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Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 19. Frank Hille
Читать онлайн.Название Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 19
Год выпуска 0
isbn 9783748584117
Автор произведения Frank Hille
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Fred Beyer hatte wie die anderen auch diesen Spruch so oft gehört, dass er ihn niemals vergessen würde:
"Flink wie die Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl!"
Immer mehr war ihm in der letzten Zeit bewusstgeworden, wie seine und die Erziehung der Gleichaltrigen angelegt gewesen war. Sie waren schon in der Hitlerjugend stark gefordert worden: vor allem körperlich, mit einer vergleichsweise noch geringen technischen Ausbildung und Training an Waffen, und im Sinne des Dienens für die Volksgemeinschaft. Individuelle Eigenschaften waren ihnen ausgetrieben worden, aber das hatte ihn eigentlich nicht großartig berührt. Er als Boxer war körperlich fit und es auch gewohnt, bei Märschen oder in der Geländeausbildung hart belastet zu werden. Günther Weber war genauso gut gewesen wie er, Martin Haberkorn etwas schwächer. Dieser körperliche Drill hatte zwar einen großen Teil ihrer Erziehung ausgemacht, aber war bei aller Betonung von dessen Notwendigkeit gar nicht der wichtigste Faktor gewesen. Vielmehr hatte man den jungen Männern vermittelt, dass sie als Person allein nichts zählten, sondern immer nur im Schulterschluss mit den anderen zusammen stark sein könnten. Daraus war bei Ihnen auch ohne größeren Zwang das Bewusstsein gewachsen, sich aufeinander verlassen können zu müssen.
Dieses Zusammenstehen war für eine Panzerbesatzung überlebenswichtig. Natürlich galt das auch für jeden Schützenzug, die Bedienung eines Geschützes oder eine Flugzeugbesatzung. Sie hatten nur eine Chance zu überleben, wenn sie sich spezialisierten und ihre Aufgaben bestmöglich erfüllten. Dazu kam aber noch, dass sie begreifen mussten, dass das Können eines Einzelnen zwar grundwichtig war, aber eben nur dann Erfolg brachte, wenn alle gleichsam gut waren. Lahmann könnte noch so gut visieren, wenn Häber nicht schnell genug nachladen würde wäre es nutzlos. Fred Beyer musste mit den Männern nicht darüber reden, sie hatten diese Einsicht in den vielen vorherigen Gefechten selbst gewonnen. Zusammen mit dem modernen „Panther“ waren sie ein gefährlicher Gegner für den Feind, aber sie ahnten immer mehr, dass sie trotz des starken Panzers und ihres Könnens zunehmend noch mehr in die Defensive geraten würden. Die Zweckbestimmung eines Kampfpanzers, den Angriff als Wegbereiter für die Infanterie voranzutreiben, war keineswegs verlorengegangen, aber die Gewichte hatten sich auf der deutschen Seite immer mehr zu den Sturmgeschützen hin verschoben. Diese Kampffahrzeuge waren deutlich günstiger herzustellen und waren Defensivwaffen. Ganz augenscheinlich strahlte dies auf die Möglichkeiten der aktuellen deutschen Kriegsführung aus und zeigte die erschreckende Begrenztheit im materiellen Bereich. Wer sich die Entwicklung des realen Bestandes an Kampfwagen mit Turm und ohne ganz unvoreingenommen ansah konnte nur zu dem Schluss kommen, dass es nunmehr um eine vorrangig defensive Kriegsführung ging.
