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erinnern sich, durch welches einfache Mittel ich ihr den ersten Brief zustellte und auch der zweite machte keine Schwierigkeiten. Sie hatte verlangt, daß ich ihr ihren Brief zurückgebe, und ich gab ihr statt dessen den meinen, ohne daß sie den geringsten Verdacht hatte. Sei es nun Ärger, von mir überlistet worden zu sein, oder Eigensinn, oder endlich diese Tugend – sie bringt es noch so weit, daß ich daran glaube –, den dritten Brief nahm sie nicht an. Ich hoffe aber, daß die Verlegenheit, in die sie sich infolge der Nichtannahme des Briefes brachte, ihr in Zukunft eine Warnung sein wird.

      Ich war gar nicht sehr erstaunt, daß sie diesen Brief nicht annehmen wollte, den ich ihr ganz einfach hinhielt; denn das wäre schon ein Entgegenkommenn gewesen, und ich mache mich auf einen längeren Widerstand gefaßt. Nach diesem Versuch, der nichts als eine Probe war, legte ich meinen Brief in ein Kuvert und benutzte die Zeit ihrer Toilette, da Frau von Rosemonde und ihre Kammerjungfer anwesend waren, ihn ihr durch meinen Jäger zuzuschicken mit dem Auftrag: es sei das jenes Papier, das sie von mir verlangt hätte. Ich riet ganz richtig, daß sie die etwas skandalöse Auseinandersetzung fürchten mußte, die ein Refus mit sich bringen würde: – sie nahm also den Brief, und mein Bote, der ihr Gesicht genau zu beobachten hatte – und er sieht nicht schlecht – bemerkte nur eine leichte Röte und mehr Verlegenheit als Zorn.

      Ich war meiner Sache nun sicher. Denn entweder mußte sie den Brief behalten oder wenn sie ihn mir zurückgeben wollte, mußte sie einen Moment des Alleinseins mit mir wählen, was eine Gelegenheit mit ihr zu sprechen war. Nach ungefähr einer Stunde kommt einer ihrer Leute zu mir und überreicht mir ein Kuvert ganz anderer Form als jenes, das meinen Brief enthielt, und ich erkenne darauf die ersehnte Handschrift. Ich öffne schnell... es war mein eigener Brief, der gar nicht geöffnet, sondern nur gefaltet worden war – ein diabolischer Streich.

      Sie kennen mich. Ich brauche Ihnen meine Wut nicht zu beschreiben. Aber kaltes Blut war nötig und ein neues Mittel. Ich fand dieses einzige.

      Man holt von hier jeden Morgen die Briefe von der Post, die ungefähr dreiviertel Stunden von hier entfernt ist, und braucht dazu eine Art Büchse, zu der der Postmeister einen Schlüssel hat und Frau von Rosemonde den anderen. Jeder tut tagsüber seine Briefe da hinein, abends werden sie auf die Post getragen und des Morgens holt man die angekommenen. Die Leute besorgen abwechselnd den Dienst. Es war nicht die Reihe an meinem Diener, aber er übernahm ihn, da er ohnedies in der Gegend zu tun hätte.

      Ich schrieb also meinen Brief, verstellte auch die Adresse, verstellte meine Handschrift und machte ziemlich geschickt den Stempel von Dijon nach. Ich wählte Dijon, weil es mir Spaß machte, aus derselben Stadt zu schreiben wie ihr Mann, da ich dieselben Rechte bei ihr beanspruchte wie er, und weil meine Schöne den ganzen Tag von dem Wunsch gesprochen hatte, Nachrichten aus Dijon zu bekommen. Es war doch nur recht, daß ich ihr diese Freude verschaffte.

      Nun war es leicht, diesen Brief zu den anderen zu geben. Ich gewann bei diesem Arrangement noch, daß ich Zeuge des Empfanges sein konnte, denn es ist hier der Brauch, daß alle zum Frühstück beisammen sind und die Ankunft der Post erwarten, ehe jedes seine Wege geht. Die Post kam endlich.

      Frau von Rosemonde öffnet die Büchse. – »Von Dijon!« und sie gab Frau von Tourvel den Brief. »Das ist nicht die Handschrift meines Mannes,« sagte sie in etwas besorgtem Tone und brach schnell das Siegel auf. Der erste Blick sagte ihr alles und gleichzeitig kam eine solche Veränderung über ihr Gesicht, daß Frau von Rosemonde es bemerkte und sagte: »Was haben Sie denn?« Ich trat ebenfalls näher und meinte: »Dieser Brief ist wohl sehr schlimm?« Die schüchterne Nonne wagte nicht die Augen aufzuschlagen, sprach kein Wort und suchte sich damit über ihre Verlegenheit zu helfen, daß sie so tat, als durchflöge sie den Brief, den sie zu lesen nicht fähig war. Ich genoß ihre Verlegenheit und sagte nicht ohne Vergnügen: »Ihr etwas ruhigeres Aussehen läßt mich hoffen, daß der Brief Ihnen doch nur mehr Erstaunen als Schmerz bereitet hat.« Der Zorn beriet sie in diesem Moment besser als es die Klugheit hätte tun können. »Er enthält Dinge,« antwortete sie, »die mich beleidigen und über die ich erstaunt bin, daß man sie mir zu schreiben gewagt hat.« »Ja, wer denn?« fragte Frau von Rosemonde. »Er ist nicht unterzeichnet,« antwortete die schöne Stolze, »aber der Brief verursacht mir die gleiche Verachtung wie sein Schreiber. Sie würden mich verbinden, wenn Sie nicht weiter davon sprächen.« Und da zerriß sie das verwegene Schriftstück, steckte die Fetzchen in die Tasche, stand auf und ging.

