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Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt. Fritz Krafft
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt
Год выпуска 0
isbn 9783843802208
Автор произведения Fritz Krafft
Серия marixwissen
Издательство Bookwire
Aristoteles hat eine Fülle von Schriften zu fast allen Bereichen damaliger Wissenschaft hinterlassen. Während jedoch die zur Veröffentlichung bestimmten kleineren Werke allgemein philosophischen Inhaltes verlorengingen und nur aus Fragmenten bekannt sind, ist ein großer Teil seiner mehr oder weniger abschließend redigierten Vorlesungsskripte (und -nachschriften) erhalten – genau umgekehrt wie bei Platon. Wenn auch die antiken Aristoteles-Bibliographien sehr viel mehr Schriften nennen, so reichte doch die im ersten vorchristlichen Jahrhundert von dem damals führenden Peripatetiker Andronikos von Rhodos in der auch überlieferten Form zusammengestellte Ausgabe der Hauptwerke aus, eine die stoische Philosophie und Naturwissenschaft zurückdrängende Aristoteles-Renaissance einzuleiten, welche die Naturwissenschaften und, neben dem Neuplatonismus, auch die abendländische und arabische Philosophie der Folgezeit bis tief in die Neuzeit und teilweise bis in die Gegenwart beeinflusste und zeitweilig beherrschte. Da allein die logischen Schriften von Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius ins Lateinische übersetzt und kommentiert wurden, sind insbesondere die naturwissenschaftlichen Schriften außerhalb des griechisch sprechenden Ostreiches (Byzanz) im lateinischen Mittelalter erst wieder seit der Übersetzertätigkeit des 12. Jahrhunderts über die arabisch-lateinische Traditionskette bekannt geworden, in der griechischen Originalfassung meist sogar erst seit der Untergangszeit des Byzantinischen Reiches. Trotz neuplatonischer, averroistischer, thomistischer und allgemein scholastischer Verfremdungen blieben die aristotelischen Lehren, die man seit dem 16. Jahrhundert wieder in ihrer Ursprünglichkeit erfassen wollte, Richtschnur und Leitbild naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Denkens, bis sie Stück für Stück durch andere Ideen ersetzt wurden.
Im Gegensatz zu Platon entnahm Aristoteles seine Prinzipien dem unmittelbaren Erfahrungsbereich, dem für ihn aber neben der sinnlich wahrnehmbaren Welt gleichberechtigt auch der Bereich der Sprache und Logik angehörte. Sinnliche Erfahrung, Sprache, Denkinhalte und Sein bildeten dieselbe Erkenntnisstufe und seien aufeinander abbildbar. Das Sein sei somit auf das sinnlich Erfahrbare und daraus Ableitbare beschränkt; es sei dieses oder sei in ihm. Platons neben der wahrnehmbaren (Schein-)Welt getrennt existierenden, allein seienden ›Ideen‹ werden von ihm deshalb ebenso abgelehnt wie dessen mathematische Struktur des Seins. Mathematik sei allein denkbar und trage als andere Seinsform zur Erkenntnis der Zustände und Vorgänge der Natur und insbesondere der materiellen Natur nichts bei. Sie diene allein der Beschreibung bestimmter nebensächlicher (akzidenteller), nicht das Wesen der Dinge betreffender Phänomene, nicht aber der Begründung und Erfassung der Dinge und Vorgänge selbst, ihres ›Wesens‹, was auch für Platon schon die alleinige Aufgabe einer Wissenschaft ausgemacht hatte. Naturwissenschaft geht deshalb für Aristoteles nicht nur empirisch vor und prüft ihre teilweise auch deduktiv oder in einem anderen Bereich (Sprache) induktiv gewonnenen Ergebnisse an der sinnlichen Erfahrung, sondern ist daneben notwendig rein qualitativ. – Der Gegensatz von ›natürlich‹ und ›künstlich‹, in der Sophistik entstanden, erfährt durch Platon und Aristoteles eine naturphilosophische Begründung. Greift der Mensch danach gewaltsam (›künstlich‹) in den Ablauf der Natur ein, so stört er das natürliche Verhalten der Dinge und betrachtet dann nicht die Natur, sondern ›Kunst‹ – nur innerhalb dieser ›Kunst‹ (= Technik) ist für Aristoteles deshalb so etwas wie ein ›künstliches‹ Experiment angebracht. Auch die mathematischen Wissenschaften galten als solche ›Künste‹ (›Freie Künste‹: Arithmetik, Geometrie, Harmonielehre, Astronomie, von Boethius als Quadrivium zusammengefasst; ›mechanische Künste‹), so dass auch die Betrachtung und Erfassung ›gewaltsamer‹ Bewegungen mathematisch erfolgen konnte: Des Aristoteles ›dynamisches Grundgesetz‹ bringt so Weg, Zeit und ›Kraft‹ bei gewaltsamen Bewegungen, für die ein ständiger äußerer Antrieb nötig sei, in Beziehung; seine Übertragung auf widernatürliche Bewegungen mittels ›mechanischer‹ Geräte, die jeweils aus geradlinigen resultierende Kreisbewegungen bewirken, macht Aristoteles zum Begründer der Mechanik auf dynamischer Grundlage – was Galileo Galilei später neben der Statik des Archimedes wieder aufnahm, nur dass dieser dann solche Bewegungen auch als ›natürliche‹ deutete. Den ständigen Antrieb erklärte Aristoteles bei der Wurfbewegung mit einer sukzessiven Übertragung der bewegenden Kraft auf das Medium (Luft); aus der Kritik hieran entstand bei dem im 6. Jahrhundert in Alexandria wirkenden neuplatonischen Aristoteles-Kommentator Ioannes Philoponos die Impetustheorie, die schon bei Aristoteles selbst in den ›Quaestiones mechanicae‹ anklingt. In dieser Schrift, die ihm später zu unrecht abgesprochen wurde, behandelte er die Wirkweise von einfachen Maschinen mittels eines ›Prinzips der ungleichen konzentrischen Kreise‹, auf die sie alle reduziert werden (Flaschenzug und Schraube sind ihm noch unbekannt).
