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(§ 4 Abs. 9 S. 2 WpHG a.F.) von der BaFin darauf hinzuweisen, dass es „ihm nach dem Gesetz freistehe, jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen“. Im Aufsichtsverfahren geht der Hinweis allerdings ins Leere, denn der Verpflichtete hat im Verwaltungsverfahren kein Recht auf einen Verteidiger.[87] Dieses steht ihm gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG (erst) „nach dem Gesetz“ zu, womit das Recht auf Verteidigerkonsultation gem. § 137 StPO im Strafverfahren in Bezug genommen wird und die Stellung eines Beschuldigten voraussetzt.[88] Richtigerweise ist die Hinweispflicht wie im Strafverfahren (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) als Konditionalsatz ausgestaltet, d.h. die Hinweispflicht besteht für die BaFin erst dann, sobald dem Verpflichteten nach dem Gesetz das Recht auf einen Verteidiger zusteht.[89]

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      Die Pflicht einer Aufsichtsbehörde, den Auskunftspflichtigen auf das Verteidigerkonsultationsrecht hinzuweisen, ist im Wirtschaftsverwaltungsrecht einmalig. Sie ist – soweit ersichtlich – nur für die BaFin im WpHG vorgesehen.[90] Sogar im Steuer-, Insolvenz- und Wettbewerbsrecht, wo sich die Normadressaten typischerweise der dargestellten Kollisionslage ausgesetzt sehen, hat der Gesetzgeber eine solche Hinweispflicht der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. der zuständigen Stelle nicht als regelungsbedürftig erachtet.

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      Mit der Implementierung der Hinweispflicht in § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zielte der Gesetzgeber erkennbar (nur) auf das Verteidigerkonsultationsrecht des Beschuldigten im Strafverfahren.[91] Übersehen wurde, dass dem Verpflichteten, der Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist, ebenfalls „nach dem Gesetz“ ein Recht auf einen Verteidiger zusteht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 Abs. 1 StPO). Der Gesetzgeber hat damit (wohl unerkannt) eine Hinweispflicht auch im Bußgeldverfahren nach WpHG geschaffen, die nach den allgemeinen Regeln (§ 55 Abs. 2 OWiG) entbehrlich wäre. Dieser Sichtweise steht der in § 46 Abs. 1 OWiG angeordnete Vorrang des OWiG nicht entgegen. Denn dieser regelt nur das Verhältnis zu den Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren (d.h. Strafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetzes und Jugendgerichtsgesetzes) und nicht gegenüber sonstigen Gesetzen wie dem WpHG.

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      Wollte man die Hinweispflicht der BaFin gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG hingegen unter Verweis auf das „gesetzgeberische Versehen“ auf die Verfahrensstellung des Beschuldigten im Strafverfahren beschränken, wird die Hinweispflicht auf das Verteidigerkonsultationsrecht im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht gleichwohl nicht zu verneinen sein. Es ist auch unter Maßgabe des § 55 Abs. 2 OWiG anerkannt, dass nach den Umständen des Einzelfalls, etwa wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder der Höhe der zu erwartenden Geldbuße, eine Hinweispflicht im Bußgeldverfahren geboten sein kann.[92] Im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht drohen typischerweise empfindliche Geldbußen. Daher sollte das Bußgeldreferat der BaFin bei der Anhörung jeden Betroffenen standardisiert über das Verteidigerkonsultationsrecht belehren. Diese Erwägung greift auch bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach WpÜG, WpPG und VermAnlG, die von der Regelung des § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG nicht erfasst werden.

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      Im Ergebnis ist festzuhalten: Rückt der Verpflichtete spätestens durch die förmliche Einleitung des Bußgeldverfahrens in die Betroffenenstellung ein, ist er vom Bußgeldreferat der BaFin gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO auf das Verteidigerkonsultationsrecht hinzuweisen.