      Bei allem Zorn – sie hat doch meinen Brief gehabt, und ich halte etwas auf diese Neugierde, die ihr riet, den ganzen Brief zu lesen.

      Die Einzelheiten des Tages zu schildern, würde mich zu weit führen. Ich füge diesem die Konzepte meiner beiden anderen Briefe bei, die Sie genau von allem unterrichten werden. Wenn Sie in dieser Korrespondenz auf dem Laufenden bleiben wollen, müssen Sie sich schon die Mühe geben, meine Minuten zu entziffern, denn um nichts in der Welt könnte ich die Langeweile hinunterwürgen, sie abzuschreiben. Adieu, meine schöne Freundin.

      Schloß . . ., den 25. August 17..

      C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\Img476.jpgFünfunddreißigster Brief

      Der Vicomte von Valmont an die Frau von Tourvel.

      Man muß Ihnen gehorchen, gnädige Frau. Man muß Ihnen beweisen, daß bei allem Üblen, das Sie in mir zu glauben sich gefallen, mir doch genug Zartgefühl übrig bleibt, daß ich mir keinen Vorwurf erlaube, und genug Mut, daß ich mir die schmerzlichsten Opfer auferlege. Sie befehlen mir Schweigen und Vergessen – gut. Ich werde meine Liebe zum Schweigen zwingen, und werde, wenn es möglich ist, die grausame Art, mit der Sie meine Liebe aufnahmen, vergessen. Ohne Zweifel gab mir das Verlangen, Ihnen zu gefallen, nicht auch das Recht dazu, und ich bekenne auch, daß meine bedürftige Bitte um Ihre Nachsicht kein Recht bedeutete, diese Nachsicht zu beanspruchen. Aber Sie betrachten meine Liebe als eine Beleidigung und vergessen, daß, wenn meine Liebe ein Unrecht wäre, Sie zugleich ihre Ursache und Entschuldigung sind. Sie vergessen auch, daß ich, gewöhnt, Ihnen mein Inneres zu vertrauen, auch da, wo mir dieses Vertrauen hätte schaden können, Ihnen die Gefühle, von denen ich voll war, nicht verbergen konnte – und was das Werk meines guten ehrlichen Glaubens war, betrachten Sie als ein Werk der Verwegenheit. Zum Lohn für meine aufrichtigste, zärtlichste und ehrerbietigste Liebe halten Sie mich von sich fern. Und sprechen sogar von Ihrem Haß... Wer würde sich über eine solche Behandlung nicht beklagen? Aber ich unterwerfe mich; ich leide und beklage mich nicht; Sie schlagen und ich bete an. Durch eine unbegreifliche Macht, die Sie über mich haben, sind Sie die unumschränkte Herrin meiner Gefühle; und wenn Ihnen meine Liebe allen Widerstand leistet, wenn Sie sie nicht zerstören können, so ist es, weil sie Ihr Werk ist und nicht das meine.

      Ich verlange keine Gegenliebe, mit der ich mir nie schmeichelte. Ich erwarte nicht einmal dieses Mitleid, das mich das Interesse, das Sie mir manchesmal zeigten, hoffen ließ. Aber Ihre Gerechtigkeit darf ich fordern.

      Ich erfahre von Ihnen, gnädige Frau, daß man versucht hat, mir in Ihrer Meinung über mich zu schaden. Wenn Sie den Ratschlägen Ihrer Freunde gefolgt wären, hätten Sie mich nicht einmal in Ihre Nähe kommen lassen, – das sind Ihre eigenen Worte. Wer sind denn diese geschäftigen Freunde? Ohne Zweifel haben diese strengen und unbeugsamen und so tugendhaften Menschen nichts dagegen, genannt zu werden und werden sich nicht in ein Dunkel verstecken, das sie mit den gewöhnlichen Verleumdern zusammenbrächte; dann blieben mir allerdings ihre Namen wie ihre Vorwürfe unbekannt. Bedenken Sie aber, gnädige Frau, daß ich ein Recht darauf habe, sowohl das eine wie das andere zu wissen, da Sie mich danach beurteilen. Man verurteilt nie einen Beschuldigten, ohne ihm sein Verbrechen zu nennen, ohne ihm seine Ankläger zu bezeichnen. Ich verlange keine andere Gnade und verpflichte mich zum voraus, mich zu rechtfertigen und meine Verleumder zu zwingen, zu widerrufen.

      Wenn ich vielleicht aus dem nichtigen Klatsch der Menge, an der mir wenig liegt, mir zu wenig gemacht habe, so halte ich das nicht auch so mit Ihrer Achtung; und wenn ich mein Leben daran setze, sie zu verdienen, so werde ich sie mir nicht ungestraft rauben lassen. Und diese Achtung wird mir um so wertvoller, als ich ihr ohne Zweifel diese Bitte, die Sie an mich zu stellen fürchten, verdanken werde, und die mir, wie Sie sagen, ein »Recht auf

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