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Fulcher von Fabeln - TOD IN ELBING. Thomas Friedrich Sänze
Читать онлайн.Название Fulcher von Fabeln - TOD IN ELBING
Год выпуска 0
isbn 9783737514514
Автор произведения Thomas Friedrich Sänze
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Dadurch, dass die Gillinghams in ihrem Wesen so grundverschieden waren, ergänzten sie sich gegenseitig hervorragend. War Karl die Sonne, so war sein Bruder der Schatten, der Karl in den Augen der Welt nur umso heller erstrahlen ließ. Als er mich sah, machte er ein ernstes Gesicht. Das war ungewöhnlich. Normalerweise lächelte er ständig. Als er mich zur Seite nahm, konnte ich mir schon denken, worum es ging. Ich warf Albertus einen giftigen Blick zu, den dieser geflissentlich ignorierte.
„Bruder Albertus hat sich über dich beschwert.“
Ich tat als könne ich kein Wässerchen trüben.
„Ach?“
„Ja! Er behauptet, du würdest unchristliche und ketzerische Reden schwingen!“
„Nein!?“
Niemand hätte erstaunter tun können als ich.
„Doch!“, meinte Karl.
Mich bei den Ordensoberen anschwärzen! Offenbar hatte ich die Gemeinheit des alten Schmierfinks gewaltig unterschätzt. Das würde ich ihm noch heimzahlen.
„Ist mir ein Rätsel, wie Albertus auf so etwas kommt!“
Karl war das ganz unangenehm.
„Du weißt Fulcher, dass ich so etwas untersuchen muss! Falls sich herausstellt, dass an den Vorwürfen etwas dran ist, kann dies ernste Konsequenzen nach sich ziehen!“
Diese Drohung war natürlich vollkommen lächerlich, und wir beide wussten es. Selbst wenn ich öffentlich auf dem Elbinger Marktplatz alle sieben Todsünden nacheinander begänge, gäbe es keine Konsequenzen. Der Deutsche Ritterorden war ein zusammengewürfelter Haufen wüster und fragwürdiger Gestalten. Was daran lag, dass keiner große Lust verspürte, irgendwo am Arsch der christlichen Welt in ständigen Kleinkriegen gegen heidnische Hungerleider sein Leben zu riskieren. Vor allem, da es an vielen anderen Orten weitaus lukrativere Kriege gab. Deshalb wurden die Rekrutierungsanforderungen des Ordens so tief gehängt, dass sogar die schlimmsten Kriminellen problemlos bei uns aufgenommen wurden.
„Du verschwendest nur deine Zeit, Karl! Albertus ist in einem gewissen Alter. Da verlassen einen schon hin und wieder die Sinne und man fängt an, sich Dinge einzubilden die es gar nicht gibt!“
„Seltsam! Auf mich machte er einen recht klaren Eindruck!“
„Das täuscht! Der arme wirre Kerl macht sich wohl Sorgen, dass ich ihn wegen seiner zunehmenden Senilität aus dem Skriptorium hinauswerfe! Du weißt, wie viel ihm diese Arbeit bedeutet!“
„Natürlich!“
Karl nickte verständnisvoll.
„Ich war wohl etwas zu streng mit ihm! Aber dass er deswegen gleich haltlose Anschuldigungen gegen mich ausstößt, schockiert mich doch!“
Voller Mitgefühl ob dieser menschlichen Schlechtigkeit legte Karl mir tröstend die Hand auf die Schulter.
„Versuch bitte in Zukunft, ihn weniger hart anzupacken. Er ist ein hilfloser, gebrechlicher, alter Mann.“
Hilfloser, gebrechlicher, alter Mann? Von wegen!
„Das werde ich!“
Diese Lüge ging mir glatt von der Zunge. Karl war zufriedengestellt, auch wenn er mir vermutlich kein Wort glaubte und schlenderte gelassen zu seinem Bruder Paul, der am Eingang der Kapelle auf ihn gewartet hatte. Ich folgte ihnen mit zusammengebissenen Zähnen zum Gebet und nahm mir vor, Albertus in Zukunft genau im Auge zu behalten, denn einer der mit zwanzig Worten sagt, was er auch mit zehn hätte sagen können, der war auch zu allen anderen weltlichen Schlechtigkeiten fähig. Was für ein Tag! Ich brauchte unbedingt dringend einen Vollrausch.
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