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Die Regulatoren in Arkansas. Friedrich Gerstacker
Читать онлайн.Название Die Regulatoren in Arkansas
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich Gerstacker
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Das Lynchgesetz, das heißt die Ausübung der Gerechtigkeit von nicht dazu befugten Personen, das Bestrafen von Verbrechern durch die einzelnen Bürger des Staates selbst, hatte in Arkansas wieder einmal seit kurzem recht überhand genommen. Um das zu verhindern, waren die Gesetze verschärft, ja sogar schwere Strafen auf die Bildung von eigenmächtigen Geschworenengerichten gesetzt worden. Wenig half das aber in einem Staate, wo noch kaum ein Weg die Wildnis durchschnitt und der Arm der Gerechtigkeit nicht über die nächsten Ansiedlungen hinausreichte. Arkansas war dabei in jener Zeit der Sammelplatz aller der Raubbanden geworden, die sonst in Missouri, Illinois, Kentucky, Tennessee und Mississippi ihr Unwesen getrieben hatten, und mit Recht traten die Ansiedler zusammen und zogen gemeinschaftlich gegen den Feind zu Felde, der ihnen den Frieden ihrer Wohnungen zu zerstören drohte. Wie aber jede Sache ihre Licht- und Schattenseiten hat, so auch hier. Wo einesteils mancher Schurke plötzlich und unerwartet vor Gericht gezogen und seiner gerechten Strafe überantwortet wurde, ohne daß man Friedensrichter oder Sheriff deshalb bemühte, traf es sich auch manchmal, daß persönlicher Haß und Rachgier die Erbitterung der Menge gegen einzelne Unschuldige lenkte, um diese die Macht fühlen zu lassen, die für den Augenblick in die Hände ihrer Feinde gegeben war. So rissen in White County die Regulatoren eines Tages einen ehrbaren, fleißigen Farmer aus der Mitte seines Familienkreises, banden ihn vor den Augen seiner Frau, die noch glücklicherweise durch eine Ohnmacht dem Schrecklichsten entzogen wurde, unter dem Jammern und Wehklagen seiner Kinder an einen Baum und peitschten den Unglücklichen auf eine entsetzliche Art, um ihm das Geständnis eines Verbrechens zu erpressen, das er nicht begangen hatte. Zwar bewies er später seine Unschuld und erschoß den Rädelsführer jener Bande, seine Frau hatten der Schreck und die Angst aber so angegriffen, daß sie in ein hitziges Fieber verfiel und wenige Monate danach starb. Man sagte auch, daß Heathcott damals mit unter jenen Regulatoren gewesen sei und er deshalb White County habe verlassen müssen. Auf jeden Fall war er ein wilder, roher Bursche, mit dem niemand gern etwas zu tun hatte – ein echter Kentuckier voller Prahlerei und Rauflust, wenn auch sonst ehrlich und brav.
Die übrigen Männer waren größtenteils Farmer aus der Nachbarschaft und alle in ihre Jagdhemden gekleidet, mit Büchsen, Bowiemessern und Pistolen bewaffnet. Heathcott war besonders mit Gewehren und Dolchen ausgerüstet und rechtfertigte den Ausruf Roberts’, der zu Brown sagte, er sehe aus wie ein Kaperschiff, das seine Waffen an Deck geschafft habe und entern wolle.
»Hallo, Gentlemen«, rief der alte Mann jetzt, »wohin soll die Reise gehen? Kommen die Indianer, daß Sie sich auf eine so entsetzliche Art mit Messern und Schießgewehren versehen haben?«
»Indianer? Nein!« rief Heathcott, »aber etwas viel Schlimmeres: Die Pferdediebe sind wieder los; oben am Arkansas haben sie dem Richter Rowlove vier Stück gestohlen, und die Fährten führten südöstlich. Der verdammte Regen vorgestern nacht hat sie aber verwaschen, und wir konnten nicht mehr erkennen, ob sie nach den heißen Quellen zu oder weiter östlich gingen. Vergebens haben wir gestern den Wald nach allen Richtungen durchsucht, es ließ sich weiter nichts mehr tun, als daß wir Hostler den Fluß hinunter und Bowitt nach Hot Spring County hinüber schickten. Wir anderen wollten jetzt hinunter zu Wilkins, um weitere Schritte für die Zukunft zu bereden. Geht einer von euch mit?«
»Danke schön!« sagte Roberts, »macht das untereinander aus, ihr jungen Burschen. Meine alten Knochen sind das Waldlaufen nicht mehr gewohnt.«
»Ihr habt aber ebenfalls viele Pferde. Wer weiß, wann euch die Schufte einmal einen Besuch abstatten; nachher werdet Ihr schon kommen«, entgegnete Heathcott.
»Wollen’s abwarten, ich muß ihnen aber doch an keiner recht bequemen Stelle hier liegen, sonst wäre mir schon etwas weggekommen. Mich verschonen sie wirklich merkwürdig.«
»Sollte beinahe verdächtig aussehen«, meinte der Kentuckier grinsend.
