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großen Herausforderer der USA geworden. Mit anderen Worten: Die mit harten Bandagen ausgefochtene Konkurrenz zwischen China und den USA hat sich zum entscheidenden globalen Hegemonialkonflikt ausgeweitet. Zunächst noch vor allem auf der Ebene der Handelsbeziehungen und Technologiepolitik. Aber man muss gar nicht übertrieben furchtsam sein, um auch die Möglichkeit militärischer Konfrontationen in Betracht zu ziehen.

      Südafrika schließlich, dem in der Zeit der Präsidentschaft von Nelson Mandela international viel Respekt entgegengebracht wurde, konnte unter seinen Nachfolgern, alles Politiker des African National Congress (ANC), den Erwartungen an das Land als afrikanischer Ordnungsmacht nicht gerecht werden.

      Mindestens zwei Staaten aus der BRICS-Gruppe verfolgen inzwischen sehr erfolgreich eigene Hegemonialinteressen, Russland eher auf der Suche nach dem Status, den einst die UdSSR innehatte, China behutsam-aggressiv mit der Ambition, zur dominierenden Weltführungsmacht zu werden. Die Interessen beider Staaten stimmen keineswegs überein, überschneiden sich aber, weil ihnen beiden dieselbe Hürde im Weg steht – die amerikanisch-europäische Allianz. Wie fest diese Allianz allerdings wirklich ist, steht dahin. Russland und China verfolgen seit längerem auf unterschiedliche Weise das Ziel, sie zu untergraben. Aus ihrer Sicht ist das auch sinnvoll.

       Amerika und Europa

      Das große Problem der transatlantischen Allianz oder des »Westens« (wozu allerdings noch ein paar andere Staaten in anderen Regionen zu zählen sind) besteht darin, dass es sich dabei einerseits um ein normatives Projekt mit letztlich als universell angesehenen, aus der Aufklärung stammenden Werten wie Individualismus, Menschenrechte und Demokratie handelt, dem aber andererseits häufig recht unterschiedliche, ja widersprüchliche realpolitische Interessen der einzelnen Staaten entgegenstehen. Beides zu balancieren, ist nicht einfach. Im Ost-West-Konflikt wurde diese Balance erleichtert, weil es einen gemeinsamen Gegner gab, auf der Werte-Ebene den kollektivistisch ausgerichteten Sozialismus und Kommunismus und auf der realpolitischen Ebene die UdSSR und das »sozialistische Lager«.

      Seither ist jene Notwendigkeit zur Balance immer schwieriger geworden. Mit dem Auftauchen von al-Qaida und anderer inter- oder transnationaler Terrorgruppen gab es zwar wieder einen gemeinsamen Feind. Aber zum einen war er das auch für Russland und China, taugte also nicht unbedingt dazu, den Zusammenhalt der transatlantischen Allianz nachdrücklich zu forcieren. Auch waren und sind diese Terrornetzwerke auf schwer identifizierbare, aber bestimmt nicht simpel zu ignorierende Weise mit manchen staatlichen Akteuren verknüpft, von denen einige, etwa Saudi-Arabien, auf der realpolitischen Ebene zu den westlichen Verbündeten zählen, was in diesem Fall mit gemeinsamen Öl-Interessen zusammenhängt.

