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Die Suche ist für mich nicht nur eine Ehrensache sondern auch eine moralische Verpflichtung.“

      Er nahm noch einen Schluck Rotwein.

      „Gerüchteweise habe ich dann gehört, dass Käthe sich damals auf einer Insel versteckt haben soll. Also habe ich mit meiner Suche auf Sylt begonnen. Aber bisher ohne Erfolg. Borkum ist meine letzte Hoffnung. Sonst werde ich meine Suche wohl aufgeben müssen.“

      In Christians Kopf hämmerte es. Er dachte an Sören. Die gesamte Beschreibung der Situation stimmte, auch die Umstände und die Jahreszahlen passten zusammen. Und die Frau hieß Sören-sen. Und dann noch der Spruch in dem Balken `Lever dod as Sklav´. Solche Zufälle gibt es eigentlich nicht zweimal. Was sollte er tun? Wenn er seine Vermutung äußerte und dieser Mann Sören mit sich nehmen würde, um einen „anständigen“ Menschen aus ihm zu machen, wäre es für beide eine Katastrophe. Gewiss, Sören schlug sich als Hilfsarbeiter durch und lebte in einem alten Bootsschuppen. Aber das war sein Leben und irgendwie schien er sich auch in seiner Rolle wohl zu fühlen. Warum sollte man ihn da mit Gewalt herausreißen? Aber schweigen durfte er auch nicht. Also griff er zu einer List.

      Er hatte vorhin zufällig die Situation mit dem Koffertransport beobachtet. Und darum sagte er nun „Es gibt hier schon einen jungen Mann, von dem niemand weiß, wo er eigentlich herkommt. Er ist geistig zurückgeblieben und spinnt manchmal ein bisschen. Ich beschäftige ihn gelegentlich als Hilfsarbeiter zum Rasenmähen oder Wegekehren.“

      „Ach, Sie meinen doch nicht etwa den Trottel, der vorhin meinen Koffer ruiniert hat.“

      „Doch“, sagte Christian, „genau den meine ich.“

      „Nein, nein“, protestierte der Graf sofort, „das kann nicht mein Blut sein. Wir von Plytenbergs sind doch nicht vertrottelt. Wir führen unser Gut schon in der zwölften Generation. Nein, nein, den Trottel können Sie behalten.“

      Christian war kein besonders gläubiger Mensch, aber jetzt sandte er doch ein Stoßgebet des Dankes gen Himmel.

      Später ging Christian zu Sören und fragte ihn, ob er beschimpft worden sei. Sören nickte. „Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Der Mann reist morgen wieder ab.“ Sören sagte nur „gaud“ und bückte sich, um weiter das Unkraut aus der Rabatte zu zupfen. Christian griff in seine Tasche und gab Sören zehn Euro. „Das ist das Trinkgeld für den Koffer“, sagte er. Als Sören das Geld eingesteckt hatte, fragte Christian „Was machst du eigentlich mit dem Geld?“ Sören blickte sich um, als wollte er sich vergewissern, dass niemand zuhörte und sagte dann ganz leise: „Ik köp Blomen för dat Graf von min Moder.“ Christian sah ihn erstaunt an „Aber du kannst doch gar nicht wissen, wo deine Mutter beerdigt wurde.“

      „Ik weit dat ober“, antwortete Sören und fuhr in seiner Arbeit fort.

      Sören, die Zweite: „De Wal“

      Sören sollte Maria in den nächsten Tagen wiederholt beschäftigen. Denn er war ein paar Tage später schon wieder auf dem Weg zu ihr, als sie auf der Bank saß und las. Zunächst war sie ein bisschen skeptisch, wegen des Schreckens, den er ihr bei ihrer ersten Begegnung eingejagt hatte. Andererseits hatte Christian aber gesagt, dass sie keine Angst zu haben brauchte. Und … sie wollte ja auch gerne hinter das Geheimnis kommen, das Sören mit sich trug und das er ihr anscheinend mitteilen wollte. Sie zauderte ein wenig und als Sören sich schon umgedreht hatte, um wieder zu gehen, rief sie „Nein, nein, Sören. Kommen Sie nur.“

      Sören schien verunsichert wegen der Anrede. Diese Frau kannte seinen Namen, rief ihn damit und sagte Sie zu ihm. Trotzdem setzte er sich zu ihr auf die Bank. Maria hatte den Eindruck, dass er an diesem Tage ruhiger war, als das letzte Mal. Er wippte auch nicht hin und her, sondern sah nur auf die Nordsee, so, als ob er versuchte über den Horizont hinauszublicken. Maria traute sich ihn anzusprechen und fragte „Is was?“

      Aber Sören reagierte gar nicht. Er blickte weiter in die unendliche Weite. Maria wusste von Christian, dass man bei Sören Geduld haben musste. Und so wartete sie und blickte ebenfalls auf das Meer.

      Und nach einer – für Maria schier unendlich langen Zeit, begann er mit seinem Singsang. Zunächst ganz leise, so dass Maria Mühe hatte, Worte zu verstehen. Aber dann hörte sie ganz klar die Worte de Wal. Und es bildete sich wieder eindeutig ein Vers heraus „De Wal, de Wal, de weit dat al. Ik heb dat sehn, ik blot alleen. De Wal, de Wal, de dei dat all.“ Sören schien darauf zu warten, dass Maria den Vers aufschrieb, denn er wiederholte ihn so oft, bis Maria zum Kugelschreiber griff und den Vers zu dem ersten in die Buchinnenseite schrieb. Dann ging er. Nicht so fluchtartig wie beim ersten Mal, aber ohne Gruß und ohne sich umzudrehen.

      Aber auch Christian wusste auf Anhieb nicht, was der Vers dieses Mal zu bedeuten hatte. „War es wieder schlimm?“ hatte er als erstes gefragt.

      „Nein. nein, gar nicht“ antwortete Maria, „im Gegenteil. Heute war er eher ruhig und unaufgeregt.“

      Christian übersetzte den Vers ins Hochdeutsche „Der Wal, der Wal, der weiß das alles. Ich hab es gesehen, bloß ich alleine. Der Wal, der Wal, der hat das alles getan.“

      „Na“ sagte er dann fast ein bisschen spöttisch nach einer längeren Pause, „was will er denn nun wieder gesehen haben?“

      Maria hielt sich zurück. Sie wusste inzwischen aus eigener Erfahrung, dass man auch bei Christian gelegentlich viel Geduld brauchte. Endlich sagte er „Sicher, früher sind viele Männer von der Insel mit den Holländern bis ins Nordmeer vor Grönland auf Walfang gefahren, um Geld zu verdienen. Viele sind dabei umgekommen, wenige sind berühmt geworden. Der Walfischknochenzaun vor dem Museum und der Torbogen am Eingang sind stumme Zeugen aus dieser Zeit.“

      Maria traute sich einzuwenden „Für Sören scheinen sie zu reden.“

      „Ja, ja“ antwortete Christian fast ein wenig aufgebracht, „aber was? Was sagen die Knochen ihm, was wir nicht hören?“

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