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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

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      © 2022 novum publishing

      ISBN Printausgabe: 978-3-99107-539-4

      ISBN e-book: 978-3-99107-540-0

      Lektorat: Melanie Dutzler

      Umschlagfoto: Ded Mityay, Mulderphoto, Bob Suir, Vaclav Mach | Dreamstime.com

      Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

       www.novumverlag.com

      Zitate

      Wenn du einen Stein ins Wasser wirfst,

      so eilt er auf dem schnellsten Wege

      zum Grunde des Wassers.

      So ist es, wenn man ein Ziel, einen

      Vorsatz hat. Man tut nichts, man wartet,

      man denkt, man fastet, aber man geht durch

      die Dinge der Welt, ohne sich zu rühren;

      man wird gezogen, man lässt sich fallen.

      Das Ziel zieht dich an sich, denn du lässt

      nichts in deine Seele ein, was dem Ziel

      widerstreben könnte.

      Siddharta

      Hermann Hesse

      Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:

      – erstens durch Nachdenken, das ist der edelste

      – zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste

      – und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.

      Konfuzius

      Prolog

      Flucht

      23. Mai 1944

      kurz vor Mitternacht

      Wie er sich aus dem muffigen und von Bohnerwachs geschwängerten Verwaltungsgebäude befreien konnte, war ihm schleierhaft. Plötzlich sog er frische Luft ein. Er stolperte durch ein offenes Fenster ins Freie. Zuvor war er eine enge, rostige Eisenstiege hinaufgeklettert. Aber wie konnte …?

      Jetzt zählte nur … er konnte dieser Hölle entkommen.

      Draußen war es nicht kalt. Tiefe Dunkelheit packte ihn es war später Abend oder bereits tiefe Nacht. Er fror nicht. Im Gegenteil. Er schwitzte. Es fühlte sich lebendig an, wie sich der Schweiß auf der verdreckten und zerschundenen Haut ausbreitete und sofort trocknete. Sein Kopf flog in alle Richtungen, verfolgt von höllischem Pochen in den Schläfen. In großem Aufruhr schoss sein Blut durch die Adern. Das war der Hunger, den er schon zu lange totgeschlagen hatte.

      Es war geschafft. Er war frei.

      Plötzlich erfasste ihn ein Orangelicht. Es zerrte reflexartig an seinen Blick, hinauf zum Dach der schlauchigen Baracke ihm gegenüber. Dahinter musste die Lichtquelle sein. Ohne zu überlegen rannte er los, taumelte, aber rannte, erreichte linkerhand die Ecke der Baracke, verschwand in einer schmalen Gasse. Eine Straße war es nicht, auch kein Weg, eher ein zugiger Durchgang, der sich entlang einer schlauchigen, hohen Halle zog.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte er die riesigen Schiebetore, denen er jedoch keine Beachtung schenkte, auch nicht dem dritten Schiebetor, das zur Hälfte offen stand.

      Wie ein Lemming rannte er dem Orangelicht entgegen, stolperte auf einen großen Platz hinaus, der ebenfalls nicht direkt von dem Orangelicht erfasst wurde, obwohl er bereits einen langen Schatten auf die groben Betonplatten warf.

      „Hee! Halt! Stehen bleiben!“, hörte er eine bellende Stimme hinter sich. „Sofort stehen bleiben!“ Die Stimme riss eine breite Schneise in die zugige Gasse.

      Natürlich blieb er nicht stehen. Er rannte weiter, stolperte auf das Orangelicht zu.

      Noch mehr Schweiß schoss aus seinen Poren, kühlte seinen Kopf, da ihn jetzt heftige Windböen trafen. Die verdreckte Sträflingskleidung flatterte an ihm wie eine schwere, nasse Fahne im Sturm.

