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Schlampe, die gestern meinen Bruder abgestochen hat!«, grunzte er aufgeregt und deutete mit seiner Waffe auf Therry. Dabei verengte er die kleinen, gelben Augen wütend zu Schlitzen. »Das wirst du bereuen, du elende Menschin.«

      »Bist du schwerhörig?«, blaffte Therry Darius an, ohne den Blick von den Orks abzuwenden. »Ab in den Wald!«

      »Und was wird aus dir?«, fragte er und wich keinen Schritt zurück. Im Gegenteil. Konzentriert machte der angehende Iatas sich bereit, seine Haut zum zweiten Mal in kurzer Zeit gegen eine Übermacht von Gegnern zu verteidigen.

      »Wir schaffen es sowieso nicht alle drei. Einer muss sie aufhalten, nur so können die anderen beiden fliehen«, entgegnete Therry entschlossen und umklammerte die Griffe der Schwerter noch fester, sodass ihre Knöchel weiß hervortraten.

      »Ist das der Mann, der so furchtbar unter euch gewütet hat, Drug?«, fragte einer der Orks an seinen Anführer gewandt als sie nur noch wenige Schritte von den Menschen entfernt, unmittelbar neben dem geöffneten Portal, anhielten. Es war ein besonders hässliches, schildkrötengesichtiges Exemplar, dessen lange, gewölbte Hauer ihm weit aus dem Gesicht hervorstanden.

      »Dann flieh du und ich kämpfe gegen die Orks«, versuchte Darius seine Gefährtin umzustimmen.

      »Red kein Unsinn, Darius. Skal ist verletzt. Er kann nicht schnell genug laufen und ich kann ihn nicht tragen.«

      »Lass dich nicht von seinem Äußeren täuschen!«, knurrte Drug über das Lamentieren der beiden Menschen hinweg zu seinem Nebenmann. Dabei hielt er die Axt hocherhoben, um jederzeit auf alles gefasst zu sein. »Er mag wie ein gewöhnlicher Mensch wirken, aber seine Kräfte haben die unseren in der letzten Nacht bei Weitem überstiegen. Jetzt scheint er mir aber irgendwie ... verändert. Ich kann nicht genau sagen, was ich meine.« Der Ork schien angestrengt nach Worten zu suchen und machte ein dümmliches Gesicht, während er sich mit seiner schwarzen Zunge über die zerfurchten Lippen fuhr. »Irgendwas an ihm ist anders als bei unserem letzten Zusammentreffen. Er wirkt ... schwächer.«

      »Nun, das werden wir gleich sehen«, meinte eine weitere der grüngeschuppten Bestien. Eine fette Kreatur, die es sowohl an Größe als auch an Muskelmasse beinahe mit ihrem Anführer aufnehmen konnte und eine riesige Keule in der Rechten trug.

      Noch immer stand Therry schützend vor Darius, der den leblosen Skal auf seinen Schultern trug. Als der Ork mit seiner Waffe ausholte, machte sich die Iatas-Anwärterin schon bereit, auszuweichen, um dann ihrerseits anzugreifen. Doch so weit kam es nicht. Augenblicklich hielt das Ungeheuer in seinem Angriff inne, als es das Gebrüll seines Befehlshabers vernahm, der sich mit eingezogenem Kopf den Hals hielt. Bereits im nächsten Moment zog Drug sich ein schmales Wurfmesser aus der Wunde. Dunkelgrünes Blut lief daran herab. Wütend wandte der Ork sich nach links, dem Eingang des Tempels entgegen, aus dem erneut Kriegsschreie drangen. Auch seine Kumpane verfielen sogleich in wildes Gegrunze, nicht unähnlich dem von Schweinen.

      »Hier muss irgendwo ein Nest sein«, zischte Darius, der nicht glauben konnte, dass sie es nun mit noch mehr Gegnern zu tun bekommen sollten. In dem Moment, da die Orks abgelenkt waren, nutzte er die Gunst des Augenblicks, packte Therry am Handgelenk, die die zwei Albenschwerter noch immer kampfbereit erhoben hatte, und zog sie eilig in Richtung des Waldes.

      Als sie noch einmal zurückblickte, sah die junge Kriegerin, dass die Übermacht der Orks die albischen Soldaten gänzlich ausgelöscht hatte. Geschlossen stürmten sie nun auf das Portal zu und damit ihrem Anführer zu Hilfe, der trotz seiner Verletzung, die einem Menschen sicher das Leben gekostet hätte, unerbittlich um sich schlug. Das Letzte, was Therry noch sah, bevor sich das undurchdringliche Dickicht der Bäume wie ein Vorhang über das Kampfgeschehen legte, war der hasserfüllte Blick von Drug. Der Anführer der Orks sah ihr direkt in die Augen, während seine Axt tief in den Körper eines Albes fuhr und das schwarze Blut nach allen Seiten spritzen ließ.

