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er mit fester, salbungsvoller Stimme, dem Anlass angemessen, wie wir und die gespannte Menge gleich erfahren werden:

      „Ich danke ab. Ich entledige mich aller Ämter und Würden. Ich verzichte auf den Thron. In meiner Eigenschaft als noch regierender Alleinherrscher ordne ich an, dass eine demokratische Volksabstimmung über die künftige Regierungsform stattfinden soll. Das Volk soll entscheiden, ob es eine Republik oder eine Monarchie will. Dieser meiner letzten Weisung ist unbedingt und unverzüglich Gehorsam zu leisten.“

      Sprach’s und sank erschöpft auf eine in der Nähe befindliche Bank. Sein Kabinett zweifelte an seinem Verstand, aber noch nie im Leben war der Verstand von Kokolores in einem derartig klaren und geordneten Zustand gewesen.

      Was war nur geschehen?

      Als er im Hospital aus der Ohnmacht erwachte, überkam es ihn wie eine Erleuchtung. Er erinnerte sich sofort an alle Einzelheiten seines peinlichen Auftritts und an seine mit nichts zu entschuldigende maßlose Torheit. Beschämt musste er erkennen, dass er unfähig war, ein so großes und wichtiges Land zu regieren, von seinen Untertanen Schaden abzuwenden und Entscheidungen zu treffen, die dem Wohle aller dienen. Er erkannte, dass er ganz im Gegenteil durch bodenlose Eitelkeit und Unmäßigkeit das Land fast in den Ruin geführt hatte. Ihm wurde klar, dass er eigentlich gar kein Kaiser und Herrscher sein wollte, es war weder seine Bestimmung, wenn es auch die Tradition und Etikette, verkörpert von seinen gestrengen Eltern, von ihm gefordert hatten, noch jemals sein eigenster Wunsch und Wille gewesen. Diese Einsicht erfüllte ihn mit großer Dankbarkeit gegenüber den beiden Schneidern, die ihm, zwar auf drastische Weise, sein Unvermögen vor Augen geführt hatten, und dem Kinde, das als einziges die Wahrheit gesprochen hatte.

      Einige Tage später trat Kokolores Darmbichel aus dem jahrhundertealtem Adelsgeschlecht derer von Darmbichel entschlossen und mutig vor sein Volk, das sich in atemloser Stille der Dinge harrend, die da kommen sollten, und es war bereits von großen Dingen die Rede, vor dem Schloss versammelt hatte. Wusel und Wastel waren beauftragt worden, ihm zu diesem gewichtigen Anlass einen formvollendeten, jedoch schlichten Anzug in einem diskreten Grau aus feinster Merinowolle auf den fülligen Leib zu schneidern, in dem er sich so pudelwohl wie nie zuvor fühlte. Die beiden schlitzohrigen, jedoch verdienstvollen Schneider waren einerseits heilfroh, dass ihnen der Kaiser verziehen hatte und andererseits, dass sie nun doch noch beweisen konnten, in der Tat so geschickt und fix im Umgang mit Nadel und Faden zu sein, wie sie anfangs behauptet hatten.

      Der Anzug wurde denn auch ein vortreffliches Meisterwerk der modernen Schneiderkunst, komplettiert durch ein dezent matt-glänzendes hellblaues Hemd, farblich abgestimmt dazu eine bordeauxrote Krawatte mit dunkelblauen und nepalgelben Längs-streifen, verlieh dem Ganzen den letzten Schliff und Pfiff. Eine dezente Krawattennadel mit einer Krone aus Rubinen und Smaragden, die er noch in der fast leeren Schatztruhe gefunden hatte, gaben letztes bescheidenes Zeugnis von Amt und Würden, denen er im Begriff stand, endgültig Adieu zu sagen. Wer wollte dem Kaiser Kokolores daraus einen Vorwurf machen, dass er immer noch auf sein äußeres Erscheinungsbild, oder wie man heute sagt Outfit, allergrößten Wert legte. So von Grund auf kann sich ein Mensch von heute auf morgen nicht ändern, und ehrlich gefragt, haben wir nicht alle unsere großen und kleinen allzu menschlichen Schwächen? So äußerlich und innerlich aufs Gründlichste vorbereitet, hielt Kaiser Kokolores die wichtigste Ansprache seines Lebens:

      „In meiner Eigenschaft als noch Alleinherrscher des Landes Wirsindwer, ausgestattet mit allen Mitteln der Macht, bestimme ich, dass ab morgen im ganzen Land ein Volksentscheid über die Abschaffung der Monarchie und die Einführung einer demokratischen Republik stattfindet. Jeder Bürger und jede Bürgerin jedweden Alters, das heißt auch Kinder im schulpflichtigen Alter, hierauf lege ich besonderen Wert, ist stimmberechtigt. Voraussetzung für die Gründung einer Demokratie ist mein Rücktritt und der Verzicht auf alle weiteren Rechte als Kaiser auch für eventuelle Nachkommen, von denen ich hier und jetzt selbst keine Kenntnis habe.

