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Für überzeugte Zeitungsleser, die sich immer noch auf diese aus der Mode gekommene Weise informieren, die trotzig darauf bestehen, zum Frühstück gehöre, neben dem warmen Brötchen, Schinken, Käse, der Marmelade und dem Honig, dem Kaffee oder Tee, ein Druckererzeugnis, das man in die Hand nehmen und Seite für Seite umblättern kann, erst dann sei der Tagesbeginn vollkommen, sei noch tröstlich vermerkt, dass auch die wenigen verbliebenen Zeitungen an der Verbreitung der Nachricht beteiligt gewesen sind. Was die Aktualität betraf, natürlich in weitaus geringerem Umfang, da sie weder mit der Schnelligkeit noch der Unmittelbarkeit der neuen Medien mithalten können. Kurz gesagt, jeder Einwohner des Landes bis hinein in den entlegensten Winkel wusste nun über das Missgeschick, das dem Kaiser widerfahren war, Bescheid. Die Nachricht erreichte den armseligsten Tagelöhner, der inzwischen für einen Euro, so die landläufige Landeswährung, also einem Hungerlohn, arbeiten musste, und jeden Penner, wie die Ärmsten der Armen leichtfertig und geringschätzig genannt werden, deren Zahl sich unter den gegebenen Umständen verständlicherweise stetig vermehrte, und es kann und darf nicht verschwiegen werden, sie wurde nicht nur von jenen nicht gänzlich ohne Häme und Schadenfreude aufgenommen.

      So erfuhren auch die zwei ebenso gewitzten wie talentierten Schneidergesellen Wusel und Wastel davon, die ohne Arbeit und Brot waren, da die Leute es sich nicht mehr leisten konnten, sich Kleider nach Maß anfertigen zu lassen, sondern in Billigmärkten und Zweite-handläden einkaufen mussten. Wie sie so im Schneidersitz, wie das Schneider zu tun pflegen, auf ihren gepfändeten Tischen saßen, die Nähnadeln fein säuberlich in Reih und Glied aufgereiht und das schöne, in allen Farben des Regenbogens schimmernde Garn vor sich, durchfuhr sie gleichzeitig der wahrscheinlich rettende Geistesblitz. Wie es so heißt, zwei Seelen, ein Gedanke!

      Wusel und Wastel blickten sich schelmisch und verschwörerisch an, tuschelten so leise miteinander, dass wir, wären wir dabei gewesen, es nicht hätten hören können; und das ist auch gut so. Die Pointe der Geschichte soll selbstverständlich erst am Schluss verraten werden, die ihr, wenn es soweit ist, sowieso nicht glauben werdet, und dennoch der vollen Wahrheit entspricht.

      Die beiden Schneiderlein machten sich nun voller Tatendrang auf den Weg, in ihren Rucksäcken ihr Handwerkszeug und im Kopf einen vortrefflichen Plan. Am Schlosstor angekommen, baten sie entschlossen um Einlass, indem sie sich bei der Torwache brüsteten, dem Kaiser ohne lange zu fackeln und ohne großes Brimborium neue und unvergleichlich schöne Kleider nach Maß auf den üppigen Leib schneidern zu können. Verständlich, dass der Wachtposten die Ankündigung mit Freude und Erleichterung vernahm, hatte auch er wie allen anderen Bediensteten des Hofes unter der Übellaunigkeit des Herrschers zu leiden. Also bat er die beiden Nadel-und-Faden-Künstler überaus freundlich näher-zutreten, um sogleich Bescheid zu geben.

      Es dauerte auch nicht lange, und sie wurden in den Schlosssaal geführt, in welchem der Kaiser Kokolores schwach und hinfällig auf dem Thron hingestreckt mehr lag als saß. Er war nur notdürftig mit einem riesigen schwarzrotgoldenen Tuch bekleidet, bei dem es sich um die Landesfahne handelte, die als einzige groß genug war, die Blöße des Kaisers zu bedecken. Wusel und Wastel unterbreiteten dem Herrscher ihr Angebot, die schönsten Kleider zu einem Vorzugspreis aus dem Stand heraus zu nähen, so dass er bereits in einigen Tagen eine vollkommen neue und prächtigere Garderobe als je zuvor sein eigen nennen könne. Nach dieser an sich schon verblüffenden Behauptung schüttelten sie noch eine weitere Trumpfkarte aus dem Ärmel, sinnbildlich gesprochen. Sie verstiegen sich zu der Behauptung, dass die von ihnen kreierte neuartige Bekleidung sich vor allem dadurch auszeichne, dass nur kluge Leute sie sehen könnten, für Dummköpfe jedoch unsichtbar bliebe.

      Der Kaiser wurde im Nu munter. Der Gedanke an nagelneue Kleider mit solch einmaliger Eigenschaft war zu verführerisch, so dass er alle Warnungen seines Schatzkämmerers, zum unbedingten Maßhalten, in den Wind schlug, und dachte bei sich vermeintlich gewitzt: Wie praktisch, zudem kann ich gleich die Fähigkeiten meiner Minister, Beamten und Höflinge sozusagen einer Nadelprobe unterziehen, schmunzelte er, begeistert ob seiner geistreichen Wortspielerei. Er wies seine Diener an, den beiden unverzüglich alles zur Verfügung zu stellen, was sie benötigten, um mit der Arbeit zu beginnen.

