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die, so wie es aussieht, vor allem aus der grundsätzlich neuen Organisation herrühren. Das heißt, dass vermutlich noch einige Zeit vergehen wird, bis Ihre Abkommandierung Sinn macht. Der BdU hat den Flottillenchefs empfohlen, die für die Erprobung der Boote vorgesehenen Kommandanten selbstverständlich weiter in den Dienstbetrieb einzugliedern aber eigenständig zu entscheiden, ob dieser an Bord oder an Land geleistet werden soll. In dieser Angelegenheit, Herr Oberleutnant, lasse ich Ihnen freie Hand. Sagen Sie mir morgen Bescheid, wie Sie sich entschieden haben. Egal wie Ihre Antwort lautet, ich werde sie in jedem Fall verstehen und akzeptieren können.“

      Der Kapitän hatte Haberkorn eine Art Handbuch mit technischen Daten über den neuen Typ mitgegeben und ihm nur gesagt, dass er ja wüsste, wie vertrauliche Unterlagen zu behandeln wären. Haberkorn war sich klar, dass er innerhalb einer kurzen Frist eine Entscheidung zu treffen hatte, die ihn in einen tiefen Konflikt zwischen logischen Überlegungen und seinem Pflichtgefühl bringen würde. Er musste auch in Betracht ziehen, dass es zwar primär um ihn selbst ging, er aber auch an Marie und sein ungeborenes Kind denken musste. Um die Sache doch noch etwas hinauszuschieben hatte er sich auf sein Bett in der Unterkunft gelegt und die Akte studiert. Was er dort lesen konnte war aus seiner Sicht des Technikers nichts anderes als eine bevorstehende Zeitenwende im U-Boot-Bau und –einsatz. Alle Parameter des neuen Typs stellten die Möglichkeiten der momentan einsatzbaren Boote weit in den Schatten. Ob es die rein technischen Daten waren, die schlagkräftige Bewaffnung, die Seeausdauer, die Ortungstechnik, die erstmalig auch Torpedoangriffe von getaucht fahrenden Booten aus erlauben würden, die deutlich besseren Bedingungen für die Besatzung: Haberkorn war überwältigt. Mit diesem Fahrzeug könnte man sich immer noch sicher in 300 Meter Tiefe dem Gegner entziehen, und das noch mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit. Er legte die Akte beiseite, streckte sich auf dem Bett aus und schloss die Augen. Es war jetzt gerade einmal kurz vor 20 Uhr. Er würde jetzt noch eine Weile versuchen die Dinge abzuwägen, die Für und Wider einer Entscheidung mit sich selbst beraten und dann für einen Schlummertrunk noch einmal in die Messe gehen. Er kannte sich selbst gut. Haberkorn war noch nie ein großer Zauderer gewesen, sondern schon immer sehr entschlussfreudig. Natürlich war er aufgrund seines Naturells mehr rational veranlagt, aber er gab seinen Gefühlen auch Raum. Eigentlich wusste er schon jetzt, dass ein Verwaltungsposten in der Flottille für ihn nicht in Frage kam, auch wenn es nur zeitweilig sein sollte. Das, dachte er vor allem, würde ihn in den Augen der anderen Männer, die wieder hinausmussten, zum Drückeberger stempeln, da sie die Hintergründe nicht kennen würden. Marie sollte von seiner geplanten Verwendung erst nach der Reise erfahren. Er stand auf, zog seine Uniform an und ging in die Messe.

      Er hatte einen ungünstigen Abend erwischt, denn heute Vormittag war ein Boot reingekommen. Haberkorn hatte mit am Pier gestanden und das Einlaufen des grau gestrichenen Seefahrzeuges erwartet. Als sich das Boot mit langsamer Fahrt genähert hatte war zunächst nur der Turm zu erkennen gewesen. Im Herankommen hatten sich die Konturen deutlicher herausgeschält und zeigten einen VII C-Typ mit den charakteristischen Satteltanks. Beidrehend war das Kriegsfahrzeug dann von den E-Maschinen sanft an den Kai gedrückt und festgemacht worden. Haberkorn bemerkte die Einschüsse im Turmumbau sofort, und auch die vernagelten Gesichter der Männer dort oben. Auf dem Wintergarten war die eine 2-Zentimeter-Flak zum Teil verschwunden, nur der Pivot auf der Lafette stand noch dort. Kein einziger Wimpel war aufgezogen worden: das Boot kehrte ohne Erfolg heim. Der Buschfunk hatte schon vor der Ankunft des Bootes berichtet, dass es wohl einen heftigen Kampf mit Fliegerkräften des Gegners gegeben hätte. Als eine Stelling das Boot mit dem Pier verbunden hatte fuhren zwei Sankra vor. Vier Matrosen bugsierten eine Trage über die Planken, dann folgte nochmals so eine Gruppe. Haberkorn konnte sehen, dass die auf den Tragen liegenden Männer bärtige aber tiefbleiche Gesichter hatten. Zwischen den Ihre Kameraden tragenden U-Bootmännern und den Sanitätern hatte es einen kurzen und heftigen Wortwechsel im ruppigen und aggressiven Ton von bösartigen Gossenkötern gegeben.

