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werlde hulde

      behalten kan mit werdekeit,

      daz ist ein nütziu arbeit.

      (Wes Leben so sich endet,

      Daß er Gott nicht entwendet

      Die Seele durch des Leibes Schuld

      Und er daneben doch die Huld

      Der Welt mit Ehren sich erhält,

      Der hat sein Leben wohl bestellt.

       Wilhelm Hertz)

      Der »wîse man von Eschenbach: laien munt nie baz gesprach«, lobte Wolframs Zeitgenosse Wirnt von Grafenberg in seinem Wigalois; und der Literaturhistoriker Fritz Martini stellt fest: von Parzivals Seelendrama »führt der innere Weg unmittelbar zu Goethes Faust«. Und doch gab es an dem vielgelesenen Epos auch sofort Kritik: GOTTFRIED VON STRASSBURG (um 1200) tadelte Wolfram als »vindaere wilder maere«, dessen dunkler Stil ohne Dolmetscher unverständlich sei; dagegen lobe er sich die »cristallinen wortelin« Hartmanns. Mit seinem Tristan (um 1210) führte Gottfried selbst die mittelhochdeutsche Epik durch eine betörend musikalische Sprache auf ihren formalen Höhepunkt.

      Tristan wirbt für seinen Oheim König Marke um die Hand Isoldes und genießt durch ein Versehen den Liebestrank mit Isolde, den diese mit König Marke teilen sollte. In grenzenloser Liebe zueinander überschreiten Tristan und Isolde darauf alle gesellschaftlichen Gebote der Ehre und Treue und bezahlen ihr Glück mit ständiger Bedrohung, mit Verfolgung, Verbannung und Tod.

      Im Prolog sagt Gottfried, es sei Aufgabe der Dichtung, des Guten in der Welt zu gedenken. In diesem Sinne wendet er sich mit seiner »senemaere«, dem Sehnsuchtsgedicht, an die Gemeinde der »edelen herzen«, die vom Andenken an die großen Liebenden zehren:

      […] ein man ein wip, ein wip ein man,

      Tristan Isolt, Isolt Tristan.

      […]

      Ir leben, ir tot sint unser brot.

      sus [so] lebet ir leben, sus lebet ir tot.

      sus lebent si noch und sint doch tot.

      und ist ir tot der lebenden brot.

      Die höfischen Versepen gaben mit ihrer idealisierten, märchenhaften Artuswelt Vorbilder für verfeinerte Lebensart durch Mäßigung (Erec, Iwein), Demut (Parzival) und Minne (Tristan). Das Nibelungenlied knüpft als Heldenepos an die vorchristliche Tradition des germanischen Heldenliedes an (vgl. Hildebrandslied, Kap. 1a) und unterscheidet sich daher wesentlich von der auf Läuterung bedachten Artusepik.

      Zwar werden auch hier Ehre, Kampfesmut und Gefolgschaftstreue gepriesen, jedoch in heroisch-tragischer Unbedingtheit. Bis auf Rüdiger und Dietrich handeln die Helden des Nibelungenliedes nicht in Befolgung göttlicher Gebote und ohne Rücksicht auf ihre künftige Seligkeit.Sie stehen vielmehr als autonome sittliche Persönlichkeiten, von keinem dualistischen Zweifel gebrochen, einem Schicksal gegenüber, das sie unerbittlich in jene Ausweglosigkeit führt, in der sich der tragische Held behaupten muss: Ohne Klage oder Reue gehen sie voll maßloser Leidenschaft ihren Weg und triumphieren im rauschhaften Untergang. Erschüttert von der dämonischen Erhabenheit, verzichtet die Dichtung auf jedes moralisierende Urteil.

      Die Verfasser der Legenden und der Artusepen nannten für gewöhnlich ihre Namen; die Dichter der Heldenlieder traten dagegen hinter ihrem Werk zurück. So wissen wir nicht, wer das Nibelungenlied geschrieben hat. Wahrscheinlich entstand es um 1200 am Hofe des Passauer Bischofs Wolfger.

      Der Stoff, der hier in 39 Aventiuren vereinigt wurde, stammt aus sehr verschiedenen älteren Quellen. Der erste Teil streift als Vorgeschichte die Jung-Siegfried-Sagen22 (Hagen unterrichtet, wie der Drachentöter in den Besitz des Nibelungenhortes kam). Die Werbungsfahrt nach Island stützt sich auf alte Brünhildsagen, der Frauenstreit und Siegfrieds Tod auf eine jüngere, teilhistorische Sage der Merowinger. Kriemhilds Rache und vor allem der Untergang der Burgunder im zweiten Teil haben mit Etzel23 und Dietrich24 deutliche historische Wurzeln im 5. und 6. Jahrhundert.

