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sich Jens auch nicht zu erzählen:

      »Vor ein paar Tagen, als wir unser Vesperbrot bekamen, ein elendes Schnippelchen Speck zu einem dicken Stück Schwarzbrot, da fragte ich sie, hi, hi, ob wir nicht etwas mehr Licht anstecken könnten, da ich mein Stück Speck nicht finden könne, hi, hi, – Herr des Himmels, wie hat sie da geschimpft!«

      Peter, der bisher dagesessen, an seine Zahlen gedacht und seine Stiefel betrachtet hat, fängt plötzlich an zu lachen. Es wirkt sehr komisch; niemand hat zuletzt auf ihn geachtet. Die Mutter wendet sich ab und beginnt mit allerhand Dingen herumzuhantieren. Mit abgewandtem Gesicht sagt sie:

      »Ich hab' mein Mundwerk auch wohl gebrauchen können, aber naseweis und frech war ich nie; – auf was der Junge nicht alles kommen kann!«

      Der Vater aber schüttelt den Kopf: »Arme Leute müssen sich nach den anderen richten, wenn sie je daran denken wollen, vorwärts zu kommen.«

      »Ach Dreck! es gibt Stellen genug!« sagt Jens sorglos.

      Es entsteht eine kleine Pause.

      Dann fängt Jakob Weidenhäusler leise an zu lachen. Die Bemerkung des Jungen zu der Hofbesitzersfrau hat ihn wohl doch belustigt. Aber sofort rafft er sich wieder auf und runzelt sogar die Brauen, indem er sagt: »Zeig' mal deinen Lohn her, Jens!«

      Es fehlen ungefähr zwölf Kronen.

      »Aber wozu hast du all das viele Geld gebraucht, Junge?«

      »Ich hab' mir eine Pfeife gekauft – äh – dann hab' ich mir 'was erhandelt und umgetauscht und – äh – dabei – ich weiß nicht mehr genau!«

      Dieses Rechenschaftablegen ist nicht so angenehm, und Jens blickt verlegen zum Fenster hinaus.

      »Hallo!« ruft er, »da kommt Paul!« Und fort ist er, zur Tür hinaus, um seinen kleineren Bruder zu empfangen.

      Jakob Weidenhäusler aber schüttelt den Kopf und blickt zu seiner Frau hinüber: »Ich fürchte, der Junge wird nicht gut tun, du!«

      »Ach – am Ende wird er gerade der allerfixeste, Jakob,« antwortete Dorte, »das kann man nie wissen!«

      Der kleine Paul ist ein richtiger Dickwanst mit roten, vollen Backen. Er watschelt so drollig einher und sieht sehr zufrieden aus. Er ist das Nestkücken, der jüngste der ganzen Schar.

      Der Mutter reicht er das Bündel mit alten Sachen, das er auf dem Rücken hat; er trägt ja sein Sonntagszeug: einen aus den Sachen der älteren Brüder angefertigten Anzug, der zum Wachsen eingerichtet ist, so daß er die viel zu langen Ärmel umkrempeln muß.

      Er steht mitten im Zimmer und sieht sehr drollig aus in seiner viel zu großen Jacke. Seine großen Kinderaugen aber strahlen vor Freude, wieder daheim zu sein, und er blickt immer von einem zum andern. Und Paulchens Blick ist wie eine Sonne, die ringsum zündet.

      »Paul, der soll aber einen Kuchen haben, Mutter!« ruft Jens.

      »Ja, ja, das muß er wohl!« Sie greift nach dem auf dem Bort stehenden Teller. »Und du mußt wohl auch einen haben, du Schlot!« murmelt sie gutmütig.

      Jakob Weidenhäusler steht auf. »Wär's nicht an der Zeit, daß wir jetzt ein Täßchen Kaffee kriegten, Mutter? sagt er und blickt zum Fenster hinaus.

      »Ich sehe, da drüben kommt Anine.«

      Anine, die Älteste, ist unverheiratet. Sie ist außerordentlich vernünftig, ein bißchen altjüngferlich. Ihr Anzug ist einfach, aber solide; es sieht fast so aus, als spare sie ihr Geld zusammen. Sie steckt der Mutter einen Geldschein zu und hilft sofort bei der Zubereitung des Kaffees, als könne sie überhaupt nicht gut stillsitzen und ohne Beschäftigung sein.

      Jakob blickt im Zimmer umher.

      »Tschja, dann fehlt wohl nur noch Sara!«

      »Kräften und Tammes, das sind ja verheiratete Leute,« sagt die Frau, »aber an uns denken, das werden sie heute trotzdem.«

      »Davon bin ich überzeugt,« nickt Jakob, seiner Sache ganz sicher.

