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I. Die Bio-Ökonomie - Die nachhaltige Nischenstrategie des Menschen. Hans-Günter Wagner
Читать онлайн.Название I. Die Bio-Ökonomie - Die nachhaltige Nischenstrategie des Menschen
Год выпуска 0
isbn 9783844252835
Автор произведения Hans-Günter Wagner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In der Jägergesellschaft entwickelt sich gleichzeitig mit der männlichen Jagdideologie die Grundvoraussetzung für eine gewaltsame Beziehung des Menschen zur Natur. Nach Maria Mies hat der patriarchalische Mythos vom Mann-dem-Jäger folgende Gesichtspunkte:
Hauptwerkzeuge des Jägers sind keine Instrumente zur Erzeugung, sondern zur Vernichtung von Leben, die zudem alle auch als Zwangsmittel gegen Mitmenschen eingesetzt werden können.
Die Macht des Jägers über andere Lebewesen ist eine räuberische und ausbeuterische Beziehung, eine antagonistische, aber keine reziproke Beziehung. Jäger eignen sich Leben an, können selbst jedoch kein Leben produzieren.
„Die durch Waffen vermittelte Objektbeziehung ermöglicht ein Herrschaftsverhältnis zwischen Jäger und Natur und steht im Gegensatz zum kooperativen Prinzip der Sammlerinnen. Dieses Herrschaftsverhältnis wurde schließlich zum integralen Bestandteil aller Produktionsverhältnisse, die von Männern errichtet wurden, und zum ausschlaggebenden Paradigma ihrer Produktivität. Ohne Herrschaft und Kontrolle über die Natur und Menschen können Männer sich selbst nicht als produktiv verstehen.”[140]
Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen[141], haben sich die Lebensbedingungen heute noch lebender Jägergesellschaften unter dem Einfluss der modernen Welt via Einführung der Geldwirtschaft stark verändert. Am Beispiel der Eskimos lässt sich dieses Ineinandergreifen unterschiedlicher Nischenstrategien anschaulich studieren. Die Eskimos sind heute nicht mehr ausschließlich auf die Jagd zur Nahrungsbeschaffung angewiesen. Importierte Energie in Form von Munition und Brennstoffen tritt an die Stelle der Nahrungsbeschaffung mit Speer oder Harpune sowie die Abhängigkeit von tierischem Talg und Fett. William Kemp beschreibt in seiner Untersuchung über die Energietransformationen der Eskimo-Gesellschaft, dass durch die Möglichkeiten importierte Nahrung und andere Lebensgüter zu erwerben, die früher periodisch wiederkehrenden Hungersnöte ausbleiben und die Wärmeversorgung sich in der rauen arktischen Umgebung verbessert. Allerdings hat sich durch die Einführung fremder Technologie, Energie und auch Weltanschauung das soziale Zusammenleben der Eskimos beträchtlich verändert. Vertrauen in moderne Technik ersetzt nun den Glauben an die überlieferten magischen Jagdrituale:
„In ihren Ritualen erkannten die Eskimos die Labilität des arktischen Ökosystems an und trachteten danach, auf Gegenseitigkeit gegründete Beziehungen mit den Tieren zu unterhalten, die sie der Nahrung wegen jagten (...) Heute ist die rituelle Kontrolle der Naturkräfte und Nahrungsreserven fast vollständig verschwunden; moderne Technik gilt als Hauptquelle guten Lebens.”[142]
Durch das Eindringen von Elementen einer anderen Wirtschaftsform wird das ökologische Gleichgewicht, in dem die Eskimo-Jäger mit ihrer Umwelt lebten, gefährdet, wenn nicht völlig zerstört. Moderne Waffen und Schießtechniken führen zur Überjagung der Tierbestände; der traditionelle Glaube an die Seele der Tiere, die der Eskimo stets zu besänftigen trachtete, droht völlig verloren zu gehen. So bricht äußere Dynamik eine im Kern selbstgenügsame und stationäre Wirtschaftsweise auf.