      Der unbekannte Dichter, der die heroische Handlung behutsam seiner Zeit anpasste, erzählt mit spürbarer Lebensnähe und voll innerer Beteiligung »in Kürenberges wise«; das heißt, er entwickelte aus der lyrischen Strophe25 des Kürenbergers die Nibelungenstrophe26, die zur Hauptversart des deutschen Heldenepos wurde. Das Nibelungenlied beginnt:

      Uns ist in alten maeren wunders vil geseit

      von helden lobebaeren, von grôzer arebeit,

      von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,

      (In alten Geschichten wird uns viel Erstaunliches berichtet: von ruhmwürdigen Helden, von großen Taten, von Freuden und Festen, von Weinen und Klagen, vom Kampf kühner Krieger sollt ihr jetzt Unerhörtes vernehmen.)

      Ein Grundzug dieser Dichtung ist es, zu zeigen, »wie liebe mit leide ze jungest lônen kan« (»wie die Freude zuletzt im Leid endet«). Dementsprechend endet das Gedicht:

      Ine kan iu niht bescheiden, waz sider dâ geschach:

      wan ritter unde vrouwen weinen man dâ sach,

      dar zuo die edeln knehte, ir lieben friunde tôt.

      hie hât daz maere ein ende: daz ist der Nibelunge nôt.

      (Ich kann euch nicht berichten, was danach geschah: nur, dass man Ritter, Damen und Knappen den Tod ihrer Lieben beweinen sah. Damit endet die Geschichte vom Kampf der Nibelungen.)

      34 Handschriften zeugen von der Beliebtheit dieser Dichtung, die oft nachgestaltet wurde, ohne uns je wieder so zu ergreifen wie in dieser frühen Form. Das Nibelungenlied ist nach Goethes Urteil »klassisch wie der Homer«.

      Die höfische Literatur blühte in dem kurzen Zeitraum zwischen 1180 und 1220. Mit dem Niedergang des staufischen Kaisertums und der allmählichen Verlagerung der literarischen Zentren von den Fürstenhöfen in die Städte setzte die Verbürgerlichung der Literatur ein. Statt ein eigenes künstlerisches Programm zu entwerfen, ahmten bürgerliche Epigonen28 die Standesdichtung der Ritter nach. Die beliebten Stoffe wurden teils pseudohistorisch aufgeschwellt, teils zu vordergründigen Schwänken verkürzt oder auch moralisch lehrhaft ausgedeutet. Immer aber waren die Umwandlungen von so empfindlichem Formverlust begleitet, dass nur wenige denkwürdige Zeugnisse entstanden. Den Ursprung dieser Entwicklung findet man bereits bei Neidhart von Reuental und Wernher dem Gärtner.

      NEIDHART VON REUENTAL (um 1180 – um 1240) dichtete schwungvolle Tanzlieder, die man nach Sommer- und Winterliedern unterscheidet. In diesen Liedern belustigt Neidhart die Hofgesellschaft, indem er ihr den dörper (›Bauer‹) im höfischen Gewand vorführt und zunächst mit den Stilbrüchen der Travestie29 spielt. Unversehens stellte sich aber die belachte Unstimmigkeit zwischen dem ideellen höfischen Anspruch und der groben Wirklichkeit als tatsächlich angemessenes Bild der Zeit heraus. Der Verfall des Ritterstandes und der Aufstieg des Bürgertums waren durch Spott nicht aufzuhalten. Umsonst wurden Neidharts Lieder immer beißender.

      Nach bilderreichem Sommerlob oder knapperer Winterklage schildert Neidhart, untermischt mit Formeln des Minnesangs, wie sich die tanzsüchtige Dorfjugend unter der Linde oder winters in der ausgeräumten Stube lärmend vergnügt. Die höfisch aufgeputzten Bauerngecken verwickeln sich dabei nicht selten in Streit und Prügelei. Als Neidhart einsehen muss, dass sich der Ritter Reuental in diesem derben Milieu nicht behaupten kann, schmäht er Frau werltsüeze und zieht sich schmollend zurück.

      WERNHER DER GARTENAERE

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