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hinterher großzügige Geldmittel zugeflossen und man munkelte hinter vorgehaltener Hand, dass sich die Hingerichteten für die Brüder Kwang geopfert hätten und als Täter nur gestanden hatten, weil sie sicher sein konnten, dass sie nach ihrer Glaubenslehre ohnehin so schneller in ein glorreiches Leben überwechseln würden und das weitere irdische Leben ihrer Hinterbliebenen finanziell gesichert war. Was wollten sie mehr, die als kleine Ganoven bisher armselig und nur mehr schlecht als recht ihre Familien hatten ernähren können.

      Nachweisen allerdings konnte man den Brüdern Kwang nie irgendeinen Zusammenhang mit diesen wundersamen Geldsegen.

      Chiang fuhr fort: tatsächliche Hintermänner der weltweiten Operationen in dem Fall, in dem Wong ermittelte, sind allerdings nicht die Brüder Kwang, das wusste man heute sicher. Auch die wurden und werden mehr oder weniger nur als Kuriere benutzt, wegen deren exzellenten Verbindungen und Kontakten, deren Verstecken und lokalen Überlegenheiten. Die Spur führte vielmehr an einen Ort, an dem sich eine gewisse A-Sekte niedergelassen hatte, danach endet alles.

      Da die Verbindungen auch zu einem Ableger dieser Sekte in Deutschland führten, dem dortigen ‘Hauptquartier’ und da in deren unmittelbarer Umgebung Anfang des Jahres mehrere Morde passiert waren, von denen einer einen vierundzwanzigjährigen Deutschen betraf, der für den englischen MI-6 recherchiert hatte und dessen Spur bis zu dem Örtchen Sommertal bei Osnabrück geführt hatte, war D.H. Wong eingesetzt worden, um die den Engländern wichtigen Informationen zu beschaffen und die Verknüpfungen zu China herauszubekommen.

      Man hatte in England Ungereimtheiten und gewisse Abnormalitäten festgestellt, von denen allerdings auch über die Verknüpfung London-Hongkong nichts Genaueres zu erfahren war. Deren Spur führte jedoch über einen Londoner Geschäftsmann russischer Abstammung mit britischem Pass und über dessen weltweiten Export- und Import von Weinen schließlich auch nach Hongkong und in die chinesische Freihandelszone nördlich davon.

      In einem Nebensatz war in der seinerzeitigen Anfrage aus London erwähnt worden, dass dieser Geschäftsmann, ein gewisser Harry Smolensk, der A-Sekte in der Nähe von Southend-on-Sea eine Laboreinrichtung im Werte von drei Millionen Englischen Pfund verkauft und die hierzu notwendigen Installationen federführend geleitet hatte. Vielleicht nicht ungewöhnlich, aber vielleicht doch: die Anlage war überschlägig vom zuständigen Finanzamt berechnet worden - zur Festsetzung hierfür zu zahlender Steuern - mit dem Ergebnis, dass Smolensk die Anlage für das Dreifache des tatsächlichen Wertes verkauft hatte. Die Bezahlung erfolgte allerdings anstandslos und das in bar!

      Ein Fall von Geldwäsche oder sonstwie getarnter Bezahlung

      irgendwelcher illegaler Dienste oder Warentransfers?

      Die A-Sekte, setzt Chiang fort, zieht sich wie ein roter Faden durch eine Reihe weiterer Aktivitäten, die man aufgrund der gefundenen Verflechtungen näher untersucht hat, und tatsächlich auch dieser Sekte zuordnen konnte, obwohl vordergründig ganz andere schienen dahinterzustecken.

      Die erste Vermutung und die daraufhin veranlasste Recherche, dass es sich um großangelegte, weltweit organisierte Drogenherstellung, deren Veredelung und Vertrieb handeln könnte, verlief ergebnislos. Bis auf offensichtlich für den

      Privatkonsum der Sektenmitglieder bestimmte Mengen, die bei Razzien gefunden wurden und die von LSD über Opium bis hin zu Heroin und Kokain reichten, also neben synthetischen Drogen die gesamte bekannte Palette repräsentierten, für deren Besitz und Konsum lediglich kleinere Haft- oder Geldstrafen verhängt werden konnten, war nichts gefunden worden.

      Was tatsächlich in den Labors produziert wurde und möglicherweise heute noch wird - man vermutet das größte seiner Art befindet sind im Schloss in Sommertal in der Nähe von Osnabrück - konnte man bisher nicht feststellen.

