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      22. September

      Nach der Arbeit, die ich wieder irgendwie schaffte, aber nur langsam und mit halber Kraft, fuhr ich zu meiner langjährigen Freundin Anna. Wir redeten und redeten über unsere Beziehungen, und es tat gut, gute Freundinnen zu haben. Wenn ich nicht geredet hätte, wäre ich erstickt. Anna hatte zurzeit auch Stress mit ihrem Freund. Sie kann sehr gut analysieren, ist sehr diplomatisch und beleuchtet die Dinge von allen Seiten.

      23. September

      Mit Anna besuchte ich unsere gemeinsame Freundin Katja. Wir kochten und sprachen über die Trennung von Metin und mir. Auch Katja ging es zurzeit nicht gut, sie erwog ebenfalls eine Trennung von ihrem Freund. Wir sprachen ganz sachlich und rational über uns und unsere Beziehungen, was sehr gut tat. Nach diesen Gesprächen hatte ich das Gefühl, ich könne den Abend, die Nacht und den morgigen Tag besser überstehen.

      26. September

      Ich suchte wieder das Gespräch mit Metin. Er wurde wütend und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Ich sprach nicht von Schuld, aber er sagte unter anderem: „Du denkst, ich bin schuld? Ich komme aus einem kleinen Dorf. Als ich neu war in Deutschland, kam ich in eine andere Welt. Wenn ich gewusst hätte, wie das wird, wäre ich nicht gekommen. In der Türkei macht man, was der Mann sagt. Ich habe kein Kind. Du wolltest nicht, dass es muslimisch wird. Du wolltest nicht im weißen Kleid in der Türkei heiraten. Du wolltest nicht, dass ich einen türkischen Imbiss eröffne, du wolltest nicht, dass ich weiterhin nachts Dönerfleisch ausfahre. Vielleicht gehe ich in eine andere Stadt. Ich denke, ich komme allein klar. Du wirst sehen, das ist gut für uns. Vielleicht kommst du mich in der Türkei besuchen. Du hast nur mich gewollt. Du wolltest sonst nichts von der Türkei. Du hast gedacht, du nimmst dir etwas heraus und machst es so, wie du willst.“ Er nannte dann zwei Beispiele von türkisch-deutschen Ehen mit Kindern, in denen der Mann auch nicht arbeitet. „Du wolltest ein Haus kaufen? Erst einmal muss man eine Familie gründen. Genau wie dein Bruder und deine Schwester.“

      Ich versuchte wieder, alle seine Vorwürfe zu widerlegen und erklärte, dass ich es damals, als ich hörte, dass einige türkische Imbissbesitzer von einer Bande erschossen wurden, für keine gute Idee hielt, einen Imbiss zu eröffnen und dass die Arbeit als Fahrer für einen Dönerlieferanten, der ausschließlich abends und nachts ausliefert, einer Ehe nicht dienlich ist, wenn man sich nur am Samstag und Sonntagvormittag sieht. Aber es half nichts, er wurde wütender und wütender. Ich weinte und weinte.

      27. September

      Nachdem mich Metin jedes Mal, wenn wir uns sahen, fragte, ob ich den Scheidungsanwalt schon wegen eines Termins angerufen hätte, tat ich es heute. Es standen zwei Termine zur Auswahl, wobei ich den zweiten bevorzugt hätte, Metin bestand aber auf dem schnellstmöglichen. Die Bestimmtheit seines Entschlusses tat mir unglaublich weh.

      2. Oktober

      Ich verbrachte die letzten vier Tage im Haus meines Bruders bei München, um auf seine beiden Kinder aufzupassen. Er selbst machte mit meiner Schwägerin einen Kurzurlaub. Der Ortswechsel tat mir gut, ich machte ausgedehnte Radtouren oder ging bummeln und kümmerte mich nachmittags und abends um die Kinder, und in den Nächten konnte ich sogar gut schlafen. Ich hatte am Abend meines Eintreffens nur mit meiner Schwägerin gesprochen. Sie war total schockiert und nahm mich gleich in den Arm. Am nächsten Morgen schickte sie mir eine liebe SMS. Abends rief ich Metin an und bat ihn um einen Neuanfang, der sich aber weiterhin unversöhnlich zeigte. Ich hatte Angst vor dem, was auf mich zukommen würde und wollte gar nicht mehr heimfahren.

