augenbrauen wie Mondsichel wölben, den rosaroten Mund mit weichen vollen Lippen, unter dem ein wohlgeformtes Kinn das Ebenmaß ihrer Erscheinung vollendet. Nur ihre Nase ist zu ihrem Leidwesen ein klein wenig zu groß geraten und ragt vorwitzig, mit der Spitze einen leichten Bogen nach oben beschreibend, aus dem Gesicht. Diese kleine, eher unbedeutende Unregelmäßigkeit offenbart ihren größten Makel. Geht sie doch so, mit hoch erhobenem Haupt, die Nase immer ein wenig nach oben gerichtet, mit Verachtung und Hochmut gegen alles und jeden durchs Leben.

      Aber, wie das so ist, die Menschen sind großzügig mit den Schönen, da sie uns mit ihrem Anblick erfreuen. So wurde sie trotz dieser charakterlichen Unvollkommenheit vom Hofstaat bis hin zu den Untertanen geliebt. Doch seit einiger Zeit plagt sie eine grenzenlose, erschlaffende, nimmer endende Langeweile. Sie hat sich wie ein dunkler schwerer Schatten auf ihr Gemüt gelegt und gibt ihren überfürsorglichen Eltern großen Anlass zu Sorge, und erschwert fortan allen, die mit ihr zu tun haben, das Leben.

      Der König und die Königin sowie der gesamte Hofstaat bemühen sich nun schon seit Monaten redlich, die Prinzessin Rosemunde aufzuheitern und mit irgendetwas zu erfreuen. Auch im ganzen Land geben sich die Leutchen in den Stuben, in den Büros, in den Fabriken, in den Cafés und Gasthäusern, Kneipen und Spelunken, Läden und Kaufhäusern, eben überall, wo sie leben, arbeiten und wohnen, allergrößte Mühe, sich irgendetwas einfallen zu lassen. Wenn sie sich begegnen, auf der Straße, an den Haltestellen, Bahnhöfen, Raststätten, bei Tanz, Sport und Spiel, stellen sie sich gegenseitig die Frage: „Wissen Sie nicht irgendetwas?“ Dabei gehen die Blicke sorgenvoll in Richtung Schloss, denn das Land ist winzig, und bei guter Witterung ist das Schloss an allen Ecken und Kanten auch noch im äußersten Winkel des Königreichs gut sichtbar. Doch jedwede Versuche und Einfälle, waren sie auch noch so einzigartig und geistvoll, lustig oder aufregend, schlugen fehl.

      An einem milden Frühlingstag, als sich Rosemunde wieder einmal gelangweilt und gähnend, lustlos mit einer goldenen Fliegenklappe nach den Stubenfliegen schlagend, auf dem seidenen Diwan rekelt und düster seufzend ihre übliche Klage anstimmt: „Mir ist ja sooooooo langweiliiiiiig!“, an diesem Tage sollte doch noch etwas Außergewöhnliches passieren.

      Die Prinzessin liegt also wie hingegossen da und überlegt, wem sie wohl einen Schabernack spielen könne, um ihre Laune ein wenig aufzubessern. Ein kurzes Aufleuchten in ihrem mürrischen Gesicht, in dem sich zwischen den Augenbrauen vom ewigen Stirnrunzeln schon eine winzige kleine Falte bildet – da, liebe Mädchen, solltet ihr allesamt etwas achtsam sein – zeigt an, ihr ist etwas eingefallen!

      Sie nimmt einen ihrer goldenen Schuhe der Edelmarke „Luisong Vuttong“ und versteckt ihn spitzbübisch schmunzelnd unter ihrem pinkfarbenen Seidenkissen, legt sich in malerischer Pose wieder zurück auf ihre Chaiselongue und ihren wohlfrisierten Kopf mit der Hochsteckfrisur auf das besagte Kissen.

      „Adeline“, ruft sie die Zofe mit herrischer Stimme, „komm sofort her!“

      Das Mädchen eilt mit hochroten Wangen herbei, denn nichts Gutes ist zu erwarten, wenn die Prinzessin in diesem Ton ruft: „Hier bin ich, Gnädigste!“

      „Ich kann mein Pantöffelchen nicht finden, wohin hast du selbstvergessenes Wesen ihn hin verbummelt? Sofort beschaffst du mir meinen Schuh wieder! Wie soll ich denn noch einen Schritt ohne meinen Schuh tun?“

      Mal abgesehen davon, dass sich noch mindestens 2000 Paar Schuhe in ihrem Ankleidezimmer befinden, tut Adeline augenblicklich wie ihr geheißen und kriecht auf allen vieren zur diebischen Freude der Prinzessin im Zimmer umher. Nach zehn Minuten vergeht Rosemunde allerdings der Spaß, und sie erlöst die arme Zofe aus ihrer misslichen Lage.

      „Lass gut sein, hier ist er ja“, und damit zieht sie den angeblich verlegten Schuh wieder unter dem Kissen hervor. Dem geplagten Kammermädchen rollen die Tränen über die Wangen, als sie schluchzend das Zimmer verlässt.

      „Alte Heulsuse!“, ruft ihr die Prinzessin noch nach.

      Nun, diese amüsante Episode hat ein wenig Röte in ihre Wangen getrieben, und Rosemunde ist etwas aufgekratzter als sonst. Sie sinnt gerade über einen weiteren Streich nach, als der Lakai ihr einen Besuch anmeldet: „Der Prinz Lariliri von Schaumlöffel höchstselbst wünscht der allergnädigsten Prinzessin seine Aufwartung machen zu dürfen!“

      „Der Prinz ist ein Langweiler wie er im Buche steht, aber warum nicht, hab ja sonst nichts zu tun“, denkt die Prinzessin bei sich.

      Mit großem Brimborium tritt der Prinz ein, schwenkt seinen mit Pfauenfedern besetzten Hut und macht einen tiefen Bückling.

      „Gestatten, allerwerteste Prinzessin, ihr ein kleines, ihrer Anmut und Schönheit natürlich nicht gerecht werdendes Präsent zu überreichen“, dabei streckt er ihr ein in tizianrotes Brokat geschlagenes Kästchen mit übertriebener Gebärde entgegen. Unwirsch nimmt Rosemunde es entgegen, klappt den Deckel auf und wirft nur einen kurzen Blick

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