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Das Eulenrätsel. Ghila Pan
Читать онлайн.Название Das Eulenrätsel
Год выпуска 0
isbn 9783738004762
Автор произведения Ghila Pan
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das kleine Hotel in dem sie wohnten lag unweit von der Bootsanlegestelle. Sie gingen den Kai hinunter, es roch nach Fisch und Meertang. Mit einem gemieteten Motorboot fuhren sie dann Richtung Norden, die Küste entlang. Einige Wolken zogen auf und warfen Schatten über die Grashügel, als wollten sie wandernde Figuren erschaffen; zumindest sah das Lisa so. Für einen poetischen Hinweis genügte das Naturschauspiel jedoch leider nicht. Das Boot passierte schließlich einen Felsvorsprung, dahinter schlängelte sich der Meerarm in Landesinnere. Ein Grashügel erhob sich, nicht höher als zweihundert Meter.
„Lass uns hier hineinfahren!“, schlug Lisa Alwin vor. Sie folgten dem Wasserlauf und sahen die ersten Steine am Meeresboden. Alwin stoppte den Motor.
„Und jetzt?“
„Wir besteigen diesen Hügel!“
„Lisa?!“
„Ach, komm schon, Alwin!“
Seufzend gab er nach. Sie machten das Boot an einem Pfahl fest, schlüpften in Wellington-Boots und wateten zum Ufer. Dort stapften sie den schmalen Weg zur Hügelspitze.
Erschöpft ließ sich Alwin auf einem Stein nieder. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen sah er zu Lisa, die das offene Meer betrachtete.
„Wir könnten ja nach Lewis hinüberfahren und den Steinkreis von Callanish betreten, vielleicht stülpt sich dann ein freundliches schwarzes Loch über uns, und wenn es uns wieder ausspuckt, sind wir im Nichtigen Reich. Wir schnippen noch dreimal mit den Fingern, und landen am besten mit all deinen Romanfiguren wieder auf Hawaii, das ließe sich sicher einrichten…!“
Leise erwiderte Lisa: „Es ist so schön hier, es gibt Steine, Tiere, Pflanzen… Irgendwie helfen sie mir!“
Bevor sie wieder ins Boot stiegen, spazierten sie noch die Küste entlang. Nach einer Weile gelangten sie zu kleinen Felsblöcken, über die sie sprangen. Es tat Lisa gut, hier alleine mit Alwin zu sein, der nun gar nicht mehr murrte und diese kleine Wanderung genoss. Einzig die vielen leeren Plastikflaschen und Kanister, die angeschwemmt zwischen den Felsen liegengeblieben waren, verdüsterten ihre Stimmung.
„Alles wird von den großen Schiffen ins Meer geworfen, als wäre es eine große Müllhalde!“ Lisa stieß wütend eine leere Cola Flasche weg, die vor ihr im Kies lag. Am liebsten hätte sie diese Welt aus den Angeln gehoben, den ganzen Mist entleert und die Menschen beschworen, sich vor der Muttergöttin Gaia zu verbeugen und den Titel „Krone der Schöpfung“ ins Archiv für überholte Bezeichnungen zu verbannen, um sich als kleiner unbedeutender Teil der Schöpfung neben Braunbären und Waldameisen einzureihen.
Als ob er diesmal Lisas Gedanken erraten konnte, flüsterte Alwin leise, „Und sie dreht sich doch…!“ Lisa nahm seine Hand und so gingen sie zurück zum Boot.
„Komm, wir fahren aufs Meer hinaus!“, meinte sie zuversichtlich.
Ein nun wieder wolkenloser Himmel ließ das Wasser tiefblau schimmern, als sie Fahrt aufnahmen. Sie übernachteten auf einer Insel. Tags darauf fuhren sie weiter nach Skye, besuchten ein Schloss, stiegen nochmals auf einen Hügel, ließen das kleine Boot im Hafen und nahmen am Nachmittag eine Fähre nach Harris. Die Überfahrt verbrachte Alwin auf einer Bank am Unterdeck der Fähre liegend. Lisa hingegen saß backbord an das Außenfenster gelehnt und wünschte sich, ewig in diesem Wellenmeer zu schaukeln. Tarbert war viel zu schnell erreicht, für ihr Gefühl.
Halb krank verschlief Alwin den nächsten Tag, während Lisa all ihre Antennen ausfuhr, um irgendeinen Hinweis zu empfangen, was jetzt zu tun wäre. Doch sie konnte keinerlei Zeichen erkennen, wo sich ein Nichtiges Reich befinden könnte. Auch der darauffolgende Tag, an dem sie Lewis besuchten und in verlassenen Dörfern herumirrten, barg nicht den kleinsten poetischen Hinweis. Und das war fast ein Wunder, denn von alten Webstühlen bis mit Stroh bedeckten Steinhäusern gab es genug, was Geheimnisse zu bergen schien.