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      Praxishinweis

      Die Fachreferate der BaFin müssen den Verpflichteten erst dann über das Aussageverweigerungsrecht bzw. über das Verteidigerkonsultationsrecht belehren, wenn der Verpflichtete Beschuldigter bzw. Betroffener ist. Wurde der Verpflichtete überobligatorisch im Aufsichtsverfahren standardisiert belehrt, ohne dass die BaFin mangels Betroffenenstellung der Verpflichteten hierzu gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG verpflichtet gewesen war, ist der Betroffene spätestens zu Beginn des förmlichen Bußgeldverfahrens über das Verteidigerkonsultationsrecht erneut und erstmals verpflichtend zu belehren. Der vorherige („vorsorgliche“) Hinweis im Aufsichtsverfahren ist nicht geeignet, die Belehrung über das Verteidigerkonsultationsrecht zu ersetzen, sobald dem Betroffenen nach dem Gesetz das Recht auf einen Verteidiger tatsächlich zusteht.[93]

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      Der Betroffene muss im Übrigen nicht darüber belehrt werden, dass er unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO Anspruch auf einen notwendigen Verteidiger hat. Diese Belehrungspflicht, die gem. § 136 Abs. 1 S. 5 StPO im Strafverfahren gilt, ist gem. § 55 Abs. 2 S. 2 OWiG ausgeschlossen.

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      Dem Betroffenen wird mit dem Anhörungsschreiben die Gelegenheit gegeben, sich innerhalb einer von der BaFin bestimmten Frist (z.B. von einem Monat) zu den Tatvorwürfen zu äußern. Da die schriftliche Anhörung die förmliche Vernehmung des Betroffenen ersetzt (vgl. § 55 Abs. 1 OWiG), werden typischerweise die aus Sicht der BaFin relevanten Fragen zum Sachverhalt dem Betroffenen bereits im Anhörungsschreiben gestellt.

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      Im Ermittlungsverfahren entscheidet die BaFin gem. § 60 OWiG i.V.m. § 121 WpHG über die Bestellung eines notwendigen Verteidigers (sog. Pflichtverteidiger). Im Bußgeldverfahren kommt eine Pflichtverteidigerbestellung – wie aus § 60 Abs. 1 OWiG folgt – nur aus den Gründen des § 140 Abs. 2 StPO in Betracht. Von vornherein kein Bedürfnis und daher auch keine Pflicht zur Bestellung eines notwendigen Verteidigers besteht, wenn sich ein Wahlverteidiger für den Betroffenen bereits legitimiert hat. Dies dürfte in der Praxis die Regel sein.

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      Seit der Reform des Rechts der notwendigen Verteidigung im Jahr 2019[94] hat der Betroffene ein eigenes Antragsrecht auf Bestellung eines notwendigen Verteidigers. Diese Regelung, die auch im Bußgeldverfahren Geltung beansprucht, hat grundsätzlich das Potential, die Anzahl der Pflichtverteidigerbestellungen im Straf- und Bußgeldverfahren zu erhöhen. Da der Betroffene im Bußgeldverfahren über diese Möglichkeit indes nicht belehrt zu werden braucht,[95] dürfte sich die Regelung auf die Pflichtverteidigerbestellung in der Bußgeldpraxis der BaFin allerdings nicht wesentlich auswirken.

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      In § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 138 StPO ist geregelt, wer im Bußgeldverfahren als Verteidiger gewählt werden kann.

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      Hierzu sind in der Praxis in erster Linie Rechtsanwälte (§ 138 Abs. 1 1. Var. StPO) berufen. Ebenfalls kommen Rechtslehrer an deutschen Hochschulen i.S.d. Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt (§ 138 Abs. 1 Var. 2 StPO) als Verteidiger im Bußgeldverfahren in Betracht.

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      Auch ein Syndikusanwalt darf als Verteidiger im Bußgeldverfahren nicht zurückgewiesen werden. Der Syndikusanwalt hat nach der sog. Doppelberufstheorie zwei Arbeitsbereiche: den eines freien Rechtsanwalts und – im Hauptberuf – den eines nichtanwaltlichen und weisungsgebundenen Arbeitnehmers.[96] Nur soweit der Syndikusanwalt außerhalb seines hauptberuflichen Dienstverhältnisses tätig wird, kann er als Verteidiger gem. § 138 Abs. 1 Var. 1 StPO bestellt werden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn in dem Arbeitsvertrag geregelt ist, dass strafrechtliche Angelegenheiten nicht zu seinen Arbeitsaufgaben gehören.[97] Der Syndikusanwalt unterliegt zwar den standesrechtlichen

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