      Die enge Verbindung zwischen Amerika und Europa leidet aber auch wegen interner Entwicklungen auf beiden Seiten des Atlantik. Für beide gilt, wenn auch vielleicht nicht in gleich starkem Maße, dass die wertgebundene Seite ihrer Politik zusehends verblasst. Sie ist mehr und mehr in die Sonntagsreden abgerutscht, schmückt auch nach wie vor Resolutionen und Präambeln von Verträgen, kann aber im politischen Alltag kaum mehr bewirken als ein schlechtes Gewissen der Beteiligten. Aber selbst darauf trifft man gegenwärtig immer seltener, weil sich hüben wie drüben eine eigentümliche Re-Nationalisierung durchzusetzen begonnen hat. Innenpolitisch drückt sich das im Auftreten populistischer Politiker aus, die für die Vorstellung von einem schlechten Gewissen wegen der Missachtung eigener gesellschaftlicher Werte nur ein müdes Lächeln übrig haben. In der Wirtschaftspolitik haben sich die amerikanischen und europäischen Prioritäten auseinanderentwickelt, wie man an dem Hin und Her von Strafzöllen und Gegenstrafzöllen aus den letzten Jahren ablesen kann. Sicherheitspolitisch dreht die Europäische Union eine Pirouette nach der anderen, das heißt: sie kommt nicht vom Fleck. Die USA wiederum lassen sich durch ihre Verbündeten in der NATO, seien es nun die europäischen Staaten oder die Türkei, kaum beeinflussen und handeln mehr oder weniger konsequent in unilateraler Perspektive.

      Allem Anschein nach ist diese Auseinanderentwicklung keine bloß vorübergehende Episode in den amerikanisch-europäischen Beziehungen. Den aktiveren Part spielen hier die USA. Die gern und oft vorgenommenen Versuche, einzelnen Politikern die »Schuld« dafür anzulasten, wie wenig sie unserem Bild von einer reifen politischen Persönlichkeit auch entsprechen mögen, halten sich mit reinen Oberflächen-Phänomenen auf. Die entscheidende und schon seit mindestens einem Jahrzehnt zu beobachtende Entwicklung ist, um Thomas Jäger (2019) zu zitieren, das »Ende des amerikanischen Zeitalters«.

      Bei der Gestaltung oder Umgestaltung der Weltordnung spielt gegenwärtig und in absehbarer Zukunft der transatlantische Westen nicht die entscheidende, jedenfalls keine von anderen Akteuren unbestrittene Rolle. Welche Rolle er tatsächlich spielt, ist noch nicht entschieden. Aber die Unentschlossenheit der Europäischen Union und der amerikanische Hang zu einem politischen Gemisch aus Unilateralismus und gleichzeitigem Rückzug aus welt(ordnungs)politischen Aufgaben (wie 2019 aus Syrien) stimmen Befürworter des transatlantischen Projekts eher melancholisch.

      Die weltpolitische Klimaverschlechterung hat vielerlei Ursachen. Eine davon, und nicht die unwichtigste, ist das Fehlen einer dominierenden Ordnungsmacht oder eines einigermaßen stabilen Gleichgewichts zwischen den miteinander konkurrierenden Mächten, die sich selbst als Ordnungsmacht verstehen und von anderen Staaten auch so verstanden werden. Nach dem Wiener Kongress 1815 hat es für etliche Jahrzehnte ein »Konzert der europäischen Mächte« (Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn, Preußen) gegeben. Der Ausdruck »Konzert« besagt dabei, dass es bei aller Konkurrenz der Mächte eben doch ein diplomatisches und völkerrechtliches Regelwerk gab, das überdeutliche Missklänge in der Politik verhinderte. Zwischen 1945 und 1990 galt der Ost-West-Konflikt als Strukturkonflikt der Weltpolitik. Auch hier existierte spätestens seit den frühen 1960er-Jahren eine Konflikt regelnde Kommunikation zwischen den Antagonisten (detente).

      Etwas Ähnliches gibt es gegenwärtig nicht. Stattdessen die sich langsam mit gegenseitiger Aggressivität aufladende Konkurrenz zwischen den USA, die nicht mehr, und China, das noch nicht die mit dem Status einer aktiven Weltordnungsmacht verbundenen Kosten zu übernehmen bereit sind, obwohl beide die ebenfalls mit diesem Status verbundenen Nutzeffekte für sich einheimsen möchten. Vor dem Hintergrund der vielen latenten und manifesten Gewaltkonflikte, der Schwächung vieler Staaten, der weiterhin dynamischen Globalisierung und der Entwicklungssprünge in der Rüstungstechnologie ist das eine ziemlich brisante weltpolitische Konstellation.

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