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Sobald im Aufsichtsverfahren die auf Tatsachen gestützte Möglichkeit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG gegen die verpflichtete Gesellschaft besteht (str.)[27], rückt sie verfahrensrechtlich in eine beschuldigtenähnliche Stellung.[28] In dieser Situation stehen ihr sämtliche prozessualen Rechte aus dem Bußgeldverfahren (wie das Schweigerecht oder das Recht auf einen Rechtsanwalt) zu, die durch die vertretungsberechtigten Organe wahrgenommen werden.[29] Bestehende Belehrungspflichten sind sodann bereits im Aufsichtsverfahren von den Fachreferaten der BaFin zu beachten.

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      Während Fragen nach der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafverfahren von maßgeblicher Bedeutung sein können, sind sie im Bußgeldverfahren der BaFin nicht in gleicher Weise relevant. Das mag bereits mit der Motivlage der Betroffenen im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht zu tun haben. Noch im Aufsichtsverfahren wird an die Verpflichteten die Erwartungshaltung herangetragen, mit der BaFin die „größtmögliche Kooperation zu leben“[30]. Auch im Bußgeldverfahren kann es im Interesse der Betroffenen bzw. der betroffenen Gesellschaften liegen, sich im Grundsatz weiterhin kooperativ zu verhalten. Umso wichtiger wird es sein, dass die BaFin ihrer gesetzlich zugewiesenen Rolle gerecht wird und nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) ermittelt und Fragen der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Bußgeldverfahren hinreichende Beachtung schenkt. Denn Beweisverwertungsverbote – so sie auch im Bußgeldverfahren greifen – sind im Ermittlungsverfahren unabhängig von einer Beanstandung durch den Betroffenen von Amts wegen zu berücksichtigen.[31] Nach dem Verständnis des BGH werden Verwertungsverbote bereits durch den Gesetzesverstoß und nicht erst durch eine Beanstandung begründet.[32]

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      Erkenntnisse, die im Aufsichtsverfahren rechtmäßig erlangt worden sind, können unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwendet werden. Übertragen auf das Bußgeldverfahren bedeutet das: Die durch Maßnahmen zur Abwehr marktschädigenden Verhaltens im Aufsichtsverfahren erlangten Daten dürfen im Bußgeldverfahren nur dann ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken verwendet werden, wenn die Datenerhebung nach den Voraussetzungen der im Bußgeldverfahren anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung durch eine entsprechende Maßnahme zulässig gewesen wäre.[33]

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      Der BGH leitet aus der Vorschrift den Gedanken des hypothetischen Ersatzeingriffs als generellen Maßstab für die Verwendung von personenbezogenen Informationen zu Zwecken des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens ab, die nicht auf strafprozessualer Grundlage erlangt worden sind.[34] Bei der Prüfung, ob die Daten- bzw. Beweiserhebung auf Grundlage von Maßnahmen nach der StPO möglich gewesen wäre, soll es lediglich auf deren materiell-rechtliche Voraussetzungen ankommen (sog. materiell-rechtliche Umwidmung). Formelle Voraussetzungen der Eingriffsmaßnahme, wie die Wahrung des Richtervorbehalts gem. § 105 Abs. 1 StPO im Kontext einer Wohnraumdurchsuchung, sind bei der Umwidmung grundsätzlich ohne Bedeutung.[35] Liegen die Voraussetzungen des § 161 Abs. 3 StPO nicht vor, können die im Aufsichtsverfahren erlangten Daten nicht als Beweismittel („zu Beweiszwecken“, § 161 Abs. 3 StPO), gleichwohl aber als Ermittlungsansatz (sog. Spurenansatz) im Bußgeldverfahren genutzt werden,[36] um sonstige Beweismittel zu sichern.

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      Vielfach werden die im Aufsichtsverfahren erhobenen Erkenntnisse auch im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwertbar sein. Ein Beispiel für die beschränkende Wirkung der Verwendungsregelung des § 161 Abs. 3 StPO findet sich im Zusammenhang mit der Verfolgung von Insiderhandel und Marktmanipulation. Erhebt die BaFin im Aufsichtsverfahren nach § 7 Abs. 1 WpHG Telekommunikationsdaten, dürfen diese für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Bußgeldverfahren nicht verwertet werden. Denn gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO wäre es nach § 100g Abs. 1 StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) nicht zulässig, Telekommunikationsdaten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit zu erheben.

