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Die Regulatoren in Arkansas. Friedrich Gerstacker
Читать онлайн.Название Die Regulatoren in Arkansas
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich Gerstacker
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Rowson!« rief der junge Mann, und erschrak dann selbst über die Kühnheit dieses Wortes.
»Die Moskitos sind arg an dieser Stelle«, sagte Marion, indem sie schnell aufstand, »lassen Sie uns weitergehen, Mr. Brown. Wir werden auch bald wieder umkehren müssen, die Sonne steht nicht mehr hoch.«
Aufs neue verfolgten sie schweigend eine Zeitlang ihren beschwerlichen Weg.
»Sie wohnen mit Ihrem Onkel ganz allein, nicht wahr, Mr. Brown?« fragte endlich Marion wieder nach langer Pause, »Mutter sagte mir wenigstens so.«
»Ja, mein Fräulein, wir führen eine Junggesellenwirtschaft, es ist ein rauhes Leben.«
»Ihr Onkel ist ein wackerer Mann, immer heiter, immer zu einem Scherz aufgelegt, und hat dabei so etwas Ehrliches, Offenes im Blick. Ich war ihm vom ersten Augenblick an gut, als ich ihn sah; so ernst wie heute hab’ ich ihn übrigens noch nie gesehen. Aber auch Sie kommen mir heute recht ernst vor; die bösen Menschen sind an dem allen schuld.«
»Mr. Rowson wird sich wohl hier in der Gegend ankaufen? Ich hörte, daß Mr. Roberts sagte, er erwarte erst einen Teil seines Vermögens.«
»Ja«, flüsterte Marion, »Vater wollte es so – Vater war überhaupt gegen diese Verbindung.«
»Das ist nicht recht von Ihrem Vater, Miß, er darf dem Glück des eigenen Kindes nicht im Wege stehen.«
»Er behauptet aber, daß ich nicht glücklich werden würde«, sagte Marion, wehmütig lächelnd.
»Ist die Liebe nicht das größte Glück?«
»Man sagt so.«
»Man sagt so? Lieben Sie denn nicht Ihren Bräutigam?«
»Mutters ganzes Herz hing an dieser Verbindung. Durch den gottesfürchtigen Wandel des frommen Mannes eingenommen, glaubte sie für mich nicht besser sorgen zu können, als wenn sie mich vermochte ihm meine Hand zu reichen. Ich bekam hier im Walde wohl manchen Mann zu sehen, aber keiner hatte Eindruck auf mich gemacht. Die wilden, rauhen Streifschützen, die zügellosen Floßleute, die Otterfänger und selbst die Farmer, die sich hier in unserer Nähe niederließen, waren alle nicht geeignet, mein Herz zu gewinnen. Mr. Rowson war der erste, der sich durch sein gesittetes, freundliches Betragen meine Achtung erwarb. Er kam öfter in diese Gegend, predigte häufig hier, und – Mutter lernte ihn schätzen. Sie selbst beredete ihn, sich unter uns niederzulassen und ein Weib zu nehmen, er bat um meine Hand, und Mutter – sagte sie ihm zu.
Ich hatte bis dahin nie an eine Verbindung mit ihm gedacht«, fuhr Marion nach einer Weile zögernd fort, »immer mehr den väterlichen Freund als den möglichen Geliebten in ihm gesehen, und der Antrag überraschte mich. Dabei hatte – Ihnen kann ich es vielleicht gestehen – sein Auge etwas, das mir Grauen einflößte, wenn ich schnell und unerwartet zu ihm aufblicke; sah ich ihn aber recht ernst und fest an, so lag wieder etwas so Mildes, Sanftes in den Zügen, das mich endlich selbst für ihn einnahm. Durch Mutters nicht endende Vorstellungen getrieben, gab ich zuletzt mein Jawort. Aber Vater wollte nicht einwilligen; er mochte den stillen, ruhigen Mann nicht leiden und hatte darüber mit Mutter ein paar recht ernste Auftritte. Aufrichtig gestanden, war es mir ziemlich gleich, wer von ihnen recht behielt, denn ich glaube wohl, mit Mr. Rowson glücklich, ohne ihn aber auch nicht unglücklich zu werden. Wie daher Vater sich entschloß, der Mutter das Feld zu räumen, und nur noch darauf bestand, daß Mr. Rowson ein Eigentum haben müsse, welches ihm die Hoffnung gebe, eine Frau zu ernähren, ohne bloß auf das Predigen angewiesen zu sein, versprach ich Mr. Rowson sein Weib zu werden. – Wie er uns nun heute sagte, hat er die Hoffnung, in wenigen Wochen eine hinreichende Geldsumme zu erhalten, um nicht allein das Land, auf dem er wohnt, zu kaufen, sondern sich auch noch einen Anfang zur Viehzucht, wie alles übrige nötige Ackergerät, anzuschaffen. Dann steht der Erfüllung seines Wunsches weiter nichts im Wege und – ich werde die Seine.«
Marion sprach diese letzten Worte mit so leiser, zitternder Stimme, daß Brown unwillkürlich stehenblieb und auf sie hinabsah. Sie hatte den Kopf gewendet, und das Bonnet, das sie trug, verbarg ihm ihr Gesicht.