»Nein, nein«, sagte gutmütig lachend der alte Mann, »das gerade nicht. Aber wollt ihr denn nicht ins Haus gehen, Gentlemen, und einen Bissen essen? Guten Morgen, Heinze, guten Morgen, Mullins, hallo, Peter, das ist wohl ein neues Pferd, das Ihr da reitet? Das hab’ ich noch nicht gesehen – hübsches Tier.«
»Wir nehmen Euer Anerbieten an«, sagte Heathcott, vom Pferd steigend, während die übrigen seinem Beispiel folgten. »Wilkins hat überdies nie etwas zu essen, und da ist’s doch besser, wir versehen uns hier bei Euch. Aber nur keine Umstände – die Pferde mögen inzwischen ein bißchen ruhen.«
Brown hatte indessen einige der Männer, mit denen er in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes bekannt geworden war, begrüßt und schritt mit ihnen dem Hause zu, wo das kleine Negermädchen emsig bemüht war, für die unerwarteten Gäste Maisbrot zu backen und Schweinefleisch zu braten.
»Und Ihr, Mr. Brown?« fragte Heathcott jetzt, sich an den jungen Mann wendend, »habt Ihr keine Lust, der guten Sache Euren Arm und Euer Auge zu leihen? Es können unserer gar nicht zuviel sein, da wir, mit dem Gesetz gegen uns, dem Staat beweisen müssen, wie sehr es uns ernst um die Sache ist.«
»Ich muß bitten, mich zu entschuldigen«, erwiderte Brown; »erstlich bin ich nur ein sehr flüchtiger Besuch in dieser Gegend, mit dem Wald und der ganzen Lage des Landes noch nicht einmal recht bekannt, und dann will ich Euch auch aufrichtig gestehen, habe ich keine Freude an dem Richtwesen der Regulatoren, das nur zu oft zum Unwesen wird.«
»Sir!« sagte der Kentuckier etwas gereizt, »Ihr werdet uns doch wohl zugestehen, daß wir hier am besten wissen, wo uns der Schuh drückt?«
»Natürlich – natürlich«, erwiderte Brown freundlich. »Ich maße mir auch weiter kein Urteil darüber an, behalte mir aber dafür auch meine eigene Handlungsweise vor.«
»Mit Euch Herren, wie Ihr nur immer von einem Staat zum andern huscht, weiß man nie, woran man ist«, sagte Heathcott, einen keineswegs freundlichen Blick nach dem jungen Mann hinüberwerfend. »Einmal seid Ihr in Missouri, einmal in Texas und habt überall Bekannte und Freunde. Ihr tretet vielleicht aus Rücksicht gegen Eure Freunde den Regulatoren nicht bei?«
»Mr. Heathcott«, erwiderte Brown sehr ernst, aber auch sehr höflich, »ich will diese Anspielung von Eurer Seite nicht verstehen, denn ich kann mich dadurch nicht getroffen fühlen. Was mein Betragen, meine Reisen aus einem Staat in den anderen betrifft, so bin ich darüber keinem Menschen Rechenschaft schuldig.«
Die anderen Farmer mischten sich aber jetzt in das Gespräch und duldeten nicht, daß Heathcott noch etwas sagte, das die Gefühle des jungen Mannes verletzen konnte. Sie hatten ihn alle liebgewonnen, fürchteten dagegen ihren Führer mehr, als sie ihn achteten.
»Herein, Gentlemen, herein hier!« rief ihnen Roberts aus der offenen Haustür zu. »Ihr müßt fürlieb nehmen, ich habe euch schnell etwas herrichten lassen, damit ihr nicht bis zum Mittagessen zu warten braucht. Also setzt euch.«
Die Leute ließen sich das nicht zweimal sagen, und nachdem sie die Frauen im Hause begrüßt, setzten sie sich ohne weitere Umstände, ja ohne alle die vielen Gewehre, mit denen sie umsteckt waren, abzulegen, an den reichlich gedeckten Tisch. Eben wollten sie auch zulangen, als Rowson, der neben Mrs. Roberts am Feuer gestanden hatte, an die Tafel trat, die Hände faltete und ein Tischgebet zu sprechen begann.
Die Farmer, die einesteils selbst Methodisten waren, andernteils die Sitte des Hauses ehrten, legten die schon ergriffenen Messer wieder nieder und sahen, andächtig auf die Teller hinunter; Heathcott hingegen blickte ärgerlich zu dem Prediger hinüber, der ihn übrigens gar nicht zu bemerken schien und ruhig in der Ausübung seiner Pflicht, wie er es nannte, fortfuhr.
Wären die Damen nicht gegenwärtig gewesen, so hätte sich der Zorn des rauhen Mannes wohl schon bei dieser Gelegenheit Luft gemacht, so aber unterdrückte er ihn und begann sein Mahl, während der Betende noch das Amen sprach. Daß solches Betragen Mrs. Roberts auf das tiefste verletzte, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Sie setzte sich höchst erbittert in ihren Schaukelstuhl und murmelte etwas von »rohen sündhaften Menschen«, was jedoch nur zu dem Ohr des Priesters gelangte, der wieder an ihre Seite getreten war und jetzt seufzend dazu mit dem Kopf nickte.
»Mrs. Roberts, Sie führen wohl nicht einen Schluck Whisky im Hause?« fragte Heathcott nach einer kleinen Pause,