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die Farbe, die Zeichnung, vor allem die Zeichnung, kurz, er hatte sie auf keinen Fall gewollt. Allein durch einen fälligen Wechsel gezwungen, hatte Pellerin sie dem Juden Isaac überlassen; und vierzehn Tage später verkaufte Arnoux sie für zweitausend Francs an einen Spanier.

      »Nicht einen Sou weniger! Was für eine Gemeinheit; und er verübt noch andere, bei Gott! Wir werden ihn eines Tages vor dem Strafgericht sehen!«

      »Wie Sie übertreiben!« sagte Frédéric mit schüchterner Stimme.

      »Gut! meinetwegen! ich übertreibe!« schrie der Künstler, mit der Faust heftig auf den Tisch schlagend.

      Diese Heftigkeit gab dem jungen Manne seine ganze Sicherheit wieder. »Freilich hätte sich Arnoux besser benehmen können, indessen wenn er diese beiden Bilder…«

      »Schlecht fand! Heraus mit dem Wort! Kennen Sie sie? Ist das Ihr Fach? Denn wissen Sie, ich gebe nichts auf Amateure!«

      »Ach! die Sache geht mich ja nichts an,« sagte Frédéric.

      »Welches Interesse haben Sie denn daran, ihn zu verteidigen?« entgegnete Pellerin kalt.

      »Aber… weil ich sein Freund bin.«

      »Küssen Sie ihn in meinem Namen! Guten Abend!«

      Und wütend ging der Maler hinaus, selbstverständlich ohne an seine Zeche zu denken.

      Frédéric hatte, indem er Arnoux verteidigte, sich selbst vergessen. In der Hitze seiner Beredsamkeit ergriff ihn plötzlich eine große Zärtlichkeit für diesen guten, intelligenten Mann, den seine Freunde verleumdeten und der jetzt ganz allein, verlassen bei der Arbeit saß. Er konnte dem lebhaften Bedürfnis, ihn sofort wiederzusehen, nicht widerstehen.

      Zehn Minuten später öffnete er die Tür des Ladens.

      Arnoux stellte mit seinem Kommis Monstre-Plakate für eine Gemälde-Ausstellung zusammen.

      »Nun, was führt Sie zurück?«

      Diese so einfache Frage brachte Frédéric in Verlegenheit; und da er nicht wußte, was er darauf antworten sollte, fragte er, ob nicht zufällig seine Brieftasche gefunden worden sei, eine Brieftasche aus blauem Leder.

      »In der Sie Ihre Damenbriefe aufbewahren?« sagte Arnoux.

      Frédéric verteidigte sich errötend wie ein junges Mädchen gegen eine solche Vermutung.

      »Ihre Verse also?« entgegnete Arnoux.

      Er nahm die ausgebreiteten Proben in die Hand, besprach ihre Form, die Farbe, die Umrahmung, und Frédéric fühlte sich durch sein gleichgültiges Wesen, vor allem aber durch seine über die Plakate gleitenden Hände – volle, ein wenig weichliche Hände mit flachen Nägeln – immer mehr abgestoßen. Endlich erhob sich Arnoux, und mit einem »Das wäre gemacht!« faßte er ihn ungezwungen unters Kinn. Diese Vertraulichkeit mißfiel Frédéric, er trat etwas zurück, dann überschritt er, zum letztenmal in seinem Leben, wie er glaubte, die Schwelle des Büros. Selbst Madame Arnoux verlor in seinen Augen durch die Gewöhnlichkeit ihres Gatten. –

      In derselben Woche erhielt er einen Brief, in dem Deslauriers ihm ankündigte, daß er am nächsten Donnerstag in Paris eintreffen würde. Er warf sich nun mit Leidenschaft auf diese tiefere und ernsthaftere Freundschaft. Ein solcher Mann war mehr wert als alle Frauen. Er brauchte jetzt weder Regimbart noch Pellerin oder Hussonnet, niemand! Um seinen Freund besser unterzubringen, kaufte er ein eisernes Bett, einen zweiten Sessel, teilte sein Bettzeug; und am Donnerstagmorgen kleidete er sich an, um Deslauriers entgegenzugehen, als die Glocke an seiner Tür ertönte und Arnoux eintrat.

