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realkonkurrierender fahrlässiger Tötung durch das Versenken in der Jauchegrube anzunehmen sein.[103] Eine vermittelnde Auffassung, die zwischen diesen Extremstandpunkten hindurchsteuert, hat Roxin entwickelt. Danach ist entscheidend, ob der Täter bei der Ersthandlung mit direktem Vorsatz oder nur mit dolus eventualis gehandelt hat.[104] Im ersten Fall bedeutet der Tod durch Ertrinken eine Planverwirklichung, weil der Täter das erreicht, was er wollte, sodass eine für den Vorsatz unwesentliche Abweichung anzunehmen ist. Im zweiten Fall dagegen ist die Abweichung wesentlich, weil schließlich ein Erfolg bewirkt wird, den der Täter nicht „geplant“ hat, sondern „nur wohl oder übel in Kauf nahm“.[105] Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass sich die Frage der Wesentlichkeit der Abweichung wohl nicht nach der Vorsatzart richten kann.[106] Folgt man daher dem BGH, so ist § 212 StGB tatbestandlich erfüllt.

       Hinweis für die Klausurbearbeitung: Selbstverständlich sind hier alle genannten Auffassungen vertretbar; für die Annahme von Tötungsversuch einerseits und fahrlässiger Tötung andererseits dürfte sogar sprechen, dass die Zweithandlung in den geschilderten Fällen tatsächlich nicht mehr von einem Vorsatz getragen ist und die Vorsatzzurechnung aus der Ersthandlung eher gekünstelt wirkt. Für die Anwendung der BGH-Auffassung in der Klausur kann daher möglicherweise nur die Tatsache sprechen, dass es sich hierbei um die (noch) h. M. handelt.

      2. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. A ist daher strafbar wegen vorsätzlicher Tötung nach § 212 StGB.

      II. Eine Strafbarkeit wegen Mordes nach § 211 StGB kommt darüber hinaus mangels entsprechender Sachverhaltsangaben nicht in Betracht.

      III. Die durch das Würgen mitverwirklichte gefährliche Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 5 StGB tritt hinter der vollendeten Tötung als subsidiär zurück.

      Eine Sonderkonstellation des mehraktigen Geschehens bildet folgender

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      Fall 10: A und sein Freund, das spätere Tatopfer L. M., waren am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des A unterwegs. Im Laufe der Fahrt hielten sie an einer Scheune an. Möglich ist, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf L. M. u. a. äußerte, dass A „kein Mädchen an den Start bekomme“. Zu darüber hinaus gehenden Aggressivitäten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem A den Rücken zu. A entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst war. A stellte sich hinter L. M., holte mit einer mitgebrachten, schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht drei Mal auf den Kopf, wobei L. M. bereits durch den ersten Schlag bewusstlos wurde. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer Verletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zu dessen Tod geführt hätten. In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, verließ A den Tatort. Da A den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er aber den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als A wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer schnitt er dem nach wie vor bewusstlosen Opfer den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten. Später ließ sich A unwiderlegt dahingehend ein, dass er bei der Vornahme der Schnitte davon ausgegangen war, dass das Opfer auch bereits angesichts der Schläge nicht mehr ins Bewusstsein hätte zurückgeholt werden können (Scheunenmord-Fall nach BGH NStZ 2016, 721[107]).

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       Lösung:

       Vorüberlegung zum Aufbau, die hier ebenfalls in der Klausur keinesfalls vorangestellt werden dürfte: Da es hier – anders als im Jauchegruben-Fall – nicht ohne Weiteres möglich ist, alle Probleme inzident in einer Gesamtprüfung des vorsätzlichen Mordes unterzubringen, dürfte es sich anbieten, zunächst einen Mord durch die unmittelbar zum Tode führenden Messerschnitte zu prüfen und erst im Anschluss auf den möglichen Mord durch die Schläge auf den Kopf einzugehen. Dies hat den Vorteil, dass man herausarbeiten kann, weshalb es mit Bezug auf die Messerschnitte schwierig ist, einen Mord zu bejahen, und daher zu prüfen ist, ob ein einheitlicher Mord durch die Schläge auf den Kopf zu bejahen ist. Die Prüfungsreihenfolge wäre hier also wie folgt:

      I. In Betracht kommt eine Strafbarkeit des A wegen Mordes nach §§ 211, 212 StGB durch die unmittelbar zum Tode führenden Halsschnitte.

       1. Tatbestandsmäßigkeit

      a) Hier kann zunächst kein Zweifel daran bestehen, dass A den Tod des L. M. kausal und zurechenbar sowie vorsätzlich bewirkt hat.

      b) Fraglich ist jedoch, ob dem A mit Bezug auf die Halsschnitte auch ein Mord vorgeworfen werden kann.

      aa) Denkbar wäre zunächst die Annahme von Heimtücke. Diese scheidet jedoch aus, da das Opfer zum Zeitpunkt der Halsschnitte bereits bewusstlos war und der BGH Heimtücke bei einem ohnmächtigen Opfer in ständiger Rechtsprechung verneint.[108]

      bb) Denkbar wäre jedoch die Annahme des subjektiven Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht. Jedoch muss auch diese verneint werden, da aus Sicht des A nicht zu befürchten war (vgl. seine Einlassung), dass das Tatopfer wieder zu Bewusstsein kommen werde und von den Schlägen des A würde berichten können. Darüber hinaus verlangt Verdeckungsabsicht, dass der Täter mit dem Ziel handelt, eine „andere“ Straftat zu verdecken. Sofern ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht, wäre dies vorliegend zweifelhaft, da der Täter nur die bereits begonnene Tötungstat in Verdeckungsabsicht fortgeführt hätte. Dies wäre dann aber die gleiche und keine „andere“ Tat. Eine in der Literatur vorfindliche Auffassung lässt zwar bei einer Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung die Annahme eines niedrigen Beweggrunds (gewissermaßen als Auffangtatbestand) zu. Allerdings spricht hiergegen, dass der Gesetzgeber die Verdeckungsabsicht gerade in Bezug auf eine „andere“ Straftat ausdrücklich geregelt hat und daher ein Rückgriff auf das allgemeine Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zumindest fraglich erscheint. Verneint man daher das Vorliegen von Mordmerkmalen mit Blick auf den unmittelbar tödlichen Akt der Halsschnitte, so scheidet ein Mord durch die Zufügung der Halsschnitte aus und es ist diesbezüglich allein ein Totschlag nach § 212 StGB zu bejahen.

      II. In Betracht kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Mordes nach §§ 211, 212 StGB durch die Schläge auf den Kopf, an die sich die späteren, unmittelbar tödlichen Halsschnitte anschlossen.

       1. Tatbestandsmäßigkeit

       a) Objektiver Tatbestand

      aa) Erfolg und Kausalität sind zu bejahen, da die Schläge nicht hinweggedacht werden können, ohne dass A dem bereits bewusstlos am Boden liegenden Opfer schließlich nicht die konkret tödlichen Halsschnitte zugefügt hätte. Insoweit sind die Schläge als Verursachungshandlung für die späteren Halsschnitte zu begreifen.

      bb) Hinsichtlich der objektiven Zurechnung kann man ähnlich wie im Jauchegrubenfall davon ausgehen, dass es die typische mit den Kopfschlägen verbundene Gefahr bildet, dass der Täter – sofern die Ersthandlung nicht bereits zum Tode geführt hat – an dieses vorausgegangene Geschehen anknüpft, um sein Opfer endgültig zu töten.[109]

      cc)

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