      „Pass doch ma gefälligst off, du quergeficktes ausgeleiertes Arschloch“ war einer der bleichen Matrosen einen Sanitäter angegangen „unser Kamerad is keen Stück Brot, das mer so eenfach in Ofn schiebt. Beim Reinschiebn gibste dir sicher och mehr Mühe, du Vogl!“

      „Haste se noch alle“ war die mit böser Stimme vorgetragene Antwort gewesen „de janze Nacht hab ick die Leute vom letzten Boot betuttelt. Vabände jewechselt, Spritzn jegebn, Händchen jehaltn, eem de Oogn zujedrückt, so als letzta Dienst sozusagn. Kannste ja jerne machn. Viel Lust zum Reinschiebn hasste dann aba nich mehr. Also, wat is?“

      „Schon jut.“

      Als die Sankras abgefahren waren war der Flottillenchef an Bord gegangen und hatte sich vor den am Oberdeck angetretenen Männern postiert. Nach der Meldung des an seiner weißen Mütze zu erkennenden Kommandanten waren ein paar Worte zu hören gewesen, aber die gesamte Prozedur hatte keine drei Minuten gedauert. Einem Außenstehenden wäre das sicher als keine angemessene Würdigung des Einsatzes dieser Männer erschienen, aber Haberkorn wusste es besser und er konnte sich die Stimmungslage der Besatzung gut vorstellen. Er selbst war beim Einlaufen immer angespannt gewesen. Das lag einerseits daran, dass die lange nervliche und körperliche Belastung während der Unternehmung nicht von einem Augenblick auf den anderen abgeschüttelt werden konnte. Zum anderen war es auch die Erkenntnis, dass die Luftwaffenhelferinnen, die Krankenschwestern, die Werftarbeiter und die Schreibstubenhengste und Stabsmitarbeiter zwar auch nicht im Paradies lebten, aber vergleichsweise geborgen und ohne größere Entbehrungen. Die Männer an Bord wussten genau, dass sie den Leuten auf dem Kai Unrecht taten die sie mit ehrlicher Freude begrüßten, aber sie konnten ihren Schutzpanzer für echte Gefühle noch nicht aufsprengen. Die meisten der Matrosen gingen von Bord um dann zu Fuß zu ihren Quartieren zu schlurfen, das wenige Bordzeug trugen sie mit sich. Die verbleibenden Leute verlegten das Boot in die Nähe der Werft. Haberkorn sah den unsicher über den Pier laufenden Gestalten mitleidig nach. In der wartenden Menge auf dem Pier war schnell bekannt geworden, dass bei einem Angriff von drei alliierten Jagdbombern zwei Männer gefallen waren. Sie waren von dem tödlichen Kugelhagel über Bord gefegt worden und konnten nicht mehr geborgen und nach altem Seemannsbruch bestattet werden. Die beiden von Bord gebrachten Verwundeten würden im Lazarett versorgt werden.

      Haberkorn würde die Männer des Bootes dann abends in der großen Hafenkneipe treffen und ahnte, dass die Racke dort wieder ausarten würde. Wahrscheinlich war es keine gute Idee dort hinzugehen, aber in seinem Zimmer würde er auch nur schlaflos wach liegen.

      „Wie mag denn der Führer gestern seinen Geburtstag gefeiert haben“ fragte Lahmann etwas provokant und breit grinsend „ob er wohl ein rauschendes Fest ausgerichtet hat?“

      „Hast du zu viele Groschenromane gelesen“ wollte Bergner wissen „so nach dem Motto, der Graf liebt die Magd? Oder haben dir die vielen Pulvergase schon dein Gehirn vernebelt?“

      „Die Frage ist doch berechtigt“ schaltet sich Friedrich ein „das Volk will doch wissen, was der Adolf gestern so getrieben hat. Sonst wird doch auch über alles berichtet. Dass er mit seinem Schäferhund spazieren war, dass er diesen oder jenen getroffen hat, dass er nur Gemüse und Säfte zu sich nimmt, und so weiter. Das würde mich schon interessieren.“

      „Du hast die Frage doch schon selbst beantwortet“ meinte Lahmann „er hat also ein Tellerchen Möhrensuppe vertilgt, dann gab es Kartoffeln mit Sauerkraut, und dazu einen leckeren Pfefferminztee.“

      „Vom Sauerkraut kriegsch immr n flotten Otto“ erklärte Häber „da muss mer aufpassn. I hab bei dr Schmiede glei draußn im Hof n Klohäusl. Da störts ooch keen, wenns stinkt.“

      „Ihr könntet ruhig mal ein bisschen respektvoller vom Führer sprechen“ spielte Beyer den Vorgesetzten „ihr hockt hier in aller Ruhe rum, macht euch einen schönen Tag und der Führer ist Tag und Nacht daran, uns zum Endsieg zu führen. Ich weiß wirklich nicht, was es schon wieder zu meckern gibt. Wir haben n Stück weiter hinten sogar eine Gulaschkanone, und der Erbseintopf war doch gar nicht so übel."

      "Ich hab mich öfter schon mal gefragt" setzte Lahmann fort "warum die Küchenbullen so auf scharf auf Erbsen sind. Das Zeug schmeckt ja eigentlich nicht schlecht, aber diese Furzerei

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