      „Halt! Sag’ ich!“

      Plötzlich krachten Schüsse. Er konnte aus dem Schussfeld seines Verfolgers springen, hatte das Ende der Halle erreicht. Auch jetzt drehte er sich nicht um. Er rannte, stolperte, taumelte, keuchte und hustete, spukte zähen Speichel.

      Seine Lungen brannten wie Feuer, sein Schädel drohte zu zerplatzen, doch das alles war nichts gegen die Chance, wirklich bald in Freiheit zu sein. Es konnten nur noch ein, zwei Ecken bedeuten, bis er die Lichtquelle erreichte, und die würde ihm den Weg in die Freiheit weisen. Er musste nur die Mauer erreichen, wo er auf einen hohen Erdwall hinaufsteigen konnte.

      Diesen Fluchtweg hatte er ausgemacht, als sie dort die langen Gruben ausheben mussten. Von den Gruben aus betrachtet … ist es ein Leichtes, von dem Erdwall, der ein Bunker zu sein scheint, auf die Mauer zu springen, sich hinaufzuhangeln, über die Stacheldrahtbespannung zu klettern und dann zu springen … hinüber … egal, wohin … aber rüber in die Freiheit. Nur dieser Gedanke trieb ihn an, während er rannte, stolperte, stöhnte und schrie, sich selbst anfeuerte. Um Gottes Willen auf den Beinen bleiben, bis ich diesen verdammten Erdwall erreiche. Von da an war es nur noch ein Katzensprung.

      Mit jedem seiner staksigen Schritte ruderten seine Arme. Tatsächlich kam er schneller vorwärts, als es aussah. Unaufhörlich hustete er, doch es war, als hustete er sich frei. Allmählich pochte auch das Blut nicht mehr so schmerzhaft durch seine Adern, was die Stiche im Kopf mit jedem Schritt abklingen ließ. Immer ausladender ruderten seine Arme. Das schien ihn sicher auf den Beinen zu halten und er erreichte dadurch einen konstanten Laufrhythmus.

      Das Schreien hinter ihm hörte nicht auf. Schallend verfolgte es ihn über den Platz und wie ein Adler im Angriffsflug wollte es ihn attackieren und doch … jetzt hörte es sich schon gedämpfter an.

      Die Schüsse hatten aufgehört.

      Das wird sich wieder ändern, spätestens, wenn der Verfolger die Ecke erreicht hatte. Dann aber konnte er bereits den engen Durchgang erreicht haben, der zum hinteren Teil des Geländes führte. Von da war es nicht mehr weit bis zu dem Erdwall. Auch jetzt drehte er sich nicht um, nicht einmal als er den Durchgang erreichte und hineinschlüpfte. Wäre sein Verfolger ein besserer Läufer gewesen, hätte er nicht die geringste Chance gehabt, doch der Verfolger zeigte eine deutliche Behinderung. Er humpelte, zog das rechte Bein nach. Deshalb schrie er dem Flüchtenden unentwegt hinterher… und an der Ecke würde er sofort wieder schießen!

      Die Schüsse blieben aus, was er nebulös registrierte. Gerade hatte er den Erdwall erblickt. In Sekundenbruchteilen hatte er einen starren Tunnelblick. Wie ein erschöpfter Marathonläufer, keuchend, im Rhythmus seiner Schritte, den Blick auf das Ziel fixiert, stürmte er voran. Das Orangelicht strahlte jetzt seitlich von links über die Dächer der Hallen hinweg.

      Rechterhand passierte er ein zwei dunkle Holzbaracken.

      Dahinter befand sich der Erdwall.

      Noch wenige Meter, hundert vielleicht, dann war der Weg in die Freiheit erreicht. Hatte er erst einmal die Mauer bezwungen, konnte er auf der anderen Seite im Dickicht des Moors abtauchen.

      In der Dunkelheit würde ihn niemand finden.

      Zwei weitere Verfolger hatten seine Fährte aufgenommen. Sie folgten den todbringenden Kommandos: „Fass’“ und „Gib’ Laut.“

      Die

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