      Pahrafin hatte das Geschehen von seinem Zimmer aus beobachtet. Auch wenn ihm noch nicht gänzlich klar war, was Skal getan hatte, so konnte er sich das Wesentliche doch denken. Es frustrierte ihn zutiefst, dass der Mensch – zwar schwer verletzt, aber augenscheinlich noch am Leben – zusammen mit seinen beiden Helfern entkam. Gerade in diesem Moment konnte Pahrafin sehen, wie die drei hinter den ersten Bäumen jenseits der Lichtung verschwanden.

      Hätte er einen Bogen zur Hand gehabt, wäre er ihnen vielleicht noch habhaft geworden. Doch im Moment gab es andere, dringlichere Probleme. Orks. Diese minderwertigen Kreaturen, die noch hassenswerter waren als Menschen, bedrohten seinen heiligen Tempel. Wenngleich er auch felsenfest davon ausging, dass keines dieser widerlichen Wesen in sein Innerstes vorzudringen vermochte, so war es dennoch ein Grund zur Sorge. Seine gesamte Wachmannschaft wurde zuerst von den drei Menschen aufgerieben und nun von den Schuppengesichtern gänzlich vernichtet. Jetzt mussten bereits die persönlichen Leibwächter von ihm und seinem Bruder den Eingang zum Tempel verteidigen.

      Die zahlenmäßig überlegenen Orks hatten jedoch keine Chance, denn ihre Garde war aus einem anderen Holz geschnitzt als diese Unwürdigen, für deren Leichen Pahrafin nur Verachtung übrig hatte. Sie waren ihrer Aufgabe, den Tempel von Loës zu schützen, nicht gerecht geworden und verdienten deshalb den Tod. Unter anderen Umständen wäre es eine Tragödie gewesen, so viele der letzten verbliebenen Alben zu verlieren, aber nicht heute.

      Heute war es endlich gelungen. Loës war zum ersten Mal wieder bei Bewusstsein. Er war zwar noch schwach und es würde einige Zeit dauern, bis der Gott der Alben wieder seine ursprüngliche Kraft zurückerlangt hatte, aber nun war ein Stein ins Rollen gebracht worden, der sich nicht mehr aufhalten ließ.

      Das Zeitalter der Alben hatte begonnen.

      

      

       Das Urteil der Götter

      Da sie nicht wussten, ob und wann die Orks ihre Spur wieder aufnehmen würden, liefen sie den gesamten restlichen Tag hindurch. Die erste Zeit trug Darius seinen Meister wie einen Sack Mehl auf den Schultern. Als der gegen Abend das Bewusstsein zurückerlangte und auch wieder aus eigener Kraft laufen konnte, wechselten die beiden Schüler sich darin ab, ihn zu stützen. Aufgrund seiner gebrochenen Rippen hatte Skal jedoch noch immer Schwierigkeiten, vorwärtszukommen. Da sie sich im Laufschritt bewegten, wurde nicht gesprochen, um sich die Kräfte besser einteilen zu können. Dabei plagten sowohl Darius als auch Therry unzählige Fragen.

      Wohin sie liefen, wussten die drei längst nicht mehr, da sie bei ihrer übereilten Flucht den schmalen Waldweg, auf dem sie zum Tempel gekommen waren, nicht wieder gefunden hatten. Anfangs hatte Therry noch versucht, sich am Stand der Sonne zu orientieren, doch je weiter sie sich von der Lichtung entfernt hatten, desto dichter wurde das Blätterdach und machte eine Bestimmung der Himmelsrichtung unmöglich.

      Erst als die Nacht hereinbrach und es für ein Weitergehen zu gefährlich wurde, da man in der Dunkelheit leicht über eine Wurzel stolpern und sich das Genick brechen konnte, rastete die kleine Gruppe. Die zweite Nacht in Folge mussten sie aus Angst vor Verfolgern auf ein wärmendes Feuer verzichten und erneut war das Einzige, was sie in den Magen bekamen, ein paar Wurzeln und eine Handvoll Beeren, die sie im Laufen geerntet hatten. Skal, der hart im Nehmen war, hatte sich inzwischen wieder weitestgehend erholt. Seine Rippenbrüche zwangen ihn dazu, in aufrechter Position still gegen einen Baum gelehnt zu sitzen. Behutsam richtete er seine gebrochenen Nase mit einem Tuch, dass er in einer nahen Pfütze angefeuchtet hatte.

      »Was ist mit meiner Meisterin?«, platzte es aus schließlich aus Therry heraus.

      »Therry, es tut mir unendlich leid, dir das sagen zu müssen, doch Irys ist tot«, erklärte er betreten, woraufhin sie nur ungläubig den Kopf schüttelte.

      Darius wollte ihr tröstend den Arm um die Schulter legen, doch sie stieß ihn von sich, ohne dabei Skal aus den Augen zu lassen. »Das hast du vorhin schon gesagt, aber ich kann das einfach nicht glauben ... Wie ...?«, sie unterbrach sich und in den Augen der jungen Frau standen Tränen. »Vielleicht ist sie doch noch am Leben. Vielleicht konnte sie fliehen, so wie ...«

      »Nein«, unterbrach Skal sie so

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