Fred Beyer hatte in den vergangenen Jahren eine Art von Vorausdenken über die kommenden Ereignisse und die militärische Lage entwickelt. Kurz vor Ende März waren die Sowjets über den Dnestr gegangen und damit in Rumänien einmarschiert. Erstmalig hatte die Rote Armee damit das Territorium eines fremden Landes betreten, und auch noch das eines verfeindeten Staates. Beyer ging davon aus, dass die Rumänen nicht mehr lange als Bündnispartner des Dritten Reiches bereitstehen würden. Vieles sprach dafür, dass sich das Land recht bereitwillig aus der einstigen Partnerschaft mit Deutschland zurückziehen würde. Eine Beziehung auf gleicher Augenhöhe war es nie gewesen, schon allein das Potential der Deutschen war gegenüber den Rumänen erdrückend gewesen. So hatte sich auch das bisherige politische und militärische Zusammengehen gestaltet, der Bündnispartner war in keinem Augenblick als gleichwertig angesehen worden. Vielmehr hatten die Deutschen die rumänischen Truppen mehr als Hilfskräfte angesehen, deren kämpferischer Wert nicht hoch war. Abgesehen von einigen Waffenlieferungen war man davon ausgegangen, die unmotivierten Soldaten vor allem als Füll- und Verbrauchsmasse an den langen Fronten einzusetzen. Die rumänischen Einheiten hatten dies sehr schnell verstanden und in den Operationen selbst erlebt und demzufolge war ihr Widerstand gegen die vorrückenden Russen ausgesprochen gering gewesen. Da sie jetzt auf das eigene Territorium gedrängt worden waren kam es nicht unerwartet zu den ersten Fällen von Desertationen. Für Beyer stand fest, dass sich diese Tendenz noch beschleunigen würde, je weiter die Sowjets in das Land vordringen würden. Dass sie nicht mehr aufgehalten werden konnten war für ihn eine klare Sache. Wenigstens war es der bei Kamenez-Podolski eingeschlossenen 1. Panzerarmee gelungen, als "wandernder Kessel" nach Westen abzurücken und am 7. April hatten deutsche Truppen die Einschließung von außen aufbrechen können, so dass der Großverband wieder in die Abwehrfront eingegliedert werden konnte.
Das konnte man als örtlichen Erfolg verstehen, aber es war bekannt geworden, dass für diese Operation extra Kräfte aus Frankreich, Deutschland, Ungarn und Jugoslawien abgezogen worden waren. Beyer kam das sinnbildlich wie das Märchen vom Hasen und dem Igel vor. Wann immer auch der Hase am Ende der Rennstrecke ankam, der Igel war bereits da. Schließlich hatte sich der Hase so verausgabt, dass er vor Erschöpfung tot umfiel. Die Rennstrecke für den Hasen hatte zwei Endpunkte gehabt. In diesem militärischen Fall lagen sie im Westteil des Reiches, und an der Ostfront. Wie auch immer deutsche Truppen verschoben werden würden, es war abzusehen, dass zunehmend noch mehr Transporte zwischen West und Ost und umgekehrt stattfinden müssten, um Löcher in den Verteidigungssystemen zu stopfen. Wie selbstverständlich dachte Beyer schon gar nicht mehr an ein nochmaliges offensives Vorgehen der deutschen Streitkräfte, diese Zeiten waren endgültig vorbei. "Zitadelle" hatte dem Russlandfeldzug den Rest gegeben, jetzt ging es nur noch rückwärts. Er wusste aber auch, dass der Krieg im Osten schon 1941 vor Moskau verloren gegangen war, denn keines der strategischen Ziele war damals erreicht worden. Aber im Rausch der nach diesem Schock folgenden erneuten und durchaus erfolgreichen Vorstöße der Wehrmacht war verdrängt oder nicht erkannt worden, dass der riesige Rückzugsraum im Osten für den Gegner alles bereithielt, um den Kampf fortzusetzen: Bodenschätze, verlagerte Fabriken, potentielle Soldaten. Für die Sowjets war es kein Problem, Teile des riesigen Landes scheinbar dem Feind preiszugeben und diesem den weiteren Vormarsch schmackhaft zu machen. Was Hitler und auch Teile der deutschen Generalität als Zeichen der Schwäche erschienen war stellte sich aber bald als gelungener Schachzug der Sowjets heraus. Die deutschen Nachschublinien wurden gnadenlos überdehnt, die geschwächten Truppen mit ihren desolaten Grabenstärken und der stets nicht ausreichend vorhandenen Militärtechnik hatten Fronten zu halten, deren enorme Länge sie vollkommen überforderten. Man musste kein Prophet sein um vorauszusehen, dass die Eröffnung einer Front im Westen durch die Briten und Amerikaner nur noch eine Frage der Zeit war. Dann würde das Pingpong zwischen Ost- und Westfront nicht mehr beherrschbare Formen annehmen, zumal die Luftüberlegenheit der Alliierten Transporte immer schwieriger werden ließ. Auch die Russen hatten in der Luft gewaltig zugelegt, und das nicht nur in der Quantität. Die modernen Jäger waren jetzt ernsthafte Gegner der Messerschmidt und Focke-Wulf geworden.
Obwohl die 1. Panzerarmee noch einmal aus der Umklammerung der Sowjets hatte entkommen können, war der Gegner seinerseits an verschiedenen Abschnitten 80 bis 350 Kilometer nach Westen und Süden vorangekommen. Entscheidend war aber, dass durch diese Vorstöße die deutsche Ostfront in zwei Teile entlang der Karpaten zerschnitten worden war. Ob diese jemals wieder zusammengefügt werden könnten durfte bezweifelt werden.
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