      »Nur ein Wort! Ich erhielt gestern eine schöne Forelle aus Genf, wir rechnen auf Sie, gleich heute, um sieben Uhr pünktlich… In der Rue Choiseul 24b… Vergessen Sie es nicht!«

      Frédéric mußte sich setzen. Seine Knie wankten. Er wiederholte unablässig: »Endlich! endlich!« Dann schrieb er an seinen Schneider, seinen Hutmacher und seinen Schuhmacher, und ließ diese drei Billets von drei verschiedenen Dienstmännern fortbringen. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und der Portier erschien mit einem Koffer auf der Schulter.

      Als Frédéric Deslauriers erblickte, fing er an zu zittern wie eine ehebrecherische Frau unter dem Blick ihres Mannes.

      »Was hast du?« sagte Deslauriers, »du mußt meinen Brief doch erhalten haben?«

      Frédéric hatte nicht die Kraft zu lügen.

      Er breitete die Arme aus und warf sich an seine Brust.

      Dann erzählte der Schreiber seine Geschichte. Sein Vater hatte die Vormundschaftsrechnung nicht vorlegen wollen, indem er vorgab, daß diese in zehn Jahren verjährt sein würde. Aber Deslauriers, der im Prozeßwesen gut beschlagen war, hatte endlich das ganze Erbteil seiner Mutter, netto siebentausend Francs, herausbekommen, die er hier in einer alten Brieftasche bei sich trug.

      »Das ist ein Rückhalt für den Fall der Not. Ich muß sehen, sie anzulegen, und mich selbst morgen früh unterzubringen. Für heute bin ich vollkommen frei und stehe ganz zu deiner Verfügung, alter Junge!«

      »O! Geniere dich nicht!« sagte Frédéric. »Wenn du heute abend etwas Wichtiges vorhast…«

      »Warum nicht gar! Da wäre ich ja ein schöner Lump!«

      Dieses zufällig hingeworfene Epitheton traf Frédéric mitten ins Herz wie eine beleidigende Anspielung.

      Der Hausmeister hatte auf den Tisch neben dem Kamin zwei Kotelettes, Geflügel, eine Languste, ein Dessert und zwei Flaschen Burgunder gestellt. Eine so festliche Aufnahme rührte Deslauriers.

      »Du behandelst mich wie einen König, auf mein Wort!«

      Sie plauderten von ihrer Vergangenheit, von der Zukunft; und von Zeit zu Zeit reichten sie sich über den Tisch die Hände und sahen sich eine Minute mit Rührung an. Aber ein Bote brachte einen neuen Hut. Deslauriers bemerkte laut, wie glänzend der Hutkopf sei.

      Darauf brachte der Schneider selbst den Frack, den er noch etwas aufgebügelt hatte.

      »Man könnte glauben, du wollest Hochzeit machen,« sagte Deslauriers.

      Eine Stunde später erschien unvermutet ein drittes Individuum und zog aus seinem Beutel ein Paar glänzende Lackstiefel. Während Frédéric sie probierte, betrachtete der Schuster schmunzelnd das Schuhwerk des Provinzialen.

      »Der Herr braucht nichts?«

      »Danke!« erwiderte der Schreiber und zog seine alten Schnürschuhe unter seinen Stuhl zurück.

      Diese Demütigung genierte Frédéric. Er hielt mit seinem Geständnis zurück. Plötzlich rief er, wie wenn ihm etwas einfiele:

      »Ach, Donnerwetter; ich vergaß!«

      »Was denn?«

      »Ich bin heute abend zum Diner eingeladen.«

      »Bei Dambreuse? Warum sprachst du in deinen Briefen niemals von ihnen?«

      »Nicht bei Dambreuse, sondern bei Arnoux.«

      »Du hättest mich vorher benachrichtigen sollen!« sagte Deslauriers. »Ich wäre einen Tag später gekommen.«

      »Unmöglich!« entgegnete Frédéric barsch. »Ich wurde erst heute morgen eingeladen, soeben.«

      Und um sein Vergehen gutzumachen und seinen Freund abzulenken, knüpfte er die verwickelten Schnüre seines Koffers auf und brachte seine Sachen in der Kommode unter. Er wollte ihm sein eigenes Bett abtreten und selbst im Alkoven schlafen. Dann, gegen vier Uhr, begann er mit den Vorbereitungen seiner Toilette.

      »Du hast noch lange Zeit!« sagte der andere.

      Endlich kleidete er sich an und ging.

      »So sind die Reichen!« dachte Deslauriers.

      Und er speiste in der Rue Saint-Jacques bei einem kleinen Speisewirt, den er kannte.

      Frédéric blieb mehrmals auf der Treppe stehen, so sehr schlug ihm

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