      Ha, das hättet ihr mal sehen sollen! Heidewitzka, wie da die Nadeln und Scheren flogen! Um die beiden pfiffigen Schneider mit den feinsten Stoffen und Zierat versorgen zu können, ließ der Kaiser nun die Truhen und Tresore der Besserbetuchten im Lande plündern, auch die Hofbediensteten wurden nicht verschont, bei den Minderbemittelten war ohnehin nichts mehr zu holen. Heimlich, hinter vorgehaltener Hand, hörte man jetzt schon Flüche und Verwünschungen. Ach, du dummer, dummer Kaiser Kokolores!

      Die Hofleute wurden angewiesen, den Fortgang der Arbeit in allen Einzelheiten zu verfolgen und ihm stündlich Bericht zu erstatten. Jeden Tag sollte ein Bulletin veröffentlicht werden, damit auch das gemeine Volk in vollem Umfang Anteil habe an einem unvergleichlichen Projekt, das, so kann man sagen, seinesgleichen suchte, als ob das nicht andere Sorgen gehabt hätte! Auch von der außergewöhnlichen Beschaffenheit der Kleider wurden alle Untertanen und Staatsdiener in Kenntnis gesetzt:

      Nur den Augen der Dummköpfe werden sie verborgen bleiben!

      Der ganze Hofstaat war ob dieser Mitteilung in Unruhe versetzt worden, wie denn der gemeine Pöbel sie zum Anlass zu einigen unehrerbietigen Frotzeleien nahm. Eine davon lautete folgendermaßen:

      Kommt der Minister für innere Angelegenheiten zum Kaiser und fragt ihn: Hochwohlgeboren, wie befinden heute? Der Kaiser trägt seine neuen Hosen und antwortet: Bestens, lieber Schräubele, dank meiner neuen Beinkleider habe mich noch nie so wohl in meiner Haut gefühlt! Woraufhin Schräubele, obwohl sich ihm, wie bei dessen sprich-wörtlicher Dummheit nicht anders zu erwarten, lediglich die nackten, unästhetisch behaarten Beine des Herrschers darbieten, beeilt zu beteuern: Kein Wunder, sie sitzen ja auch wie eine zweite Haut!

      Doch wie hieß es schon so schön in Mozarts Zauberflöte: Ein Weiser prüft und achtet nicht, was der gemeine Pöbel spricht! Ein guter Rat, an den wir uns alle einfach halten sollten.

      Nun sehen wir, oder stellen wir uns vor, wie gespannt alle Stunde Abgesandte des Kaisers in die Nähstube lugten, um zu erfahren, wie weit die als unvergleichlich und erlesenen angepriesenen Gewänder wohl geraten sein mögen, und ob sich die Zuschneide- und Nähkünstler schon anschickten, Auskunft zu geben, inwieweit sie den hoch-gesteckten Erwartungen des Kaisers genügen würden, in der Hoffnung, dass er sein herrschaftliches Amt, wenn auch wie gewohnt eher schlecht als recht, aber immerhin wieder aufnähme. Die Regierungsgeschäfte lagen so gut wie brach, da niemand sich traute, ohne den allerhöchsten Segen zu regieren in der Befürchtung, man könne etwas verkehrt machen und hätte, wenn der Zeitpunkt gekommen und die alten Verhältnisse wiederkehren, es ausbaden müssen. Ein anschauliches Beispiel für die unerquicklichen Folgen des Absolutismus, in dem ein Einziger einzig und allein Entscheidungen trifft, und der lauter willfährige Duckmäuser hervorbringt. Es wäre dringend geboten gewesen, dass irgendjemand sich ein Herz fasste und bedeutete, wo’s längs geht, damit das friedliche und einst auch bedeutende Land Wirsindwer nicht in das für aufmerksame Zeitgenossen sich abzeichnende Chaos oder weitaus schlimmer in Anarchie versinken möge.

      Doch sie trauten ihren Augen nicht recht, denn als sie auf die zwei, zweifellos fleißig arbeitenden Gesellen blickten, sahen sie zwar deren Handwerkszeug sich auf- und niederbewegen, aber ansonsten rein gar NICHTS! Kein Tuch, kein Hosenbein, keine Joppe, nicht ein einziges Hemdelein, und sei es nur aus Leinen, und noch so klein! Die Schneiderlein saßen zwar recht zierlich und geschickt mit gekreuzten Beinen auf ihren Tischen, Nadel und Faden waren auch parat, jedoch ein Ergebnis ihrer offensichtlichen Bemühungen war nicht zu erkennen. Sie trauten ihren Augen nicht, aber untereinander trauten sie noch weniger, eingedenk dessen, dass nur derjenige die Kleider nicht sehen kann, der ein rechter Dummkopf ist. Jeder dachte sich insgeheim:

      „Sollte ich denn so ein Hohlkopf und Trottel sein, bisher hielt ich doch auf meine Klugheit große Stücke und meinte nur die anderen seien die Dummen?“ Es wurde ihnen ganz bang ums Herz, und angstvoll stellte sich ein jeder die ohnehin berechtigte Frage:

      „Ja, tauge ich womöglich gar nicht für meine Stellung als Minister oder Staatsrat?“ und fürchtete um seinen Posten. Also schwiegen sie

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