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im Bußgeldverfahren anwendbar. Der Tatverdacht kann sich so stark verdichtet haben, dass der Verpflichtete schon im Aufsichtsverfahren als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit behandelt werden muss, um die Umgehung seiner strafprozessualen Rechte zu vermeiden.

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      Für das Wirtschaftsverwaltungsrecht untypisch[8] muss der Verpflichtete im Aufsichtsverfahren gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zusätzlich auf das Recht auf einen Verteidiger hingewiesen werden, und zwar nicht nur, wenn er einer Straftat beschuldigt wird, sondern auch dann, wenn er Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist.[9]

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      Zusammenfassend sind zur Wahrung der Selbstbelastungsfreiheit des Verpflichteten die nachfolgenden Belehrungspflichten von den Fachreferaten der BaFin bereits im Aufsichtsverfahren zu beachten:[10]

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Tab. 1: Belehrungspflichten im Aufsichtsverfahren
Belehrungspflichten im Aufsichtsverfahren
Verpflichteter ohne Betroffenenstatus Verpflichteter mit Betroffenenstatus
- Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 1 WpHG über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. - Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 2 WpHG über sein Aussageverweigerungsrecht zu belehren.
- Kein Hinweis auf das Recht auf einen Verteidiger, das ihm gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG „nach dem Gesetz“ – also als Betroffener gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO – zusteht. - Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 3 WpHG auf sein Recht auf einen Verteidiger gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO hinzuweisen.
- Kein Vorlageverweigerungsrecht, deshalb auch keine Belehrung. - Kein Vorlageverweigerungsrecht, deshalb auch keine Belehrung.

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      Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG ist der (jedenfalls tatverdächtige) Verpflichtete über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren.

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      Der Hinweis auf das Recht auf einen Verteidiger, das ihm gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG „nach dem Gesetz“ – also als Betroffener gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO – zusteht, erfolgt im Aufsichtsverfahren nicht, solange der Verpflichtete nicht als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit einzustufen ist.[11]

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      Im Aufsichtsverfahren vermittelt die Selbstbelastungsfreiheit dem Verpflichteten kein Vorlageverweigerungsrecht.[12] Anders als beispielsweise in § 22 Abs. 1 S. 2 ArbSchG, hat der Gesetzgeber im WpHG kein Vorlageverweigerungsrecht geregelt. Wird der Verpflichtete aufgefordert, Unterlagen vorzulegen, soll er die Vorlage selbst dann nicht verweigern dürfen, wenn er sich straf- oder bußgeldrechtlich belasten müsste.[13]

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      Ist der Verpflichtete wegen der Stärke des gegen ihn gerichteten Tatverdachts schon vor der Einleitung eines Bußgeldverfahrens in den Betroffenenstatus gerückt, ist er im Aufsichtsverfahren gem. § 6 Abs. 15 S. 2 Var. 2 WpHG über sein Aussageverweigerungsrecht zu belehren. Die Belehrung lediglich über das Auskunftsverweigerungsrecht wäre nicht ausreichend.[14]

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      Der Verpflichtete ist gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zudem auf sein Recht auf einen Verteidiger gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO hinzuweisen.

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      Nach der Rechtsprechung soll dem Verpflichteten, obgleich er bereits Beschuldigter bzw. Betroffener ist, im Aufsichtsverfahren kein Vorlageverweigerungsrecht zustehen.[15] Die Selbstbelastungsfreiheit schützt nach diesem Verständnis nur vor aktiver, nicht vor passiver Mitwirkung an der Tatüberführung. Durch das Vorlageverlangen wird aus Sicht der Rechtsprechung von der mitwirkungspflichtigen Person – trotz des „Realaktes“ der Übergabe und der faktisch enthaltenen Erklärung, dass die Unterlagen vorhanden sind[16] – lediglich die passive Duldung der behördlichen Einsichtnahme verlangt.[17] Dies berge zwar das Risiko einer „ungünstigen Tatsachenwürdigung“ durch die Behörden,[18] nach Auffassung des BVerfG wird dadurch jedoch weniger in die personale Freiheit der Willensentschließung eingegriffen als durch die – wegen der Selbstbelastungsfreiheit verbotenen – Nötigung, durch eigene Äußerungen strafbare Handlungen offenbaren zu müssen.[19]

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      Von Bedeutung ist nach den vorstehenden Erläuterungen, ab wann der Verpflichtete im Aufsichtsverfahren als Betroffener behandelt werden muss. Der Begriff des Betroffenen ist im Gesetz nicht definiert, sodass auf die Rechtsprechung des BGH[20] zur Beschuldigteneigenschaft zurückgegriffen werden muss.[21] Die Beschuldigteneigenschaft setzt subjektiv den Verfolgungswillen der Verfolgungsbehörde voraus, der sich objektiv in einem Willensakt manifestiert (vgl. § 397 Abs. 1 AO).[22] Spätestens mit der Einleitung eines gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahrens rückt der Verpflichtete in die Stellung eines Betroffenen. Wenn – wie im Aufsichtsverfahren regelmäßig – die Beschuldigteneigenschaft nicht aus dem Willensakt der BaFin gedeutet werden kann, ist die objektive Stärke des Tatverdachts maßgebend. Dies ist stets eine Frage des Einzelfalls. Zur Orientierung in der Praxis hat der BGH das Folgende angemerkt:

- Der Verdachtsgrad erfordert keinen dringenden Tatverdacht. Andererseits reicht auch nicht schon jeder bestehende Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO, damit die Belehrungspflichten i.S.d. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO ausgelöst werden.[23]
- Die Inkulpationspflicht der Verfolgungsbehörde entsteht, wenn die Person „konkret und ernsthaft“ als Täter einer Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt.[24]
- Die Verfolgungsbehörde kommt bei der Beurteilung des Verdachtsgrades ein pflichtgemäß auszuübende Beurteilungsspielraum zu. Ist der Tatverdacht so stark, dass andernfalls willkürlich die Grenzen des eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten werden würden, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Verpflichtete nicht über das Aussageverweigerungsrecht belehrt wird.[25]

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      Sind juristische Personen Verpflichtete aufsichtsrechtlicher Maßnahmen, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Juristischen Personen (bzw. ihren vertretungsberechtigten Organen) steht im Bußgeldverfahren gem. § 46

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