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den zweiten Kaffeepunsch zu sich genommen, und sein Nasenrücken schimmert bereits rötlich. Da steht er auf mit der Miene eines Menschen, der etwas weiß, das die anderen nicht wissen. Ganz langsam geht er auf das Bett zu und streckt die Hand nach dem darüber befindlichen Bort aus.

      »Kennt ihr diese beiden Kerle hier, he, he?« sagt er und zeigt eine Photographie vor.

      »Ach nein, doch – das sind ja Hans und Sören aus Amerika!« ruft Sara erfreut.

      »Laß mich sehen! Laß mich sehen!« Der kleine Paul krabbelt eifrig hoch.

      Sie stehen in dichtem Haufen beieinander, um das Bild so recht in sich aufzunehmen. Jakob steht daneben mit lächelndem Munde und schaut überlegen zu; er hat während der letzten acht Abende nichts weiter getan als diese Bilder betrachtet; er kennt sie also.

      Sara hält sich die Photographie dicht vor die Augen. »Sie sehen gut aus! Und so nett gekleidet!«

      »Ja, das tun sie! Sie sehen gut aus!« nickt der Vater. »Aber sie verdienen auch monatlich sechzig Dollar!« Jakob Weidenhäusler spuckt drei Ellen weit in die Stube hinein. »Und dazu die Kost – alle beide!«

      »Das wär doch des Teufels!« ruft nun Peter völlig wach.

      Aber Jakob hat noch eine Überraschung. Er hält etwas in der Hand hinterm Rücken. Beinahe lacht er selber laut auf vor Vergnügen, als er noch eine Photographie hervorholt.

      »Ob ihr den wohl schon mal gesehen habt, he, he?«

      »Ah, das ist ja Anders,« ruft Jens, »und in Uniform!«

      »Ja, das ist er, und so leibhaftig, als wenn wir ihn hier lebend vor uns sähen!«

      Einen Augenblick herrscht tiefes Schweigen.

      Dann sagt die Mutter: »Seht, wie stolz er dasteht!«

      »Ja, das hat er von dir, Mutter!« Jakob ist ganz aufgeräumt. »Du hast immer die Nase sehr hoch getragen – he, he!«

      »Ach du – –« Dorte wirft den Kopf in den Nacken. »Aber er ist doch ein prächtiger Soldat!«

      »Das ist er!«

      Jens ist ganz begeistert von dem Bild: »Welch' prächtige Kleider!«

      »Ja, es ist 'ne nette Uniform!« .

      »Was ist er jetzt, Vater?«

      »Er ist Konstabler, mein Junge!« antwortet Jakob in feierlichem Tone, als sei das etwas, worüber man nur mit dem größten Respekt reden dürfe.

      Sara dreht die Bilder in den Händen: »Jetzt wollt ihr sie wohl einrahmen!«

      »Ja, das wollen wir, mein Kind! Und dann haben Mutter und ich abgemacht, daß sie da hängen sollen!« Jakob zeigt auf den braun angestrichenen Balken, der quer über die Decke und dann am Kopfende des Bettes hinunterläuft. »Das muß sehr gut aussehen!« Jakob kaut nachdenklich seinen Tabak.

      Anine fügt hinzu, sie werde schon ein paar nette Rahmen besorgen.

      Und Dorte Weidenhäusler schließt: »Ja, man sieht doch, daß sie ihre Eltern nicht vergessen haben, wenn sie auch da draußen in der weiten Welt sind!«

      »Da hast du recht, Mutter.«

      Jakobs Seele zittert in der Stimme, als er hinzufügt: »Und laßt mich sehen, Kinderchen, daß das auch in Zukunft so bleibt.«

      Ein paar Stunden sind schnell vergangen, und der Augenblick des Abschieds rückt heran: die schwere Stunde für Jakob und Dorte.

      Sie gehen fort, einer nach dem anderen und werden zur Türe geleitet unter endlosen Ermahnungen. Und je mehr gehen, um so trauriger werden die Eltern.

      Wiederum müssen sie ja die Kinder hinauslassen auf die wunderlich verschlungenen Wege des Lebens. Und das Leben ist so zerbrechlich, namentlich für die Kinder armer Leute, das wissen sie.

      Zuletzt geht Sara.

      – »Sag?« fragt die Mutter, »warum bleibst du eigentlich nicht auf deinem guten Platz?«

      Sara gibt eine etwas stotternde Antwort: Es wäre doch am Ende ganz gut, mal zu wechseln und dergleichen; daß die Besitzer von Wiesenhof sehr fortschrittlich seien, so daß man dort viel lernen könne, und daß der Sohn, der sie gemietet, so ein netter und flinker Mensch sei.

      »Ich sage dir nur, nimm dich in acht!« Die Mutter sieht die Tochter scharf an.

      »Ja, um Gotteswillen, Sarachen!« fügt der Vater hinzu.

      Sara aber lächelt nur, und ihre Augen strahlen in wunderbarem Glanz.

      Sie nimmt Abschied. Leichten Fußes schreitet sie den Berg hinan; ein paarmal kehrt sie sich um und winkt den Eltern zu, die in der Tür stehen und zurückwinken.

      Die Mutter hält die Hände unter der Schürze und schüttelt sich, als fröre sie: »Ach du lieber Gott, solch ein kleines, junges, unschuldiges Menschenkind, und das soll nun hinaus in die Welt!« Zwei Tränen tropfen herab auf ihre Wangen.

      »Ja, Herrgott, halte deine Hände über sie!« sagt der Vater still.

      Ihre Augen folgen Sara unentwegt, damit sie kein Zeichen geben soll, ohne Antwort zu erhalten.

      Oben auf dem Bergrücken winkt Sara zum Abschiedsgruß mit den Armen, und die beiden Alten winken zurück.

      Jetzt sehen sie sie nicht mehr.

      Die beiden Alten stehen noch eine Weile da. Dann untersuchen sie alle Fußsteige, die vom Weidenhäuschen aus strahlenförmig nach allen Richtungen hin auseinandergehen. Aber überall ist es leer. Sie wissen es nur zu gut.

      Damit ist dieses Novemberfest zu Ende, und vor ihnen liegen wieder die grauen Tage eines ganzen Jahres.

      Jakob und Dorte gehen still hinein in das alte Weidenhäuschen.

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