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Haus Gottes stehen jedem die Türen offen.“

      Ja, dachte Walter, mit einer solchen Antwort hatte ich schon gerechnet.

      Der Herr Pfarrer schien zum Plaudern aufgelegt.

      „Eine schreckliche Sache, die da passiert ist mit unsrer Olga“, sagte er und blickte hinauf zu den bunten Glasfenstern. „Wann können wir denn die arme Seele beerdigen?“

      „Das hängt davon ab, wann der Staatsanwalt die Leiche freigibt. Und das kann dauern. Die Ermittlungen sind kompliziert und wir stehen noch ganz am Anfang.“

      „Kommen Sie denn voran, Herr Kommissar?“

      „Nicht so richtig. Uns fehlen die entsprechenden Informationen.“

      „Ja, da muss ich Sie leider enttäuschen, Herr Kommissar. Selbst wenn ich etwas wüsste, dürfte ich Ihnen nichts sagen. Sie wissen ja …“

      „Das Beichtgeheimnis“, fiel Walter ihm ins Wort. „Ja, das gibt es in der evangelischen Kirche auch, selbst wenn es dort keine offizielle Beichte gibt.“

      „Aber sonst“, sagte der Geistliche, „ wenn Sie seelischen Beistand brauchen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.“ Dabei schaute er wieder nach oben zu den farbigen Fenstern.

      „Gibt es in eurer Kirche eigentlich Stammplätze?“ fragte Walter seinen jungen Kollegen am Nachmittag.

      „Nein, wieso?“

      „Wegen der verschiedenen Kissen auf den Bänken.“

      „Ach die. Ja, das hat etwas mit Tradition zu tun. Es wird erzählt, dass eine Kirchenbesucherin schon vor 100 Jahren einmal im Winter ein Kissen mit in die Kirche genommen hatte, weil die Sitzbänke so kalt waren. Leider hat sie es dann beim Heimgang in der Kirche vergessen. Weil das Kissen am folgenden Sonntag noch an derselben Stelle lag, hat sie sich wieder dort hingesetzt. Und so ging es von Sonntag zu Sonntag weiter. Als einige andere Frauen davon erfuhren, haben sie sich auch Kissen mitgenommen und auf ihrem Platz liegengelassen. Und so hat sich im Laufe der Jahre eine feste Gewohnheit daraus entwickelt. Das ging sogar so weit, dass die Stammplätze einschließlich der Kissen testamentarisch von Generation zu Generation weitervererbt wurden. Vor Jahren wollte ein Kirchenvorsteher, dessen Frau keinen Stammplatz hatte, diese Unsitte, wie er es nannte, abschaffen. Das hat fast eine Revolution gegeben. Und darum ist alles beim alten geblieben, bis auf den heutigen Tag.“

      „Was würde denn passieren, wenn ich mich auf eines der Kissen setzen würde?“

      „Das wäre eine Sünde, die zur Exkommunikation führen könnte.“

      „Bei mir nicht. Ich bin ja evangelisch.“

      „Lassen Sie es lieber nicht darauf ankommen. Sie könnten öffentlich gelyncht werden.“

      „Durch Ersticken mit Kissen?“, sagte Walter lachend, „oder wie? Aber ich hätte da noch eine Frage. Als ich am ersten Tag da oben den Teufelskanzelrundweg gegangen bin, da ist mir auf dem Rückweg ein Mann entgegengekommen. Es war schon eigenartig, denn es war kein Förster und kein Jäger, aber auch kein Wanderer oder Spaziergänger, so wie ich.“

      Nachdem Walter den Mann beschrieben hatte, sagte Schuster: „Das könnte Peter gewesen sein.“

      „Wer ist Peter?“

      „Das ist ein Fernfahrer, der auch für Fischer fährt. Er arbeitet auch manchmal bei Fischer, wenn er hier ist und es viel zu tun gibt. Der vertritt sich manchmal da oben die Füße zwischen zwei Fahrten, bevor er dann wieder stundenlang in seinem Führerhaus sitzen muss.“

      Neid und Missgunst

      Die öffentliche Gemeindevertretersitzung in Harmonie ging ihrem Ende zu. Es war nicht gerade aufregend gewesen. Alle eingereichten Anträge wurden von den Gemeindevertretern nach kurzer unbedeutender Diskussion entweder mehrheitlich abgelehnt oder angenommen. So wurde dem Antrag eines Bürgers zugestimmt, Hundebesitzer darauf hinzuweisen, dass sie ihre Vierbeiner dazu anhalten müssen, ihr „Geschäft“ nicht auf Bürgersteigen, in öffentlichen Anlagen oder gar in privaten Vorgärten zu erledigen. Der Besitzer sei dazu verpflichtet, die Hinterlassenschaften seines Hundes sachgemäß zu entsorgen. Falls dies nicht geschehe, könne er mit einer Ordnungsstrafe von bis zu 100 Euro belegt werden.