2. Die Nischenstrategie der frühen Ackerbaukulturen, Hirtenvölker und Viehzüchter: Energetische Transformation und zunehmende Differenzierung
Vor fast 10.000 Jahren entwickeln sich die ersten Ansätze landwirtschaftlicher Kultur. Zuvor hatten sich bereits Gesellschaften mit soziokulturellen Merkmalen und der Fähigkeit zu schreiben gebildet. Erste Spuren landwirtschaftlicher Bodennutzung finden sich in Jericho um 7.000 v. Chr. Frühe Formen von Landwirtschaft finden sich auch in den Nil-Ebenen und an der Südseite des kaspischen Meeres. Einige Funde lassen hier Nutztierhaltung erkennen. Die Anfänge des Ackerbaus in Mittelamerika liegen ebenfalls in dieser Zeit. Allerdings setzte sich die sesshafte Lebensweise hier aufgrund des Fehlens wilder Getreidesorten vermutlich erst viel später durch. Auch das Fehlen von Zugtieren hat in Südamerika die Herausbildung entwickelter Ackerbaukulturen verzögert.[143] Immer mehr Energie fließt nun in die landwirtschaftliche Produktion. Die Weltbevölkerung damals kann auf ca. 5 Millionen Menschen geschätzt werden.[144] Mit dem Ackerbau schlagen die Menschen die Strategie der Nischenspezialisierung ein. Die wachsende menschliche Kontrolle über die natürliche Lebensumwelt markiert den eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation. Nach Auffassung des Anthropologen Richard Thurnwald haben die Frauen als erste mit dem Feldbau begonnen.[145] In der besonderen Beziehung der Frauen zur Natur manifestiert sich das lebensspendende weibliche Prinzip. Im Gegensatz zum auf Vernichtung zielendem Jagdverhalten sehen die Frauen im Wissen um ihre Fruchtbarkeit den eigenen Körper als produktiv an, wie sie auch die äußere Natur als Leben schaffend verstehen. Sie verfügen aber weder über ihren Körper noch über die Natur als kommandierende Besitzerinnen, sie kooperieren vielmehr mit beiden, um Dinge wachsen zu lassen und zum Wachsen zu bringen: „Als Produzentinnen neuen Lebens waren sie (die Frauen - Anm. d. Verf.) auch die ersten Subsistenzproduzentinnen, die Erfinderinnen der ersten Produktionswirtschaft, was von Anfang an auch soziale Produktion war und die Schaffung sozialer Beziehungen beinhaltete, das heißt sie waren Schöpferinnen von Gesellschaft und Geschichte.”[146]
Je mehr die Bedeutung der Feldarbeit zunimmt, desto mehr wächst die Mitarbeit der Männer, und die Jagdaktivitäten gehen zurück. Die ersten Rodungen werden mit primitiven Werkzeugen ausgeführt. Die Ernteerträge sind kläglich. Brandrodungen dürften am Anfang gestanden haben. Zugtiere und Düngemittel kamen erst später auf. Oft wurden die Böden nach kurzer Rodung wieder aufgegeben und anderen Ortes neu gerodet. Später entwickelten sich sesshaftere Formen. Bedingt durch die Ansiedlung kommt es zum Rückgang von Kinder- und Altenmord, da nun den Nahrungsquellen nicht mehr ständig gefolgt werden muss. Der Ackerbau benötigt nur einen Bruchteil der Fläche, die früher zur Ernährung durch Jagen, Fischen und Sammeln erforderlich war. Die Welt des Ackerbaus ist die Welt ausgedehnter Zeit, einer Zeit, in der man imstande ist, gegenwärtige Handlungen auf zukünftige Ziele und Belohnungen hin auszurichten: „Impulsive Reaktionen zu verlangsamen und zu beherrschen, die Fähigkeit, instinktive, körpergebundene Handlungen und typhonische Magie aufzuschieben, zu kanalisieren, sublimieren und auszuschalten - das gehört zur erweiterten Welt des Ackerbauern.”[147] Der Ackerbau wird zur Wachstumserfahrung und Lebensversicherung zugleich. Begonnen als vorbeugende Maßnahme gegen drohenden Hunger, fördert er bald die differenzierte Sprachentwicklung und die Entstehung eines mentalen Ich, im Unterschied zur Jagd, die lediglich den Bestand des Körper-Ich sicherte. Doch auch das Körper-Ich ist den Unbilden der äußeren Natur jetzt nicht länger schutzlos ausgeliefert. Feste Behausungen fungieren als Festungen und Schutzräume nun als weniger empfindlich und verletzbar wahrgenommener Leiblichkeit. Durch den Bau dauerhafter Behausungen spüren die Menschen einerseits die energetischen Potentiale kooperativer Arbeit