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dass Freiheit für jedermann erreichbar war.

      Die Situationisten bezeichneten sich selbst als Revolutionäre, die sich nur für die Freiheit interessierten, und Freiheit könne das Recht beinhalten, alles zu tun, mit Konsequenzen, die sich von Mord, Diebstahl, Plünderung, Rowdytum oder Müll auf die Straße werfen nicht unterschieden; mangels Alternativen waren die Situationisten als Vorläufer der Revolution fast immer bereit, sich solcher Dinge zu bedienen. Doch Freiheit könne auch die Chance bedeuten, zu entdecken, was man wirklich wolle, zu entdecken, wie Edmund Wilson 1922 in Paris schrieb, »für welches Stück unsere Welt die Bühne ist«. Auch das meinten die Situationisten mit Freizeit … und es war die Lust, es nicht bloß zu entdecken, sondern dieses Stück zu verfassen, die einen fünfundzwanzigjährigen Pariser namens Guy-Ernest Debord bewog, 1957 Künstler und Schriftsteller aus Frankreich, Algerien, Italien, Dänemark, Belgien, England, Schottland, Holland und Westdeutschland in der Situationistischen Internationale zu versammeln. 1975, als die nicht mehr existierende S.I. für ein paar frühere Kunststudenten und radikale Studenten nur noch als Legende existierte, war McLaren immer noch auf der Suche nach diesem Stück. Wie sah die Politik der Langeweile aus?

       DEBORD

      schrieb für die erste Nummer der internationale situationniste seine »Thesen über die kulturelle Revolution«: »Diejenigen werden siegen«, erklärte er, »die es verstehen, Unordnung zu schaffen, ohne sie zu lieben.« Sowenig auch Unordnung 1975 zum Rock ’n’ Roll gehörte, McLaren erkannte, dass die Jugend sich nur für diese Kulturform interessierte; 1975 war er dreißig und hing einer aus den Sixties stammenden Definition von Jugend an: Jugend war eine Frage der Einstellung, nicht des Alters. Für die Jugend entsprang alles dem Rock ’n’ Roll (Mode, Slang, sexuelle Gewohnheiten, Drogengewohnheiten, Posen), wurde vom Rock ’n’ Roll ins Leben gerufen oder erhielt von ihm die Bestätigung. Jugendliche, die als rechtliche Phantome nichts besaßen, aber als Menschen alles wollten, spürten am deutlichsten den Widerspruch zwischen dem, was das Leben versprach, und was es einhielt: Jugendrevolte war ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Revolte, daher bot sich der Rock ’n’ Roll als erstes Ziel der gesellschaftlichen Revolte an. Man konnte Verbindungen herstellen. Falls sich zeigen ließ, dass Rockmusik, Mitte der Siebziger als herrschende Ausnahme des öden gesellschaftlichen Lebens ideologisch konzessioniert, lediglich das glänzendste Rädchen im herrschenden Getriebe war, könnte eine Entmystifizierung des Rock ’n’ Roll zur Entmystifizierung des gesellschaftlichen Lebens führen.#

      Die Situation dergestalt darzustellen erforderte Phantasie, ja sogar Genie … wessen, tut nichts zur Sache. Früher war Rock ’n’ Roll als Variante der Revolte von seinen Anhängern immer als Waffe oder, noch radikaler, als Mittel gesehen worden, das sich selbst heiligt, eine flüchtige Version jenes Lebens, das jeder in der besten aller möglichen Welten leben würde. Pete Townshend sagte 1968:

      Mutter ist soeben die Treppe runtergefallen, Dad hat sein ganzes Geld beim Hunderennen verloren, das Baby hat Tbc. Der Knabe mit dem Transistorradio kommt rein, vergnügt Chuck Berry hörend. Dass Mom die Treppe runterfällt, ist ihm scheißegal … Prima Sache, dass du ein Gerät hast, ein Radio, das Rock-Songs ausspuckt und dich gut gelaunt durch den Tag bringt. Darum geht’s natürlich: Wenn du dir einen Rock-Song reinziehst, so wie du dir »Jumpin’ Jack Flash« oder was Ähnliches reinziehst, weißt du, so solltest du eigentlich dein ganzes Leben verbringen.

      Das hörte McLaren, als 1958 ein Freund aufstand und »Great Balls of Fire« sang … schon das war damals eine Negation gesellschaftlicher Fakten. Doch als Rock ’n’ Roll nur einer von vielen gesellschaftlichen Fakten geworden war, wirkte sich dies gegen ihn selbst aus, auch was den nächsten guten Song betraf. 1975 hoben Townshends Candideismen Rock ’n’ Roll von den gesellschaftlichen Realitäten ab, die der Musik ihre Brisanz lieferten. 1958, auch noch 1968, konnte ein einfaches Rock-Konzert Fragen nach Identität, Gerechtigkeit, Unterdrückung, Wunsch und Verlangen aufwerfen; Mitte der Siebziger sog es solche Fragen in sich auf und ließ sie verschwinden.

