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und zwar pro Tasse mit vier Dollars, was nach dem damaligen Weltkurse etwa 940 Mark ausmachte. Nur das Bewußtsein, daß mich diese Rechnungsbegleichung nichts anging, sondern auf das Mac Lintocksche Expeditionskonto entfiel, bewahrte mich vor dem Schicksal, bei diesem Abschied von unserem gütigen Amphitryon aus der Haut fahren zu müssen.

* * *

      Während auf der Atalanta die Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen wurden, versammelten wir uns zu Vieren im Schiffssalon, um das Fazit unserer Erfahrungen zu ziehen.

      – Es läßt sich nicht bestreiten, so begann ich, daß diese platonische Insel wert war, von uns entdeckt zu werden, wiewohl die Gesamtheit der Eindrücke keineswegs als erbaulich anzusprechen ist. Hüten wir uns zunächst vor der Einseitigkeit des Urteils, das so gern an das Neue und Andersartige die Elle des Gewohnten anlegt. Kein Zweifel, die Bewohner von Balëuto fühlen sich in überwiegender Mehrheit glücklich.

      – Und da sie sich glücklich fühlen, ergänzte Eva, so haben sie auch ein Recht darauf, es zu sein; und das Recht, die Bedingungen ihres Glückes als die allein gültigen zu betrachten.

      Donath: Von diesem Recht machen sie auch Gebrauch. Ich hörte im Vorbeigehen zwei Insulaner mit einander reden und entnahm ihrem Gespräch den Satz: »Am Balëut›schen Wesen wird die Welt einst genesen.«

      Der Arzt: Erstaunlich bleibt es dabei, daß diese Leute von einem System ausgehen, das man doch beim besten Willen nur als total verrückt, als die Ausgeburt einer Hirnverbranntheit bezeichnen kann.

      Ich: Somit stehen wir vor der Aufgabe, ergründen zu müssen, wieso sich der Weltruhm des Platon mit der Tatsache verträgt, daß wir ihn als einen Verrückten und Hirnverbrannten erkennen.

      Donath: Ich glaube, wir können uns die Aufgabe erleichtern, wenn wir von der Annahme ausgehen, daß neun Zehntel aller Philosophie überhaupt blanken Blödsinn darstellt…

      Eva: Schopenhauer ausgenommen, möchte ich mir doch ausbitten.

      Donath: Gerade mit Ihrem Schopenhauer würde ich mich darüber gut verständigen. Denn da dieser nur eine Philosophie anerkennt, nämlich die seine, und nicht Schmähworte genug findet für den größten Teil der übrigen, da ferner Schopenhauer auf Kant fußt, Kant auf Plato, so möchte ich eigentlich wissen, was noch von der Philosophie übrigbleibt, wenn wir von ihr alles Unsinnige abziehen.

      Eva: Wenn man nur wüßte, an welche Instanz man sich zu halten hat, um zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden.

      Donath: Natürlich an den gesunden Menschenverstand!

      Ich: Aber der ist ja auch schon in Mißkredit geraten, und besonders die neuen, auf dem Grenzgebiet zwischen Philosophie und Naturkunde arbeitenden Forscher haben ihn uns als einen höchst unzuverlässigen, nur von seinen Vorurteilen lebenden Gesellen enthüllt. Wir kommen aus diesem fehlerhaften Zirkel niemals heraus. Wir verlassen uns zur Wahrheitsprüfung auf unser Gehirn, weil es so ausgezeichnete wissenschaftliche Beglaubigungen aufweist. Und wir übersehen dabei regelmäßig, daß es doch wiederum das nämliche Gehirn ist, das sich alle diese glänzenden Zeugnisse ausgeschrieben hat. Von einer höheren Warte gesehen, zerfiele vielleicht alles Denken überhaupt in dilettantischen Unsinn und fachmännischen Unsinn.

      Donath: Nur daß der dilettantische Unsinn niemals so prätentiös auftritt und sich in bescheideneren, um viele Grade einfacheren Formen kundgibt. Da kann einem die Wahl nicht schwer werden. Ich für meine Person würde es schon der Einfachheit wegen lieber mit dem gemeinen Denken halten.

