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zu Recht. § 16 StGB verlange, dass der Tatbestandsvorsatz „bei Begehung der Tat“ vorliegt, was § 8 StGB dadurch präzisiert, dass er den Zeitpunkt der tatbestandlichen Ausführungshandlung für maßgeblich erklärt. Damit, so der BGH, werde klargestellt, dass der Vorsatz zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Ausführungshandlung gegeben sein muss (sog. Koinzidenz- oder Simultaneitätsprinzip).[78] Ein zeitlich davor wirkender dolus antecedens oder ein – wie hier – erst später wirkender dolus subsequens genüge dagegen nicht. Spätestens als das Fahrzeug bereits unverhinderbar auf das Opfer „zuflog“, wäre dies für die Vorsatzbildung zu spät gewesen, da Vorsatz als Kausalverläufe steuernder Verwirklichungswille zu begreifen ist,[79] der aber nicht vorliegen kann, wenn der Wille erst dann gefasst wird, wenn der Kausalverlauf den Händen des Täters bereits entglitten ist.

      Die nach Zurückverweisung zuständige 32. Kammer des LG Berlin[80] verlegte nunmehr den Zeitpunkt der Vorsatzbildung auf ca. 100m vor der Kreuzung. Dort habe A im Kurvenausgang vor der Kreuzung noch einmal maximal beschleunigt, sodass dies den Zeitpunkt der Entstehung des bedingten Tötungsvorsatzes markiere. Am Ende bleibt hier vieles Spekulation. Ebenso gut könnte man davon ausgehen, dass A durch die nochmalige Erhöhung der Geschwindigkeit in Selbstüberschätzung darauf vertraute, er werde die Kreuzung noch rechtzeitig vor einem auf die Kreuzung einfahrenden Wagen überqueren können.[81]

      bb) Unabhängig von der zeitlichen Komponente hatte der 4. Senat des BGH im vorliegenden Fall in seinem Revisionsurteil aus dem Jahre 2018[82] auch aus grundsätzlichen Erwägungen am Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes gezweifelt. Er wies dabei auf die in ständiger Rechtsprechung vertretene Notwendigkeit einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände hin, und betont einmal mehr, dass die Gefährlichkeit der Tathandlung und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts keine allein ausschlaggebenden Kriterien für die Feststellung des bedingten Vorsatzes sein können.[83] Der 4. Senat betonte diesbezüglich, dass die Annahme einer nicht in Kauf genommenen Eigengefährdung bei gleichzeitig in Kauf genommener Fremdgefährdung unzureichend belegt worden sei.[84] Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach sich Fahrer in Automobilen mit hoher Sicherheitsausstattung regelmäßig sicher fühlten.[85] Bereits darin liege ein Widerspruch, der zur Aufhebung des Urteils zwinge. Dem war zuzustimmen und es sprachen auch noch weitere Gesichtspunkte gegen einen bedingten Tötungsvorsatz:[86] So setzt etwa die Vereinbarung eines konkreten Rennzieles regelmäßig voraus, dass diese Zielerreichung den Fahrern trotz Überquerens zahlreicher Kreuzungen bei Rotlicht möglich erscheint. Darüber hinaus war es auch widersprüchlich, wenn das LG Berlin aus dem Adrenalinrausch, in dem sich die Fahrer nach den tatrichterlichen Feststellungen befanden, zwar folgerte, dass die Fahrer eine mögliche Eigengefährdung ausgeschlossen, eine Fremdgefährdung aber uneingeschränkt für möglich gehalten haben. Und schließlich musste A sogar von höheren Eigengefährdungen ausgehen, da nicht nur ein Pkw, sondern auch ein Lkw hätte kreuzen können.

      Nach der erneuten Verurteilung wegen Mordes durch die 35. Kammer des LG Berlin hat der 4. Senat die Bejahung des Vorsatzes jedoch bestätigt. Die Bewertung der Eigengefährdung durch den Täter könne, so der 4. Senat, abhängig von seinem Vorstellungsbild über mögliche Tathergänge abgestuft sein. So könne ein Täter nach Auffassung des 4. Senats ohne Weiteres bei Fassen des Tatentschlusses einen bestimmten gefahrbegründenden Sachverhalt – bei einem drohenden Unfallgeschehen etwa die Kollision mit einem Fußgänger – hinnehmen, während er auf das Ausbleiben eines anderen, für ihn mit einem höheren Risiko verbundenen Geschehensablaufs – etwa das Ausbleiben eines Zusammenstoßes mit einem Lkw – vertraut. Für die Prüfung, ob ein konkretes Geschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz umfasst war, kommt es daher entscheidend darauf an, ob der Täter einen bestimmten Geschehensablauf als möglich erkannt und die mit diesem Geschehensablauf einhergehende Eigengefahr hingenommen hat. Ist dies der Fall und verwirklicht sich dieses Geschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob der Täter bei Fassen des Tatentschlusses weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sicht mit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden waren, ebenfalls für möglich erachtet hat.