      Wer wollte behaupten, »Fire and Rain«, »Stairway to Heaven«, »Behind Blue Eyes« und »Maggie May« wären nicht im Namen der Freiheit geschrieben und zur Unterdrückung benutzt worden? Nur wer nicht glauben wollte, dass die Affirmation, bei der man die Freiheit beim Schopf ergreift, auf einer Negation wurzelt, in der man einen Blick auf die Freiheit erhascht … aber zu diesen Leuten gehörten McLaren und die Sex Pistols nicht. Daher verdammten sie Rock ’n’ Roll als faulenden Leichnam, als Ungeheuer der begüterten Reaktion, als einen Mechanismus für falsches Bewusstsein, als System der Selbstausbeutung, als Theater talmihafter Unterdrückung, als langweilig. Rock ’n’ Roll, verkündete Johnny Rotten, sei nur das erste von vielen Dingen, die die Sex Pistols vernichten würden. Doch weil die Sex Pistols keine anderen Waffen hatten, weil sie nicht anders konnten, als Fans zu sein, spielten sie Rock ’n’ Roll, reduzierten ihn wie niemand vor ihnen auf die Grundelemente Geschwindigkeit, Lärm, Zorn und irrwitzige Ausgelassenheit.

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      Anonymes, situationistisch beeinflusstes Flugblatt, London, frühe achtziger Jahre

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      Sie benutzten den Rock ’n’ Roll als Waffe gegen sich selbst. Da alle Instrumente außer Gitarre, Bass, Schlagzeug und Stimme als läppische, elitäre Ausstattung eines perfektionistischen Techno-Kultes verworfen wurden, eignete sich diese Musik am besten für Wut und Frustration, sie konzentrierte sich auf das Chaos, dramatisierte die letzten Tage als Alltag, presste alle Emotionen in die schmale Lücke zwischen einem leeren Blick und einem sardonischen Grinsen. Der Gitarrist sorgte für ein Sperrfeuer, um dem Sänger Deckung zu geben, die Rhythmusgruppe setzte beide unter Druck, und als Reaktion auf die plötzlich empfundene totalitäre Kälte der modernen Welt wirkte die Musik wie eine Version dieser Kälte. Außerdem war sie etwas Neues unter der Sonne: ein neuer Sound.

       ES IST DER ÄLTESTE

      Hype im Buch – und auf dieser Seite ist kein Platz für Fußnoten. Nach dreißig Jahren Rock ’n’ Roll gibt es jede Menge Fußnoten: Platten, Sammlerstücke, die einem Hörer erlauben, in der Zeit rückwärts zu reisen, ein Aufnahmestudio zu betreten, das es nicht mehr gibt, und den neuen Sound zu hören, wie er gerade entdeckt, verpatzt oder gar verworfen wurde. Es ist ein aufschlussreiches Erlebnis.

      Als der Bluesman Sonny Boy Williamson und sein weißer Produzent 1957 in Chicago versuchten, den Song »Little Village« aufzunehmen, stritten sie darüber, was genau ein kleines Dorf ausmacht; der Streit endet damit, dass Williamson brüllt: »Little village, Motherfucker! Nenn’s doch nach deiner Mami, wenn du willst!« Diese Fußnote erklärt, warum Williamson einen Großteil des Songs mit der Erörterung zubringt, was ein Dorf von einem Weiler, einer Kleinstadt oder einer Stadt unterscheidet; es erklärt außerdem einiges davon, wie sich die Beziehung zwischen Herr und Sklave entwickelte. 1954 in Memphis bestand die Reaktion des Gitarristen Scotty Moore auf eine langsame, sinnliche, frühe Aufnahme von »Blue Moon of Kentucky« darin, den neunzehnjährigen Elvis Presley einen »Nigger« zu nennen; drei Jahre später geraten Jerry Lee Lewis und Sam Phillips am selben Ort in einen wüsten Streit über die Frage, ob Rock ’n’ Roll eine Musik der Erlösung oder der Verdammnis sei. Diese Momente erklären einen Großteil der amerikanischen Kultur.

      1959 stimmt in New Orleans der später als Paradebeispiel für den weißen Schönling, der authentische schwarze Rocksänger ins Abseits drängte, verschriene Jimmy Clanton seinen verabscheuungswürdigsten Hit an, »Go, Jimmy, Go«. Er hält inne. »Bob bop bop ba da da«, trällert er in Richtung Aufnahmepult. »Singe ich schon mickymausmäßig genug?« »Noch ein bisschen mehr!« lautet die Antwort. »Geez, ich bin doch nicht Frankie Avalon«, erwidert Clanton, kurz bevor er sich in Frankie Avalon verwandelt. Das zeigt, dass Clanton das Herz auf dem richtigen Fleck hatte.

      In Chicago will sich Chuck Berry gerade erneut an »Johnny B. Goode« versuchen. »Dritter Versuch!« ruft der Produzent. »Diesmal muss es klappen!« Berry und seine Band legen sich ins Zeug,

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