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verwendete Billigungstheorie, derzufolge Vorsatz zu bejahen ist, wenn der Täter den Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt, nicht dagegen, wenn er ihn innerlich ablehnt und auf sein Ausbleiben hofft. Danach wäre hier bedingter Vorsatz zu verneinen. Auch gegen diese Theorie spricht aber, dass sie zu wenig am Rechtsgüterschutz ausgerichtet ist. d) Maßgeblich können nämlich keine Gefühle und Hoffnungen sein, sondern die Frage, ob sich der Täter für die mögliche Tatbestandsverwirklichung entschieden hat. Entscheidend muss daher sein, ob der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts ernst nimmt und sich mit ihr abfindet. Nach einer so verstandenen Ernstnahmetheorie bzw. Einwilligungstheorie kann es nicht ausreichen, dass der Täter nur ins Blaue hinein auf einen günstigen Ausgang hofft. Entscheidend ist vielmehr, ob der Täter den Erfolg ernsthaft für möglich gehalten hat und dennoch in dessen Eintritt einwilligt, indem er ihn hinnimmt. So lag es aber im vorliegenden Fall, weil sich A mit dem tödlichen Ausgang abgefunden hatte. Er erkannte nämlich die konkrete Gefahr der Rechtsgutsverletzung und ließ sich dennoch nicht von seinem Verhalten abhalten. A handelte daher mit bedingtem Tötungsvorsatz.

      II. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.

      III. Ergebnis: A ist strafbar wegen vorsätzlicher Tötung nach § 212 StGB.

       Hinweis für die Klausurbearbeitung: Eine ausführlichere Problembehandlung, als sie hier vorgetragen wurde, wird in der Klausur kaum jemals erforderlich, geschweige denn zeitlich möglich sein. Insbesondere wird man regelmäßig auf die Darstellung der (veralteten) Frank'schen Formel und der (doch sehr speziellen) Herzberg'schen Theorie von der unabgeschirmten Gefahr (vgl. Rn. 93 und Rn. 97) verzichten können, so wie dies auch hier in der Falllösung geschehen ist. Überhaupt sind eingehendere Ausführungen nur dann veranlasst, wenn der Sachverhalt schildert, dass dem Täter der Erfolg unangenehm, unlieb etc. ist. Wenn der Sachverhalt dagegen erwähnt, dass der Täter den Erfolg „billigend in Kauf genommen“ hat oder „auf einen guten Ausgang gehofft“ hat, dürfte regelmäßig genügen, wenn in der Klausur auf die Billigungs- und Ernstnahmetheorie eingegangen wird.

       Achten Sie vor allem auf den Klausurtext: „Auf einen guten Ausgang hoffen“, weist grundsätzlich auf dolus eventualis hin. „Auf einen guten Ausgang vertrauen“ spricht dagegen für bewusste Fahrlässigkeit.

      Beispiel 1: Überholt etwa A vor einer Bergkuppe, weil er auf seine Fahrkünste vertraut, und kommt es zu einem Zusammenstoß, bei der ein entgegenkommender Fahrer getötet wird, so spricht dies für bloße Fahrlässigkeit.

      Beispiel 2: A versucht sich der Festnahme zu entziehen, indem er auf eine Polizeisperre zufährt. Polizist P kann im letzten Moment zur Seite springen. A war davon auch ausgegangen, weil er darauf vertraute, dass Polizisten auf das Beiseitespringen geschult werden.

      Auch hier kann wohl keine versuchte Tötung angenommen werden, weil A angesichts der von ihm angenommenen besonderen Fähigkeiten der Polizisten auf einen guten Ausgang vertraute. Gegeben sind aber in einem solchen Fall regelmäßig § 315b StGB (Stichwort: Pervertierung des Straßenverkehrs durch Benutzung des Fahrzeugs als Angriffsmittel) und §§ 113 f. StGB!