Aus der Beschränkung auf diese Sehweise und die Beschreibung der Aristoteles als akzidentell geltenden Eigenschaften sollte in der Neuzeit unsere Naturwissenschaft entstehen; die Naturwissenschaft des Aristoteles dagegen betrachtete allein ›natürliche‹ Vorgänge und Zustände, die ›Natur‹ der Dinge: Jede Art von Bewegung oder Veränderung (qualitative, quantitative, örtliche) erfolgt durch den natürlichen oder gewaltsamen Wechsel einer akzidentellen Eigenschaft an einem Bleibenden (›substratum‹, ›subjectum‹) innerhalb eines Gegensatzpaares (schwarz/weiß, warm/ kalt, oben/unten usw.). Ortsbewegung etwa ist so der Wechsel eines Ortes A in den Ort B ohne sonstige Veränderung des Bewegten; auch hier werden nur die Endzustände betrachtet, nicht der Bewegungsvorgang als solcher (Kinematik), was auf den Einfluss der eleatischen Ontologie eines Parmenides zurückzuführen ist. Die neue Eigenschaft muss in dem Gegensatzpaar potentiell bereits angelegt sein, sie wird nur aktualisiert (wirklich). Erfolge eine Veränderung von Natur aus – für ›natürliche‹ Bewegungen sei der Antrieb in dem Ding selbst –, so bestehe sie in der Verwirklichung der naturgemäßen Anlagen, des eigentlichen Zweckes (griechisch ›telos‹), von Aristoteles ›Entelechie‹ genannt. Dagegen gerichtete gewaltsame Veränderungen bedürften deshalb eines ständigen Einwirkens von außen, nach dessen Aufhören das Ding seiner ›Entelechie‹ wieder zustrebe. – Für alle Dinge, Zustände und Vorgänge seien jeweils vier Prinzipien, Ursachen, verantwortlich, die ›causa materialis‹ (Stoff), ›causa formalis‹ (Form, Gestalt, Seele, bestehend aus den wesensgemäßen, essentiellen Eigenschaften), ›causa movens‹ (Antrieb) und ›causa finalis‹ (Zweck, Sinn) – die moderne ›kausale‹ Betrachtungsweise beschränkt sich im Anschluss an Immanuel Kant auf die ›causa movens‹ –, wobei die vorletzte gewaltsam beeinflusst werden könne, ohne das Ding selbst zu verändern. Eine gewaltsame Veränderung einer der anderen ›causae‹ habe jedoch eine Wandlung des Dinges selbst zur Folge, es vergehe und entstehe als ein neues, anderes. So erklären sich die Umwandlung und der Kreislauf der vier irdischen ›Elemente‹ aufgrund des Umschlags einer essentiellen Eigenschaft, warm in kalt, trocken in feucht und umgekehrt: Erde (trocken und kalt), Wasser (feucht und kalt), Luft (feucht und warm), Feuer (trocken und warm), und aus der empirisch gewonnenen Zweizahl der Gegensatzpaare die Vierzahl der ›Elemente‹, wie sie Empedokles vorgegeben hatte. – Das dem Wechsel dieser Elemente zugrundeliegende, für Aristoteles aber nie als solches aktualisierte Bleibende, die für die Aufnahme von wesensbestimmenden Eigenschaften empfängliche ›prima materia‹ (eigenschaftslose Urmaterie), sollte zur naturphilosophischen Voraussetzung der späteren Mutationstheorie der Alchemie werden.
Alle Stoffe sollen aus einer homogenen Mischung dieser vier Elemente bestehen, die kontinuierlich teilbar sei und deren Eigenschaften sich aus dem Mischungsverhältnis ergäben; nur für organische Stoffe gebe es eine untere Teilungsgrenze, unterhalb der die homogene Mischung der kleinsten Teile (›minima naturalia‹) in ihre elementaren Bestandteile zerfalle. (Ansätze