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Gefährliche Liebschaften. Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos
Читать онлайн.Название Gefährliche Liebschaften
Год выпуска 0
isbn 9783753190075
Автор произведения Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ach über unsere Schwäche! Und wie groß die Macht der Umstände, wenn selbst ich meine Pläne vergessend, in die Gefahr komme, durch einen verfrühten Sieg den Reiz eines langen Kampfes und die Details einer mühsamen Eroberung zu verlieren, wenn ich wie ein von der Sehnsucht genarrter Jüngling dem Sieger über Frau von Tourvel als Preis seiner Arbeit nichts sonst als diese Banalität gegeben hätte, eine Frau mehr besessen zu haben! Ja, sie soll sich ergeben, aber sie soll dagegen kämpfen; ohne die Kraft des Siegens zu besitzen, muß sie doch die des Widerstandes haben; sie soll reichlich das Gefühl ihrer Schwäche genießen und selbst ihre Niederlage gestehen. Der gemeine Wilddieb soll den überraschten Hirsch aus der Sicherheit des Hinterhaltes töten, aber der wahre Jäger muß ihn forcieren. Der Plan ist groß gedacht, nicht wahr? Aber ich würde jetzt vielleicht bedauern können, ihm nicht gefolgt zu sein, ohne den Zufall, der meiner Vorsicht zu Hilfe kam. Wir hörten ein Geräusch. Jemand trat in den Salon. Erschreckt erhob sich Frau von Tourvel, nahm einen Leuchter und ging hinaus. Ich mußte es geschehen lassen. Es war nur ein Diener gewesen. Sobald ich dessen gewiß war, folgte ich ihr. Kaum hatte ich einige Schritte gemacht, als sie, weil sie mich erkannte oder aus einem unbestimmten Gefühl des Schreckens, ihre Schritte beschleunigte und mehr laufend als gehend in ihr Zimmer stürzte, dessen Türe sie ins Schloß fallen ließ. Der Schlüssel steckte von innen. Ich hütete mich wohl zu klopfen, womit ich ihr die Gelegenheit eines allzu leichten Widerstandes gegeben hätte. Es kam mir die ebenso einfache als glückliche Idee, durchs Schlüsselloch zu schauen, und ich sah tatsächlich diese entzückende Frau auf den Knien liegen, in Tränen aufgelöst inbrünstig beten. Zu welchem Gott wohl? Gibt es einen stark genug gegen die Liebe? Umsonst suchte sie fremde Hilfe; denn ich bin es jetzt, der ihr Schicksal bestimmt.
Ich glaubte, es sei genug für einen Tag und zog mich in meine Zimmer zurück, um Ihnen zu schreiben. Ich hoffte, Frau von Tourvel beim Abendessen zu treffen, aber sie ließ sagen, daß sie sich nicht wohl fühle und daß sie zu Bett gegangen sei.
Frau von Rosemonde wollte zu ihr hinauf, aber die maliziöse Kranke schützte Kopfschmerzen vor, die ihr nicht erlaubten, jemanden zu sehen. Sie können sich denken, daß der Abend kurz war, und daß ich auch meine Kopfschmerzen vorgab.
Ich schrieb ihr einen langen Brief, in dem ich mich über ihre Grausamkeit beklagte, und legte mich schlafen mit dem Vorsatz, ihr den Brief morgen früh zu geben. Ich habe schlecht geschlafen, wie Sie aus dem Datum des Briefes sehen. Früh las ich den Brief noch einmal durch und fand ihn schlecht: mehr Leidenschaft darin als Liebe, mehr üble Laune als Traurigkeit. Ich werde ihn noch einmal schreiben müssen, aber mit mehr Ruhe.
Ich merke, daß es Tag wird, ich hoffe von der Frische des Morgens den Schlaf. Ich will wieder zu Bett gehen, und wie groß auch immer die Macht, die diese Frau über mich hat, sein möge, ich verspreche Ihnen, mich nicht so ganz mit ihr zu beschäftigen, als daß mir nicht Zeit übrig bliebe, viel an Sie zu denken.