      In einer anderen Anfrage wurde entschieden, dass der Winterdienst bei einer sogenannten Mischstraße – das ist eine Straße, in der es nur auf einer Seite einen Bürgersteig gibt – in Jahren mit geraden Zahlen von den Anwohnern mit ungeraden Hausnummern ausgeführt werden muss und in ungeraden Jahren von den Anwohnern mit geraden Hausnummern. Eine Wortmeldung eines Zuhörers, ob man es nicht umgekehrt machen könne, kam zu spät, da der Tagesordnungspunkt schon abgehakt war.

      Doch bei Tagesordnungspunkt 11 „Öffentliche Finanzen“ kam es zu einer heftigen Debatte, als der Herr Bürgermeister erklärte, dass auf Grund der angespannten Finanzlage (der öffentlichen Hand) die alljährlichen Zuschüsse der Gemeinde an die örtlichen Vereine im kommenden Jahr um die Hälfte gekürzt werden müssten. Es entstand eine allgemeine Unruhe unter den Zuhörern, denn jeder im Saal gehörte mindestens einem der betroffenen Vereine an.

      Zuerst meldete sich der erste Vorsitzende des Sportvereins zu Wort und erklärte lang und breit, wie wichtig die Arbeit des Vereins für den Ort sei und vor allem die Kinder und Jugendlichen würden darunter zu leiden haben, da bei einer solchen Kürzung der Trainingsbetrieb nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten werden könne. Ähnlich äußerte sich dann auch der Ortsbrandmeister und begründete seinen Einspruch damit, dass die Feuerwehr ohne den vollen Zuschuss ihre wichtige Aufgabe womöglich nicht mehr erfüllen könne. Er schloss mit den Worten „Nicht, dass es irgendwann mal zu einer Katastrophe kommt, weil wir mangelhaft ausgerüstet sind.“ Natürlich ließ es sich auch der Vorsitzende des Heimatvereins nicht nehmen darauf hinzuweisen, wie wichtig ihre Arbeit für das Ansehen des Ortes sei. „Kürzen Sie wo Sie wollen, aber nicht bei uns.“ Wieder machte sich allgemeine Empörung breit. Der Bürgermeister musste mit der Glocke zur Ordnung rufen und beruhigte die Gemüter einigermaßen, indem er in Aussicht stellte, dass die Zuschüsse im Jahr darauf eventuell wieder erhöht werden könnten „falls unsere Finanzlage es zulässt. Und nun kommen wir zu Punkt 12 unserer Tagesordnung: Verschiedenes.“

      Als erster meldete sich der Weber von den Grünen und fragte, ob an dem Gerücht etwas dran sei, dass an der Autobahnabfahrt eine Tank- und Raststätte gebaut werden soll. „Wir von den Grünen sind entschieden dagegen, wegen der vielen Bäume, die dann gefällt werden müssten, wegen der zusätzlichen Umweltbelastung und wegen der Luftverschmutzung durch parkende Autos.“ Noch bevor der Bürgermeister antworten konnte, bekam der Redner schon eine Antwort aus dem Publikum. Der Weirer hatte sich erhoben „Schorsch, was bist du doch für ein erbärmlicher Heuchler. Wir alle wissen doch genau, dass es dir weder um die Bäume noch um Luftverschmutzung geht. Es geht dir doch lediglich um deinen Parteifreund Solm, weil der Angst hat, dass er seine Tankstelle zumachen kann, wenn da oben eine Autobahntankstelle gebaut wird. Ich kann solche Pläne nur befürworten. Das könnte auch unseren Bemühungen um mehr Tourismus sehr entgegenkommen.“ Er war noch nicht ganz fertig, als ihm schon der Bergner ins Wort fiel „Wer ist denn hier der Heuchler, was? Wir alle wissen doch, dass das Land da oben deinem Parteifreund Brenner gehört. Und wenn der sein billiges Ackerland als teures Bauland verkaufen könnte, wäre sicher eine dicke Spende für eure Parteikasse drin.“ Für diesen Einwand bekam er lautstarken Beifall von seinen Parteifreunden. Aber Weirer war noch nicht am Ende. „Wenn da oben eine Tank- und Raststätte gebaut würde, kämen dann die Einnahmen der Gewerbesteuer nicht unserer Gemeinde zugute?“ Allgemeines Kopfnicken der Gemeindevertreter. Noch einmal hakte der Vertreter der Grünen nach „Und dann setzt ihr uns da oben wahrscheinlich eine amerikanische Fastfoodkette vor die Nase, mit Hamburgern und Cola.“ Ein Zwischenruf aus dem Saal war zu hören „Du kannst ja mal unseren Wirt fragen, ob der den Laden übernimmt.“ Darauf ein anderer „Ich glaube kaum, dass die Reisenden mit Schnitzel und Pommes zufrieden wären.“ Allgemeines Gelächter.

      Der Bürgermeister rief erneut mit der Glocke zur Ordnung „Aber meine Herren, Sie können doch alle Ihr „Für“ und „Wider“ zu diesem

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