Am nächsten Morgen beim Frühstück meinte Alwin, nachdem er lange genug auf seinem Brötchen herumgekaut hatte, „Lisa, ich hab das Gefühl, dass wir so nicht recht weiterkommen!“
„Und, was solen wir deiner Meinung nach tun?“ Lisa war angespannt.
„Nun, vielleicht sollten wir mehr auf die Leute zugehen, die hier leben.“ Sie saßen in einem kleinen Raum mit einem Kamin und Schiffsbildern an den Wänden. Der Kellner kam, um nach den Wünschen zu fragen, doch Lisa schüttelte bloß den Kopf, als wollte sie dadurch auch Alwins Vorschlag ablehnen. „Welche Leute denn? Obwohl die Menschen hier alle sehr nett sind, hab ich noch niemand getroffen, bei dem ich das Gefühl…“ Eine böse Ahnung ließ sie plötzlich stocken. „Alwin, das ist doch nicht dein Ernst?“
Ihr Mann hatte die Visitenkarte aus dem Jackett gezogen und spielte damit.
„Du meinst doch nicht, dass dieser… Mac Future, oder wie er hieß, uns weiterhelfen kann?“
„Hm, wer weiß?“ Alwin sah auf die Karte, die er zwischen seinen Fingern drehte.
„Wahrscheinlich nicht, aber…“ Er sah Lisa an und fuhr dann schmunzelnd fort: „Immerhin war es das erste Mal, dass von Büchern und Filmen die Rede war – erinnerst du dich? Als der Zug in Glenfinnan stehenblieb. Von wegen poetischer Hinweis….“
„Sehr poetisch“, konterte Lisa, wich Alwins Blick aus und starrte auf seine Finger, welche die Visitenkarte umfasst hielten, als wäre sie das indizienführende Beweisstück in einem Mordprozess.
„Alwin, das war doch reiner Zufall!“
„Na, wunderbar, wir kurven hier in den Highlands herum auf der Suche nach irgendeinem Hinweis über den Aufenthaltsort von möglicherweise multifunktionalen Romanfiguren, und wenn ein völlig Fremder etwas über eine berühmte Buchverfimungen erwähnt, ist das bloßer Zufall! Auf was willst du den noch warten? Vielleicht dass der Geist der Alaster Road zu uns kommt, um uns ins Nichtige Reich zu begleiten?“ Plötzlich warf Alwin die Visitenkarte wie nach einem verlorenen Spiel auf den Tisch und winkte dem Kellner. Müdigkeit fuhr in seine Glieder.
Lisa sah ihren Mann lange an, dann sprach sie leise: „Du willst Mac Futuroy wiedersehen…“
Gereizt verdrehte Alwin die Augen. „Hör mal, wir brechen wegen deiner untrüglichen Intuition unseren Urlaub ab, verbringen tagelang in Staus oder Zügen und fahren ziellos im kühlen Schottland herum, wo wir doch eigentlich bei einem Glas Bacardi auf Hawaii sitzen könnten, um uns die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen…“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und stierte schweigend auf die Eingangstür des Lokals. Als er den Kellner sah, bedeutete er ihm, die Rechnung zu bringen.
„Sorry, ja, aber….“
„Das ist deine Mission, die wir hier verfolgen!“, unterbrach Alwin Lisa barsch. Nach einer einer kurzen Pause stellte er sachlich fest: „Ja, ich weiß, es wäre dir lieber gewesen, wenn sich Edgar Allan Poe ins Abteil gesetzt und uns in das ‚House of Usher’ eingeladen hätte.“ Als seine Frau lächelte, wich auch aus Alwins Zügen die Spannung. Er sah so lange in Lisas haselnussbraune Augen, bis der Kellner vor ihnen stand, um die Rechnung auszuhändigen. Nachdem Alwin umständlich bezahlt hatte, wie um sich wieder in die Gegenwart einzuloggen, umschloss Lisa seine Hände.
„Vielleicht hast du Recht. Die Tatsache, dass uns ein Schotte anspricht und sogar einlädt, ihn zu besuchen, birgt gewisse…“ Lisa sah aus dem Fenster und beobachtete eine Möwe, die sich kreischend auf einem Fischkutter niederließ. „…. gewisse Möglichkeiten, unserem Ziel näher zu kommen. Zumindest scheint er sich in der Geschichte dieses Landes auszukennen!“
„Und in den Geschichten dieses Landes!“, ergänzte Alwin.
„Ja, so gesehen könnte man das Ganze als literarisches Augenzwinkern bezeichnen...“, gab Lisa schließlich zu.
„Also, wenn du mich fragst, ist es ein Wink mit dem Zaunpfahl!“
Dann schwiegen sie eine Zeit lang, jeder in seine Gedanken versunken.
„Vermisst