      Die Auffassung des 4. Senats ist wenig verständlich und bedeutet, dass A wegen der hohen Sicherheitsausstattung seines Fahrzeugs angesichts der Kollision mit einem Pkw, zu der es schließlich gekommen ist, nicht von einer hohen Verletzungsgefahr ausging. Obgleich A die Eigengefährdung bei einem Zusammenstoß mit einem Lkw nicht hingenommen hätte, komme es hierauf nicht an, weil allein das Fahrzeug entscheidend sei, mit dem die Kollision tatsächlich erfolgte. Das aber ist nicht plausibel. Denn wenn A die Eigengefährdung bei einem Zusammenstoß mit einem Lkw nicht hat hinnehmen wollen und ein Auftauchen eines solchen für ihn nicht ausgeschlossen war, dann musste er eine Kollision mit einem kreuzenden Fahrzeug in jedem Fall vermeiden, weil es eben auch ein Lkw hätte sein können.[87] Würde man dem BGH folgen, so wäre daraus zu folgern, dass etwa bei einer Kollision mit einem Bus, durch die der Fahrer des Busses das Steuer verreißt und umkippt, sodass Businsassen versterben, kein Tötungsvorsatz vorliegen dürfte, weil A diese Form des Zusammenstoßes wegen der hohen Eigengefährdung nicht in Kauf genommen hat. Das aber überzeugt nicht, sondern es zeigt nur, dass A einen Zusammenstoß in jedem Fall vermeiden musste und wollte, gerade weil er es auch mit einem Bus, Lkw oder Kleinwagen hätte zu tun haben können.[88]

      2. Ergebnis: Nur wenn man dem BGH folgt, ist ein Tötungsvorsatz zu bejahen.

      II. Denkbar wäre dann sogar eine Strafbarkeit wegen Mordes nach § 211 StGB an W.

      1. Möglich erscheint insoweit das Merkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln. Der BGH weist diesbezüglich darauf hin, dass die subjektive Tatseite des Mordmerkmals genauer Prüfung bedürfe, weil nicht auf der Hand liege, dass A im Adrenalinrausch die Möglichkeit der Tötung von Personen durch herumfliegende Trümmerteile in sein Vorstellungsbild aufgenommen hat.[89]

      2. Was das gegebenenfalls zusätzlich in Erwägung zu ziehende Mordmerkmal der Heimtücke anbelangt, so setzt dieses ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zu seiner Tötung voraus. Hierfür genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das LG hatte insoweit unter Ablehnung eines Sponntanentschlusses aus der festgestellten Verkehrssituation geschlossen, dass der Getötete nicht mit einem groben Verkehrsverstoß durch andere Verkehrsteilnehmer rechnete, sich auf das Grünlicht der Ampelanlage verließ, deshalb ohne besondere Vorsicht in die Kreuzung einfuhr und dementsprechend arg- und wehrlos war. Diese aus Sicht des Opfers in keiner Weise zur Vorsicht mahnende Situation erfasste A nach Ansicht des BGH auch und nahm sie – um der Erreichung seines Zieles willen – hin.

      Als subjektives Mordmerkmal kommt schließlich auch das Vorliegen von niedrigen Beweggründen in Betracht. Insoweit ist das LG davon ausgegangen, dass die Billigung der Tötung eines Zufallsopfers in einem krassen Missverhältnis zu ihrem Anlass, der von dem unbedingten Willen zum Sieg getragenen Durchführung eines illegalen Straßenrennens, stehe. Um sein Ziel zu erreichen, habe der Angekl. sich in besonders selbstsüchtiger und rücksichtsloser Weise über das Lebensrecht anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt. Dieses Handeln sei nicht einmal ansatzweise menschlich verständlich, hochverwerflich und rechtfertige die Stigmatisierung als Mord.

      III. A könnte sich darüber hinaus wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 2 und 5 StGB an K strafbar gemacht haben.

      1. Der objektive Tatbestand einer körperlichen Misshandlung (üble unangemessene Behandlung, die zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens geführt hat) und einer Gesundheitsschädigung (hier in Form der Herbeiführung eines pathologischen Zustandes) ist durch die Verursachung der schweren Verletzungen zweifellos gegeben. Auch wurden die Verletzungen durch den Wagen als gefährliches (bewegliches) Werkzeug herbeigeführt und es spricht angesichts der Schwere der Verletzungen auch alles für eine lebensgefährdende Behandlung. Die Frage kann aber offenbleiben, da es jedenfalls am notwendigen Körperverletzungsvorsatz bezüglich K fehlte. Geht man nämlich mit der Feststellung des LG Berlin davon aus, dass sich A angesichts der Ausstattung

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