      Ich: Auch das ist schon ausgesprochen worden. Und wenn der Klassiker, an den ich denke, sein Bekenntnis auch einem Abderiten in den Mund legt, so bleibt es doch ein klassisches Zeugnis, das uns wertvoll wird, angesichts der horrenden Bocksprünge Platos und der Platoniker. Er sagt ungefähr: Die größten, gefährlichsten, unerträglichsten Narren sind die wissenschaftlichen Narren. Ohne weniger Narren zu sein als andere, verbergen sie dem denkunfähigen Haufen die Zerrüttung ihres Kopfes durch die Fertigkeit ihrer Zunge und werden für weise gehalten, weil sie zusammenhängender rasen als ihre Mitbrüder im Tollhause. Ein ungelehrter Narr ist verloren, sobald er offenbaren, durch die Tatsachen sofort widerlegbaren Unsinn lallt. Bei dem gelehrten Narren erleben wir gerade das Widerspiel. Sein Glück ist gemacht, sobald er Unsinn zu reden oder zu schreiben anfängt. Denn die meisten, obgleich sie instinktiv spüren, daß sie nichts davon verstehen, sind entweder zu mißtrauisch gegen ihren eigenen Verstand, um klar zu erkennen, daß die Schuld nicht an ihnen liegt; oder zu eitel, um zu gestehen, daß sie nichts verstanden haben. Je mehr also der gelehrte Narr Unsinn spricht, desto lauter schreien die ungebildeten Narren über Wunder, desto emsiger verdrehen sie die Köpfe, um einen Sinn in dem hochtönenden Unsinn zu finden. Jener, gleich einem durch den öffentlichen Beifall angefrischten Luftspringer, tut desto verwegenere Sätze, je mehr ihm applaudiert wird, diese klatschen immer stärker, um den Gaukler zu noch verblüffenderen Sprüngen anzuregen. Und so geschieht es oft, daß der Schwindelgeist eines Einzigen ein ganzes Volk ergreift, und daß, so lange die Mode des Unsinns dauert, dem nämlichen Manne Altäre aufgerichtet werden, den man unter anderen Bedingungen, ohne viel Umstände mit ihm zu machen, in einer Idiotenanstalt versorgt haben würde.

      Der Arzt: Mir aus der Seele gesprochen. Die Stelle paßt genau auf das von uns erlebte, denn auf dieser Insel ist ja der gelehrte Narr Plato ein Lebendiger und seine Theorien haben sich hier leibhaftig und gegenständlich ausgewirkt.

      Donath: Und man erfährt doch aus solchen Bekenntnissen, daß der gesunde Menschenverstand nie aufgehört hat, gegen die Anmaßungen und Gaukeleien der Fachphilosophie zu rebellieren.

      Ich: Das ist allerdings reichlich geschehen. Der eine nimmt Plato, Sokrates, die Sophisten oder Aristoteles zum Objekt, der andere Fichte, Schelling, Hegel oder Herbart, und rechnet man alles zusammen, so ergibt sich das Fazit, daß sich sogar viele Philosophen bemüht haben, die akademisch betriebene Philosophie als einen Gegenstand verdienter Verachtung hinzustellen. Einer der Unsrigen, Eugen Dühring, hat hierfür nur die schärfsten Ausdrücke gefunden, wenn er Kraftworte gebraucht wie: Philosophastischer Cretinismus, Irrenhäuslerei, Paranoia paralytica philosophastrix und Philosophatsch. Und wenn uns, davon unabhängig, Plato als ein großer Mann und hervorragender Denker vorschwebt, weil ihn die Geschichte als solchen ausruft, so müssen wir doch gestehen: Im Platonischen Staat wäre ein Plato selbst unmöglich gewesen! Er hat Richtlinien vorgezeichnet, in deren Befolgung nur Konfusionariusse zu existieren vermögen, nicht aber ein Mensch, der imstande gewesen wäre, die Ideenlehre aufzustellen.

      Eva: Der Krebsschaden seiner Theorie scheint wohl in seiner krassen Kunstfeindlichkeit zu sitzen.

      Ich: Das kann man bis zu einem gewissen Grade zugeben; nämlich falls man nicht als noch tieferen Grund Unwahrhaftigkeit und Heuchelei annimmt. Ich habe allen Grund zu der Annahme, daß der göttliche Plato ein philosophischer Falschspieler gewesen ist, und bin dessen ganz sicher, daß in hundert Jahren diese vereinzelte Meinung von heute allgemeine Überzeugung sein wird. Sein ganzer Sokrates ist eine raffiniert angelegte, und trotz dieses Raffinements für Geistesaugen durchsichtige Fälschung. Doch das steht auf einem anderen Blatt. Hier haben wir es mit einem grell plakatierten Aufruf zur Kunstverbannung zu tun, und dieses Plakat hat er wider besseres Wissen und gegen seine Überzeugung an seine Politeia-Säule geklebt. Denn er selbst war ein Künstler mit eingeborenen und gepflegten Schönheitsidealen, er selbst hielt sich als Autor der Dialoge für einen Dichter von allen Graden. Nicht weil er die alten Dichter mißachtete, wollte er sie stürzen, sondern sein eigen Bild wollte er auf die Altäre und Sockel setzen; dort standen vorläufig Hesiod und Homer, also herunter mit diesen! Wird aber in dem von Plato vorkonstruierten Staat die wörtlich verstandene Forderung »fort mit den Dichtern« durchgeführt, so müssen sich schon daraus allein die widerwärtigsten Folgerungen ergeben, weil man von einer Barbarei als Prämisse ausgehend nur zu barbarischen Konsequenzen gelangen kann. Es ertöte einer im Volke die Kunstehrfurcht, die Liebe zur Dichtung, und es ist unabwendbar, daß das nämliche Volk in einen Morast von Widersinn und Unmoral versinkt. An den Anfängen des Platonischen Staates stehen schon die Zeichen des Bilderwüterichs Savonarola aufgerichtet, der gegen Ovid und Tibull, Terenz und Catull wetterte, weiterhin gegen Wissenschaft und Kunst überhaupt bis zum Aufbau von Scheiterhaufen in Stufenpyramiden, auf denen bildliche Kostbarkeiten

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