      Um diese Voraussetzungen zu schaffen, erkläre ich hiermit vor dem Volke und allen Repräsentanten des Staates meinen Rücktritt und meinen Verzicht auf den Thron für alle Zeiten.“

      Die Leute staunten nicht schlecht, als sie den Kaiser so staatsmännisch und vernünftig reden hörten. Sie riefen Hurra, jubelten, applaudierten, allerdings noch etwas unsicher, ob sie ihrer unbändigen Freude, den Kaiser und die gesamte kostspielige Monarchie loszuwerden, vor seinen Augen so unverhohlen Ausdruck verleihen durften. Etliche machten Luftsprünge und warfen Hüte und Käppis in die Luft, einige besonders Übermütige tanzten gar. Es kehrte eitel Sonnenschein im Staate Wirsindwer ein, auch wenn just in diesem freudigen Moment recht unpassend einige Regentropfen von einem fast wolkenlosen Himmel tropften. Doch das tat der Freude keinen Abbruch, zumal nach wenigen Sekunden ein prächtiger leuchtender Regenbogen sich wie eine farbenfrohe Girlande über das ausgelassene Treiben unter ihm spannte. Auch der Kaiser lachte und freute sich wie ein Schneekönig, das war lustig.

      Wie die Volksabstimmung ausging, dazu bedarf es nicht mehr vieler Worte. 99,9 Prozent sprachen sich für die Abschaffung der Monarchie aus, wer die Abweichler waren, lässt sich denken. Jetzt war es vorbei mit den fidelen Zeiten, in dem aus dem Vollen geschöpft wurde, und das gemeine Volk das Nachsehen hatte. Neue Zeiten, glorreiche Zeiten der Gerechtigkeit, ganz ohne eine Revolution, nicht einmal einer friedlichen, standen unmittelbar vor der Tür. Damit das gediegene gute Maß übervoll wurde, erließ der Kaiser, bevor er die Abdankungsurkunde unterschrieb, noch rasch ein Gesetz, damit das Land gerecht unter den Bewohnern aufgeteilt werden konnte. Jeder Bürger und jede Bürgerin sollte eigenen Grund und Boden haben und ihn nach Gutdünken bestellen können. Hier gab es schon einige mürrische Stimmen, die sich als Stimmen der reinen Vernunft ausgaben, dass das zu viel des Guten sei, aber es waren nur einige wenige und sie fanden keinerlei Beachtung.

      Aus einer Reihe von ehrenwerten, unbescholtenen Männern und Frauen wurden nun mittels einer freien Wahl in einem sogenannten Urnengang die Volksvertreter gewählt, die eine Regierung bildeten. So etwas nennt man eine Demokratie. Davon werdet ihr alle sicher schon gehört haben. Leider hat sie sich einen schlechten Ruf erworben, aber dafür kann sie nichts. Da erging es der Demokratie wie den Religionen: Die Absicht ist gut, aber die Menschen sind es weniger. Wie sagt so schön und richtig der Dichter: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach. Aber die Bewohner von Wirsindwer bildeten da glücklicherweise eine Ausnahme. Sie hatten aus der Vergangenheit gelernt, und es nicht nur in schönen Worten auf Büttenpapier geschrieben, denn auch schöne Worte können tote Worte werden, zumal wenn sie auf Papier stehen. Hier irrt der Dichter, wenn er sagt: Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.

      Die frischgebackene Regierungsmannschaft fackelte nicht lange, schritt unverzüglich zur Tat und ließ einen richtig frischen Wind durchs Land wehen: Das Schloss wurde Regierungssitz. In Bürger-beratungsbüros konnte sich die Bevölkerung Rat holen und eventuelle Beschwerden und Sorgen vortragen. Sie trafen stets auf offene Ohren. Die dort Beschäftigten gaben sich alle erdenkliche Mühe zu helfen und Lösungen zu finden, mussten sie sich selbst noch vor kurzem mit ähnlichen und gleichen Problemen herumschlagen. Das Land war zwar total heruntergewirtschaftet, doch es wurde voller Tatendrang, wie man so sagt, in die Hände gespuckt. In einer gemeinsamen Anstrengung, von manchen, die sich in politischen Begriffen auszukennen glauben, eine konzertierte Aktion genannt, begannen sie zu schaffen und zu werkeln, bis alles wieder soweit im Lot war, dass jeder Mensch sein Auskommen mit dem Einkommen hatte.

      Allerdings wehren sich die braven Bürger und Bürgerinnen von Wirsindwer heute noch dagegen, Urheber dieses einfältigen Liedes gewesen zu sein, dass da lautet: Schaffe, schaffe Häusle baue. Wirklich reich wurde niemand, doch sie hatten verstanden, dass das Miteinanderteilen für das Gedeihen eines Landes segensreicher war, als nur an sein eigenes Wohlergehen zu denken. Das, liebe Leute, werdet ihr zugeben, ist wirklich märchenhaft!!!

      Doch wie ist es Kokolores ergangen, was ist aus ihm geworden?

      Ich erzähle den Fortgang der Geschichte nur allzu gerne, bei der ich, wie unglaubwürdig es auch klingen mag, mit einem Happy End, mit einem rundum glücklichen Ende, aufwarten kann. Ich liebe Happy Enden!

      Dem Kaiser, dem berühmt-berüchtigten Liebhaber

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