»Sie werden glücklich werden«, flüsterte er, und ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust.
»Wir müssen umkehren, Mr. Brown«, sagte Marion nach einer kleinen Weile, »sehen Sie nur, die Wipfel der Bäume röten sich schon, die Sonne ist bald untergegangen, und in diesen dichten Wäldern wird es gleich Nacht. Mutter wird sich ängstigen.«
Die beiden jungen Leute wandten sich stumm zum Heimweg. Nach einigen Minuten nahm Marion das Gespräch wieder auf:
»Ich habe Ihnen jetzt meine ganze Lebensgeschichte in wenigen Worten erzählt und dadurch erstaunlich viel Vertrauen bewiesen; Vertrauen aber, wie Mr. Rowson sagt, erweckt Vertrauen, und es wäre jetzt nicht mehr als recht und billig, daß ich ein gleiches von Ihnen forderte. Das heißt – wenn Sie keine Geheimnisse zu bewahren haben, die ein geschwätziges Mädchen, wie ich bin, natürlich nicht erfahren dürfte.«
»Mein Leben ist ziemlich einfach verflossen«, erwiderte Brown, »fast zu einfach. Ich bin in Virginien geboren, doch zog mein Vater, als ich noch ein Kind war, mit uns nach Kentucky, wo er mit Daniel Boon die ersten Ansiedlungen gründete. Ich war kaum stark genug, die Büchse zu tragen, als ich schon mit gegen die Indianer kämpfen mußte, die uns damals Tag und Nacht beunruhigten. Lange trotzten wir ihrer Hinterlist und Übermacht, einmal aber doch, in einer unglückseligen Nacht, hatten sie meinen Vater überfallen und erschlagen. Mit Tagesanbruch weckte uns ihr Schlachtgeschrei und das Prasseln der Flammen, die unsere Blockhütte zerstörten. Alle die Meinigen fielen unter dem Tomahawk, und nur wie durch ein Wunder entging ich ihren Blicken. Ich floh und erreichte die nächste Ansiedlung. Von da an aber trieben wir kämpfend die Wilden aus ihren Schlupfwinkeln und zwangen sie, uns in Frieden zu lassen. Es ist in jenen Zeiten viel Blut – viel unschuldiges Blut vergossen, und ich weiß noch nicht, ob die weißen Männer damals ein Recht hatten, so hart und grausam von Anfang an gegen die Eingeborenen aufzutreten. Freilich rächten sich die Indianer dann auch wieder auf eine entsetzliche Art.
Später zog ich zu meinem Onkel nach Missouri, wo wir mehrere Jahre lebten und dann von dem herrlichen Lande und dem gesunden Klima am Fourche la fave hörten; wir beschlossen hierher auszuwandern. Onkel hatte mich nun immer angetrieben zu heiraten, denn die Junggesellenwirtschaft, die wir führten, war wohl beiden schon zur Last geworden, nie aber fand ich ein Mädchen , das der Vorstellung entsprach, die ich von meinem künftigen Weibe hatte. Ich konnte mich nicht entschließen, eine Frau zu nehmen, ohne daß ich mich von Herzen zu ihr hingezogen fühlte. Ach, ich ahnte wohl die Liebe, aber ich kannte sie noch nicht. Da ritt ich eines Abends spät – es war noch in Missouri – durch eine Gegend, die mein Fuß früher nicht betreten hatte, Wolken verhüllten den Himmel, ich verlor meine Richtung und kam an eine Hütte, von der aus ich zwar meinen Weg wiederfand, meine Ruhe aber und meinen Frieden auf ewig verlor.
Ich sah ein Mädchen in dieser Hütte – ich sah – doch wozu einen Engel schildern, den ich nur finden mußte, um die Gewißheit zu bekommen, daß ich ihn nie besitzen könnte. Jenes Mädchen, Miß Roberts, war verlobt. Ich blieb nachdem nur noch wenige Tage in Missouri und ging nach Texas – ging nach Arkansas; daher mag denn wohl mein oft verstörtes Wesen kommen, was Sie, mein Fräulein, freundlich entschuldigen müssen. Es tut weh, wenn man einmal sein Glück gefunden zu haben glaubt und sieht es dann in Nebelbilder zerrinnen.«
Marion hatte den Kopf gesenkt, und heiße Tränen quollen unter den langen Wimpern hervor, aber Brown sah sie nicht, denn neben ihnen, im dichten Gebüsch von Sumach und Sassafras, rauschte und rasselte es, ein leiser Tritt war im dürren Moos zu hören, und in demselben Augenblick, als der junge Mann, eine mögliche Gefahr befürchtend, stillstand und mit der Hand nach der Waffe fuhr, öffneten sich die dichten Zweige gerade vor ihnen, und ein gewaltiger Panther trat in den Weg und schaute, keineswegs ängstlich, sondern eher wild und frech zu den beiden Menschen empor, die es gewagt hatten, seine Einsamkeit zu stören. Mit einem leisen Schrei warf sich das erschrockene Mädchen in die Arme Browns, der es mit seiner Linken umfaßte, während die Rechte das Terzerol aus der Tasche zog, das er schon einmal heute auf den wilden Kentuckier gerichtet hatte.
Der Panther schwang indessen den langen Schweif halb