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      Hier sind vor allem die folgenden Problembereiche klausurrelevant:

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      Nach der Rspr. schließen Abweichungen des tatsächlichen Tatgeschehens gegenüber dem vorgestellten Verlauf den Vorsatz dann nicht aus, wenn sich die Abweichung noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (so BGHSt 7, 329).[96]

      Beispiel: A will B durch mehrere Messerstiche töten. Nach Beginn des Zustechens wird A wegen eines Blutrausches unzurechnungsfähig. Er sticht insgesamt 50-mal auf B ein, woran er bei Tatbeginn nicht gedacht hatte (Blutrausch-Fall).[97]

      BGH: Der Angeklagte wollte B töten, ihr also die erforderliche Anzahl von Messerstichen beibringen, damit sie stirbt. Der wirkliche Tatverlauf entsprach dem und der Eintritt der Unzurechnungsfähigkeit ist daher eine für den Vorsatz bedeutungslose unwesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf.

      Besondere Probleme werfen Kausalverlaufsabweichungen im Rahmen sog. mehraktiger Geschehen auf. Das zeigt folgender

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      Fall 9: A würgte den B, bis dieser regungslos dalag. Danach wollte er die Spuren der Tat beseitigen und warf den B in eine Jauchegrube. Tatsächlich lebte B noch und ertrank in der Jauche. Strafbarkeit des A? (Jauchegruben-Fall nach BGHSt 14, 193, hier leicht verändert und verkürzt wiedergegeben)[98]

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       Lösung:

       Vorüberlegung zum Aufbau, die aber der Klausurlösung keinesfalls vorangestellt werden darf, da der Aufbau stets für sich zu sprechen hat (!): Hier muss man sich von vornherein über die Möglichkeit im Klaren sein, dass eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf (Sterben durch Ertrinken statt durch Würgen) gegeben sein könnte. Wenn dies der Fall ist, liegt nur eine einzige Tötung vor, die dann durch das Würgen ins Werk gesetzt und durch das Hineinwerfen in die Jauchegrube abgeschlossen worden wäre. Will man dieses Ergebnis vertreten, so muss man auch den Aufbau im Sinne einer Einheit gestalten. Der Kopfsatz lautet dann also:

      I. In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung nach § 212 StGB durch das Würgen des B.

       1. Tatbestandsmäßigkeit

      a) Objektiver Tatbestand (1) Erfolg und Kausalität sind zu bejahen, da das Würgen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Versenken des Opfers als vermeintliche Leiche in der Jauchegrube ausgeblieben wäre.

      (2) Zweifel bestehen allerdings hinsichtlich der objektiven Zurechnung, da es nicht die (typische) Gefahr des Würgens ist, dass man ertrinkt. Dementsprechend wäre es durchaus denkbar, im Würgen nur den Versuch einer Tötung und im späteren Versenken des B in der Jauchegrube eine in Tatmehrheit zu diesem Tötungsversuch stehende fahrlässige Tötung zu erblicken.[99] Indessen bejaht die h. M. die objektive Zurechnung, weil der Täter die Gefahr einer irrtümlichen Annahme des Todes und der daraus resultierenden tatsächlich tödlichen Verdeckungshandlung schon durch das Würgen mitgeschaffen hat,[100] zumal nicht nur die Verwechslung von Bewusstlosigkeit und Tod, sondern auch die einer Tötung nachfolgende Beseitigung der (vermeintlichen) Leiche durchaus noch als typisch bezeichnet werden kann.

      b) Subjektiver Tatbestand Fraglich ist hier, ob eine für den Vorsatz beachtliche wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorlag, da A zwar die causa vorsätzlich gesetzt, den konkreten Todesverlauf aber nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hatte. Hier wurde früher die Rechtsfigur des dolus generalis auch auf zweiaktige Geschehen der vorliegenden Art übertragen und auf diese Weise Vorsatz für das Gesamtgeschehen angenommen. Dies ist jedoch abzulehnen, da von einem dolus generalis nur dann gesprochen werden kann, wenn auch die Zweithandlung noch vom Vorsatz umspannt wird.

      Dennoch hat der BGH vorliegend eine unwesentliche Abweichung angenommen, weil sich die irrtümliche Annahme einer bereits erfolgten Tötung und die sich daran anschließende Beseitigungshandlung noch im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren bewegten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigten.[101] Nach anderer Auffassung soll dagegen gerade deshalb, weil die Zweithandlung vom Vorsatz nicht mehr umfasst war, eine wesentliche Abweichung anzunehmen sein, da dem Täter anderenfalls „ein schon erloschener Vorsatz unterstellt“[102] werde. Wenn nicht

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