      Der Bericht geht weiter:

      Fest steht nur, und das geht aus Lieferantenlisten hervor, zu denen man sich Zugang verschaffen konnte, dass regelmäßig Styroporbehälter einer bestimmten Größe verbraucht wurden und verhältnismäßig große Mengen Kieselgur; ein Lieferant lieferte bisher nach Sommertal über eintausend Aluminiumbehälter mit Schraubverschluss, eine ungewöhnliche Größe, die eigens angefertigt werden musste, etwa vierzehn Zentimeter hoch und fünf Zentimeter im Durchmesser, im Komplettpack zusammen mit versiegelbaren Glasröhrchen, die mit einem Spielraum von etwa zwei Zentimetern in die Aluminiumbehälter passten und zusammen mit Styroporkisten, die mit entsprechenden Ausstanzungen versehen exakt zwanzig dieser Aluminiumröhrchen aufnehmen konnten. Das Aluminium war eine Speziallegierung, besonders widerstandsfähig gegen große Kälte und extreme Hitze. Das Auftragsvolumen allein für diese kompletten Behälter betrug damals eine knappe Viertelmillion. Eine Folgebestellung in gleicher Höhe war in Aussicht gestellt worden.

      Neben diesen möglicherweise unwichtigen Hinweisen ist uns weder ein Ausgangsstoff, noch ein Endprodukt bekannt, an dem in den für teures Geld angeschafften Einrichtungen laboriert worden sein könnte.

      Unser Informant vor Ort berichtete bis zum 1. Juni, seinem Todestag, von regelmäßigen nächtlichen Besuchen mit Übergabe von irgendwelchen Behältern. Die Räume, aus denen diese Behälter stammten, waren unserem Mann nicht zugänglich, da diese sämtlich im Untergeschoss unter dem existierenden Kellergeschoss lagen und durch Kennungsleser abgesichert waren, zu denen sich unser Mann keinen Zugang verschaffen konnte.

      Von den übrigen Mitgliedern der Sekte konnten überhaupt keine verwertbaren Informationen erlangt werden, es schien sich um Anhänger gehandelt zu haben, die von den Machenschaften im Tiefkeller des Gebäudekomplexes keine Ahnung hatten.

      Das dort im Keller arbeitende Personal verließ, wie unser Mann berichtete, die Räume auch ausschließlich in der Nacht beziehungsweise erschienen die Leute erst nachts. Eine vielversprechende Spur führte über ein Sektenmitglied zu einem bereits am 3. Februar Ermordeten: eine junge Frau, die offenbar wirres Zeug redete und ständig unter Drogen zu stehen schien; unser Mann hatte das, was er der Frau entlocken konnte, heimlich auf Band mitgeschnitten und uns zugesandt; diese Informationen erlangten uns allerdings erst am 14. März, einen Tag nachdem auch diese Frau unter merkwürdigen Umständen umgekommen war; angeblich hatte sie sich selber im Wald erhängt.

      Hier eine aus dem Englischen übersetzte Niederschrift dessen, was auf dem Band zu hören war:

      es war alles so dunkel - ein gleißender Erzengel fuhr zur Erde hernieder und alles strahlte in seinem Licht (Kichern) - plötzlich überall weiße Menschen - die Höllenhunde bellten in ihren Zwingern - ach, Jack du fehlst mir so, warte auf mich, ich will zu dir kommen - (tiefes Schluchzen und wimmerndes Weinen) - La, la, la, der Kindlein viele, tanzen mit dir zum Spiele, la, la, la und sind sie alle gleich, wer’n wir alle reich, la, la, la - da seh'n Sie? Eine schwarze Katze, wie sie über das Dach huscht, da oben und weg ist sie, aufgelöst in Nichts - ich weiß was, soll ich ihnen mal was erzählen? - kleine Würmchen und müssen schon so frieren ...

      Leider war es zu spät, um aufgrund dieser Informationen, die zwischen den Zeilen einige mögliche Anhaltspunkte geben, die inzwischen Verstorbene weiter und gezielt zu befragen.“

      Damit endet das Fax.

      „Daraus werd’ ich nicht schlau,” meinte Mertens, „ich hätte gerne mal das Originalband oder wenigstens eine Kopie, denn ich denke über die Stimmlage und die Intonation und so weiter könnte man sicher noch einiges mehr aus diesen scheinbar zusammenhanglosen Bruchstücken zusammenfügen, was meinen Sie?”

      „Gute Idee, wir sollten diesen Chiang jetzt anrufen, vorausgesetzt, eine der Nummern auf dem Zettel aus der Zahnbürste stimmt mit seiner Nummer überein; oder warten Sie: vielleicht besser, wir rufen doch erst diesen Hirzfeld an, der muss ja wissen, wie wir den Mr. Chiang erreichen können; ich denke, es lässt sich wohl nicht vermeiden, ein wenig mit den Tübinger Kollegen zusammenzuarbeiten!”

      *

      „Keine Rede, Herr Wendehals, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie mich gleich angerufen haben,” antwortete der Tübinger Kriminalist, der nach dem ersten Klingeln am Telefon war, „selbstverständlich werden wir uns da in ihre Zuständigkeiten nicht einmischen, der einzige Grund, warum Chiang mich angesprochen hat, war doch nur der, dass ich über meine beruflichen

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