      4. Oktober

      Wir saßen nachmittags gemeinsam beim Anwalt und reichten die Scheidung ein. Das Gespräch dauerte zirka eine Stunde. Ich sprach langsam und wählte die Worte bedächtig. Zuvor erklärte ich ihm, dass nur mein Mann die Scheidung wollte und ich zustimmte, weil ich ihn gehen lassen musste. Mein Name wurde an erster Stelle genannt, womit ich nicht einverstanden war. Der Anwalt erklärte, dass es sich nur um eine Formalie handelte. Ich musste mich die ganze Zeit beherrschen, um nicht zu weinen. Es sollte auf dem Papier eine einvernehmliche Scheidung sein, und dank unseres langjährigen Ehevertrages und Kinderlosigkeit sollte alles schnell über die Bühne gehen. Der Anwalt fragte: „Welches Trennungsdatum soll ich eintragen?“ Wir bestimmten ein Datum, das dreizehn Monate zurück lag. Wieder auf der Straße, weinte ich hemmungslos. Metin und ich sprachen nicht mehr viel, als wir noch einen Häuserblock zusammen gingen. Dann fuhr er mit der U-Bahn zu seinem Freund, ich fuhr nach Hause. Ich war wie paralysiert und konnte nicht fassen, was wir gerade gemacht hatten. Es war absurd, vor einem Scheidungsanwalt zu sitzen, wenn man es selbst gar nicht wollte.

      9. Oktober

      Metin war in den letzten vier Tagen in der Türkei bei seiner Familie gewesen, um an dem Grundstücksverkauf teilzunehmen. Ich hatte ihn zum Flughafen gebracht, und beim Abschied hatten wir uns nur die Hand gegeben, ich hatte ihm viel Glück gewünscht und bestellte seiner Familie viele liebe Grüße. Wir waren schon auf dem Weg, Fremde zu werden. Er wollte seiner Mutter noch nichts von unserer Trennung erzählen, genauso wie ich es gegenüber meiner Familie und den meisten unserer Freunde noch nicht tat. Es war wie nach dem Motto „Was man nicht sagt, ist auch nicht passiert“. Wir gingen in den letzten Tagen höflich miteinander um. Ich schlich durch die Wohnung und wollte ihn nicht verärgern. Ich war durch den Aufenthalt bei meinem Bruder etwas zur Ruhe gekommen und konnte wieder durchatmen. Dennoch hämmerte der Gedanke unserer Trennung in jeder Sekunde in meinem Kopf.

      10. Oktober

      Ich fragte Metin, ob er mit mir im Restaurant essen wolle. Er war einverstanden. Ich hoffte, an einem neutralen Ort, an dem wir nicht streiten konnten, noch einmal freundlich über alles reden zu können. Dies gelang uns auch. Er sagte, ich wäre hundertprozentig schuld an der Trennung. Er hätte sich ein Kind gewünscht. Er würde jetzt unter der Trennung mehr leiden als ich. Ich bezweifelte das. Ich erklärte ihm, wie schlimm diese Trennung, die ich nicht wollte, für mich sei, geschweige denn eine Scheidung. Wir sprachen auch wieder über unser Sexualleben, das in den letzten Jahren nicht gut war, und wir gaben uns gegenseitig die Schuld daran. Wir hatten es in allen Bereichen vernachlässigt, und es verlief immer gleich. Wir hatten des Öfteren unsere Wünsche verbal geäußert, jedoch hatten wir uns gegenseitig keine Mühe mehr gegeben, sie zu befriedigen. Er warf mir vor, seit langer Zeit nicht mehr von mir aus zu ihm gekommen zu sein und dass ich sonntags lieber allein oder mit einer Freundin eine Radtour gemacht hätte, als mich um ihn zu kümmern. Besonders diesen Vorwurf fand ich ungerecht, denn er verließ mich am Wochenende oft schon nach dem Frühstück, um sich mit seinen Freunden zu treffen.

      Er wollte eventuell jetzt schon in seine Heimat zurückgehen, da er sich sowohl Sorgen um meine Schwiegermutter machte, die eine Operation vor sich hatte, als auch um seinen Bruder. Die beiden machten ihm ständig Sorgen. Metin telefonierte ein- bis dreimal in der Woche mit seiner Mutter, und nie hatte ich ihn hinterher gut gelaunt erlebt. Seine Mutter erzählte immer, wie schwer ihr Leben wäre, und sein Bruder bemühte sich auch niemals um eine Arbeit und lebte in den Tag hinein. Metin war meistens wütend auf seinen Bruder, und wenn ich mich einschaltete und ihm zustimmte, nahm er ihn stets in Schutz. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu ihnen gehabt, und ich mochte seine ganze Familie sehr gern.

      Metin erzählte, dass er fast jeden Abend mit einem seiner türkischen Freunde im Krankenhaus wäre, da die Frau des Freundes kürzlich einen Unfall gehabt hätte, dort einige Monate würde verbringen müssen und er ihm aufgrund fehlender Sprachkenntnisse beim Dolmetschen half. So auch an diesem Abend, an dem wir nach dem Essen wieder in verschiedene Richtungen gingen.

      14. Oktober

      Den Vormittag verbrachte ich mit Ausmisten und packte eine Flohmarktkiste. Als ich mit Tränen in den Augen zwei Stofftiere, die als Brautpaar verkleidet waren und die wir zu unserer Hochzeit geschenkt bekommen hatten, in die Kiste packte und sie Metin vorher zeigte

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