Adieu, meine schöne Freundin.
Schloß . . ., den 21. August 17.., 4 Uhr früh.
Vierundzwanzigster Brief
Der Vicomte von Valmont an die Frau von Tourvel.
Ach, gnädige Frau, aus Barmherzigkeit besänftigen Sie den Aufruhr meines Herzens; seien Sie gnädig, und sagen Sie mir, was ich zu hoffen oder zu fürchten habe. Die Ungewißheit ist ein grausames Los, so zwischen Glück und Unglück gestellt. Warum habe ich es Ihnen auch gesagt! Warum konnte ich dem zwingenden Zauber nicht widerstehen, der Ihnen meine Gedanken preisgab! Zufrieden damit, Sie schweigend anzubeten, freute ich mich wenigstens an meiner Liebe, und dieses glücklich reine Gefühl, das noch nicht das Bild Ihres Schmerzes verwirrte, war Glücks genug. Aber nun ist diese Quelle des Glückes eine der Verzweiflung geworden, seitdem ich Ihre Tränen fließen sah, seit ich dieses grausame »Ach! ich Unglückliche« gehört habe. Gnädige Frau, diese Worte werden noch lange in meinem Herzen sein! Durch welches Verhängnis kann Ihnen das zarteste aller Gefühle nur Entsetzen einflößen? Und worin besteht denn diese Furcht? Ach, es ist nicht jene, die man teilt, denn Ihr Herz, das ich schlecht kannte, ist nicht für die Liebe geschaffen, und nur das meine, das Sie immer verleumdeten, ist es allein, das empfinden kann – das Ihre kennt selbst das Mitleid nicht.
Wäre das nicht so, Sie hätten dem Unglücklichen, der Ihnen sein Leid klagte, nicht das Wort des Trostes versagt, sich nicht seinen Blicken entzogen, der keine andere Freude kennt als die, Sie zu sehen. Sie hätten nicht ein so grausames Spiel mit seinem Kummer gespielt, indem Sie ihm sagen ließen, Sie wären krank, ohne ihm zu erlauben, sich über Ihr Befinden zu erkundigen. Sie hätten in derselben Nacht, die für Sie nur zwölf Ruhestunden bedeuteten, gefühlt, daß sie für mich eine Ewigkeit der Schmerzen sein müßte. Wodurch, sagen Sie, habe ich diese trostlose Strenge verdient? Ich fürchte mich nicht davor, Sie zum Richter anzurufen – was habe ich getan? Was anderes als dem stärkeren Gefühle nachgegeben, das Ihre Schönheit entflammt hat und das Ihre Tugend rechtfertigt, das immer die Hochachtung zurückgehalten hat, und dessen unschuldiges Geständnis aus dem Vertrauen und nicht aus der Hoffnung kam? Werden Sie nun dieses Vertrauen mißbrauchen, das Sie selbst zu erlauben schienen und dem ich mich ohne Rückhalt hingab? Nein, ich kann es nicht glauben; denn das hieße Unrechtes an Ihnen entdecken, und der bloße Gedanke, an Ihnen Unrechtes zu suchen, widerstrebt meinem Herzen – ich nehme alle meine Vorwürfe zurück, die ich wohl schreiben, aber nicht denken konnte. Lassen Sie mich daran glauben, daß Sie vollkommen sind – es ist die einzige Freude, die mir bleibt. Und beweisen Sie es mir, indem Sie mir Ihre großmütige Gnade schenken.
Ich will Sie nicht täuschen. Es wird Ihnen nicht gelingen, mich von meiner Liebe abzubringen. Aber Sie werden mich lehren, sie zu mäßigen, indem Sie meine Schritte lenken, meine Worte leiten, und mich damit wenigstens vor diesem Unglück bewahren sollen, Ihnen zu mißfallen. Nehmen Sie mir wenigstens diese verzweifelte Angst, sagen Sie mir, daß Sie mir verzeihen, daß Sie mich bedauern,