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      Vertiefung

      Absehbar könnte sich die Frage nach der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus verdeckten Testkäufen (sog. Mystery Shopping) stellen. Mit dieser zum 1.7.2021 durch das FISG in § 4 Abs. 1a FinDAG geschaffenen Befugnis kann die BaFin im Aufsichtsverfahren Finanzprodukte unter Pseudonym erwerben und Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne hierbei den dahinterstehenden Überprüfungszweck offenlegen zu müssen. Der Gesetzgeber verspricht sich von dieser Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten eine „Versachlichung“ der Informationsgewinnung, die bislang oft durch widersprüchliche Darstellungen von Seiten der Anbieter einerseits und den Verbrauchern andererseits geprägt gewesen sein soll.[37] Die verdeckten Testkäufe wird die BaFin voraussichtlich nicht durch eigene Mitarbeiter, sondern durch von ihr beauftragte Dritte (Personen und Einrichtungen) durchführen.[38] Offenbart der verdeckte Testkauf etwa Verstöße in Bezug auf die Einhaltung der in §§ 63 ff. WpHG umgesetzten Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten für WpDUs (insb. Fehler in der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung und diesbezüglicher Offenlegungs- oder Dokumentationspflichten), wird die BaFin solche Erkenntnisse möglicherweise als Grundlage für eine Bebußung für den konkreten Einzelfall als auch als Anhaltspunkt für „systemisches Organisationsversagen“ verwenden.

      Der Testkauf erfolgt im Ausgangspunkt aus präventiven Gründen. Ob durch den Testkauf erlangte Unterlagen oder Dokumente sodann im Bußgeldverfahren als Beweismittel verwertbar sind, richtet sich nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen im Grundsatz offen geführt werden. Heimliche bzw. verdeckte Ermittlungsmaßnahmen bilden im Strafverfahren schon wegen ihres im Einzelfall erheblichen Grundrechtseingriffs die Ausnahme und sind daher typischerweise erhöhten Eingriffsvoraussetzungen unterworfen.[39] Heimliche Ermittlungsmaßnahmen, die wie die Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung gem. §§ 100a ff. StPO oder der Einsatz eines verdeckten Ermittlers nach § 110a StPO bereits tatbestandlich die Aufklärung schwerer Straftaten voraussetzen, können im Bußgeldverfahren von vornherein keine „sinngemäße“ Anwendung i.S.d. § 46 Abs. 1 OWiG finden.[40] Daraus folgt aber nicht, dass heimliche bzw. verdeckte Ermittlungsmaßnahmen im Bußgeldverfahren per se unzulässig wären.[41] So ergibt sich die Befugnis zu verdeckten Testkäufen im repressiven Bereich grundsätzlich aus der Generalklausel der § 163 Abs. 1 bzw. § 161 Abs. 1 StPO („Ermittlungen jeder Art“),[42] die über § 46 Abs. 1 OWiG im Bußgeldverfahren Anwendung findet. Der präventive Testkauf gem. § 4 Abs. 1a FinDAG ist damit als eine „entsprechende Maßnahme“ i.S.d. § 161 Abs. 3 StPO einzuordnen. Weiter ist zu prüfen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm (hier des § 161 Abs. 1 StPO) im Zeitpunkt des Testkaufs vorgelegen hätten.[43] Fehlt es hieran, etwa weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit vorlag oder weil die Verhältnismäßigkeit eines solchen verdeckten Vorgehens zur Aufklärung einer Ordnungswidrigkeit nicht gewahrt gewesen wäre, dürfen unmittelbar aus dem Testkauf erlangte Erkenntnisse im Bußgeldverfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 3 StPO nicht als Beweismittel verwertet werden. Praxisgerecht dürfte es ohnedies sein, von der Verfolgung jedenfalls solcher Ordnungswidrigkeiten abzusehen, die unmittelbar mit den durch den verdeckten Testkauf erlangten Dokumenten zu beweisen wären. Die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse als Ermittlungs- bzw. Spurenansatz für weitere Ermittlungen (insb. für ein „systemisches Versagen“) stellt sich demgegenüber in strafprozessualer Hinsicht als weniger problematisch dar.

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