      Darauf fragt Anine: »Gott mag wissen, wie es Hans und Sören drüben in Amerika geht. Ist es nicht sonderbar, daß sie nicht schreiben?«

      »Ja, es ist merkwürdig genug,« antwortet Jakob. Aber er lacht dabei so verschmitzt und blinzelt der Frau zu, daß er sicher ein Geheimnis mit sich herumträgt.

      Jens ist empört darüber, daß Anders, der Soldat ist, nicht seine Photographie schickt, denn er will gerne sehen, wie er sich in Uniform ausnimmt.

      Doch auch dazu lächelt Jakob vielsagend. Dann vernimmt man ein Schaben oder Kratzen am Fenster oder an der Tür. Wenn sie aber alle aufhorchen und hinblicken, hört das Geräusch auf, das ist doch sonderbar.

      Aber plötzlich werden Jakobs kummervolle Züge von einem tief aus dem Innersten kommenden Lächeln erhellt, das ihm so gut steht. Er flüstert:

      »Ich glaub', es ist Sara!«

      Diese Vermutung erweist sich als richtig. Als Jens die Tür aufreißt, steht sie da und lacht und lacht, daß es geradezu ansteckend wirkt und sie alle mitlachen müssen.

      Jakob reibt sich vergnügt den Ellenbogen und wiederholt: »Ich dachte wohl, daß es Sara sei, he, he!«

      Sie ist seine Lieblingstochter. Sara, die so fein ist, bildet sofort den Mittelpunkt! Nun sieht sie außerdem nach dem Spaziergang durch die Berge so frisch und anmutig aus, und die Herzensfreude verschönt geradezu ihr Gesicht.

      Man fingeriert an der seidenen Einfassung und den Perlstickereien ihrer Jacke.

      »So, ist das nun modern?« sagt Dorte Weidenhäusler. Sie faltet dabei in interessierter Betrachtung die Hände über dem Magen; es gab eine Zeit, wo sie meiner Seel wohl wußte, was modern war und was nicht.

      Jakob bemerkte still: »Ich hab es gern, Kinder, wenn ihr auf gutes Aussehen haltet; denn wer sich nicht selbst ehrt, den ehren andere auch nicht, aber – ich – ich – weiß – –«

      »Ja, Gott mag wissen, für wen sie sich so herausstaffiert!« spottet Anine gereizt.

      Sara wird puterrot und antwortet hastig: »Es hat wohl eine Zeit gegeben, wo du dich auch gerne putzen mochtest; es ist allerdings lange her!«

      »P–h!« Zischt Anine.

      »Aber Kinder, Kinder!« beschwichtigt Jakob. Wo bleibt denn der Kaffee, Mutter?«

      Der Tisch wird gedeckt. Die alte Zuckerschale und der Sahnentopf aus blauem Glas, die nur bei solchen Gelegenheiten hervorgeholt werden, stehen bereit. Zu beiden Zeiten des blauen Kaffeegeschirrs wird ein bis oben mit Weichbrot gehäufter Teller gestellt, und der feine würzige Duft des Kaffeekessels zieht über das weiße Tischtuch hin und verleiht allem einen festlichen und lebhaften Glanz. Es herrscht heute Überfluß im Weidenhäuschen. Man sieht es auch Jakob an, wenn er den Blick auf dem ganzen Familienkreise ruhen läßt, daß er das Gefühl des Ungewohnten hat, wie an den großen Tagen unseres Lebens.

      »Ja, Kinder, nun geniert euch nicht, greift zu!« sagt er und gießt sich selbst ein Gläschen, vom alten Rum ein.

      In diesem Augenblick zählt Jakob Weidenhäusler nicht zu den kleinen Leuten.

      Er lehnt sich zurück in seinen Stuhl: »Ihr habt es ja gut, alle miteinander, nun laßt mich sehen, daß ihr euch auch in Zukunft gut führt!« Er räuspert sich; denn der Rum kratzt im Halse. Jakob ist solch starke Getränke nicht gewohnt.

      Es sind alles Menschen, die zuzulangen verstehen.

      Mit einem Male fängt Sara laut an zu lachen. Der kleine Paul sitzt nämlich so ernsthaft da und stopft einen Kuchen nach dem andern in sich hinein. Kaum hat er das letzte Stück im Munde, so haften die Augen schon begehrlich am nächsten. Er ist ganz überwältigt von all den Herrlichkeiten. Das sieht sehr komisch aus.

      Sara lehnt sich zurück. Ihr zwitscherndes Lachen steigt zur Decke empor.

      Die anderen werden jetzt auch aufmerksam und lachen. Paul schaut,

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