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bekam diese Frau keine Angst, nun wo sie Alvars wahre Natur kannte? Oder glaubte sie nicht an das, was in dem Buch stand? Sie war seit Jahrhunderten, der erste Mensch, der keine Gänsehaut bei meinem Namen bekam. Vielleicht hatten die Sterblichen einfach nur meinen Fehltritt vergessen?

      Ob ich ihr in ihren Träumen erscheinen sollte? Langsam reifte dieser Entschluss in mir. Irgendwie musste sie mich ja kennenlernen, damit ich mir sicher sein konnte, dass sie nicht laut schreiend vor mir davonlief. Mit geübten Handgriffen entfachte sie ein Feuer in der eingemauerten Feuerstelle. Langsam trat sie zu einem lang gestreckten Gegenstand von einigen Schritten Länge und einem Schritt Breite und legte sich auf die niedere Fläche. Obwohl das Ding ziemlich hart und unbequemen aussah, versank sie teilweise in der dunklen Oberfläche. Die Füße lagen übereinander und das Buch hatte sie in den Schoß gelegt. Nicht lange und ihre Augen fielen immer wieder zu – bis sie einschlief und ihr das Buch ins Gesicht kippte. Mit einem Schreck fuhr sie hoch und sah Alvar an.

      »Zeit für mich schlafen zu gehen.« Sie erhob sich und das Tuch glitt an ihrem Körper herab. Hastig griff sie danach und hielt es behelfsmäßig vor sich. Rückwärts ging sie in einen kleinen Flur, auf dem Türen zu Kammern abgingen. Mit der freien Hand tastete sie sich an der Wand entlang, bis sie in eine der Kammern verschwand.

      Alvar war ihr neugierig gefolgt, auch um sie nicht aus den Augen zu lassen, damit er sie im Notfall beschützen konnte. Als er die Nase um die Kante des Kammereingangs schob, kam das große Stofftuch geflogen und legte sich über seinen Kopf. Sofort wollte er sich unwillig schütteln, da rief sie: »Wehe du guckst jetzt!« Schon hielt er still, bis sie ihm das Tuch abzog.

      Nun hatte sie ein Kleidungsstück an, das wie eine Nebelschwade ihren Körper bedeckte. Nicht wirklich verdeckend, was sich darunter befand, aber auch nicht durchsichtig genug, um alles sehen zu können. Ein winziges Stück schwarzen Stoffes bedeckte mit einem Dreieck ihre Weiblichkeit und verschwand mit einem schmalen Band zwischen ihren Schenkel, um auf der Rückseite wieder aufzutauchen. Langsam ließ sie sich zwischen die Laken gleiten und das Rascheln des kühlen Stoffes erfüllte die gespannte Stille im Raum. Die Versuchung in Alvars Leib zu gleiten, ihn in meine göttliche Gestalt zu wandeln und mit ihr die Schlafstatt zu teilen, war sehr groß. Doch zuerst wollte ich sie kennenlernen.

      Kaum lag sie, sprang der freche Warg einfach zu ihr und legte sich neben sie. Ihre Hand versank in seinem dichten Fell und sie murmelte schlaftrunken: »Du solltest doch nicht ins Bett!« Schon war sie entschlüpft ins Reich der Träume, wo ich sie besuchen wollte.

      Alvar lag ganz ruhig und überließ mir seinen Leib, wir verschmolzen gänzlich und ich nutzte den Körperkontakt um in ihren Traum einzutreten. Sie trug ein rotes Stofftuch um die Schultern und ihre Haare flatterten offen im Wind. Eine männliche Stimme wehte von hinten, an mir vorbei, zu ihr.

      »Lao, Liebste.«

      Sie zuckte zusammen, als ob man sie ausgepeitscht hätte und ihre zarten Finger krallten sich in den Stoff. Wer war der Mann, der ihr solche Angst bereitete? Da ich nicht hinter mich sehen konnte, weil sie es auch nicht tat, beschloss ich, den Mann verschwinden zu lassen und ihr die geliebten Wiesen oder den winzigen Strand zu zeigen. Schweiß stand auf meiner Stirn, weil es ungewohnt schwerfiel den Verlauf ihres Traumes zu beeinflussen. Ganz langsam flackerten die ersten Wellen durch das Bild, bis ich es endlich schaffte den geliebten Strand herauf zu beschwören. Ich setzte mich auf einen erhöhten Stein in der Brandung, ließ sie den schmalen Weg und die Treppe herabsteigen. Sie sah mich und zog eine ihrer hochgeboren wirkenden Brauen nach oben. Vorsichtig trat sie Schritt um Schritt die ehernen Stufen hinab. Alvar zeigte sich hinter ihr und seine Nähe gab ihr Sicherheit. Ganz langsam ging sie an mir vorbei und setzte sich in den Sand. Die Zehen vergrub sie in dem weichen Untergrund und nachdem sie eine Weile still auf das wogende Nass gestarrt hatte, sprach sie mich an.

      »Hallo, Sie sind neu hier in der Gegend.« Kein Vorwurf, keine Frage – eine einfache Feststellung.

      »Ja, ich denke schon«, antwortete ich.

      Ihre grünen Augen sogen jeden Fingerbreit meiner Erscheinung in sich auf. Für einen winzigen Moment zuckte ihr rechter Mundwinkel nach oben, ehe sie wieder einen neutralen Ausdruck annahm.

      Meine Gestalt würde sie um eine Haupteslänge überragen und meine Schulter boten genug Platz, damit sie sich daran schmiegen konnte. Feingliedrige und doch kräftige Hände an schlanken, starken Armen. Meine Hüfte war schmal genug, dass ich eine Schlangenhaut als Band darumlegen konnte um die Beinlinge zu halten, doch nicht zu schmal. Die Beine waren die eines Kriegers. Meine honigbraunen Augen bannten ihren Blick, als sie in meinem Gesicht ankam. Mir waren meine breiten Kieferknochen, die etwas hervortraten bewusst. Heute wusste ich, das kam, weil ich ein halber Jötun war.

      »Seid Ihr so gnädig, holde Maid und verratet mir Euren Namen?«, fragte ich. Ein glockenheller Ton perlte von ihren Lippen und das Grün ihrer Augen begann zu strahlen, als ob sich die Sonne in Kristall brechen würde.

      »Was für eine altmodische Aussprache.« Erneut eine Feststellung.

      Unverwandt sah sie mich an und mir glitt ein eisiger Schauer den Rücken hinab. Für ihre Zeit mochte ich zu grobschlächtig wirken. Plötzlich fielen mir meine Manieren wieder ein. »Verzeiht holde Maid, ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Loki.«, sagte ich und verbeugte mich galant.

      Forsch blickte sie mich an und murmelte etwas, was sich anhörte wie: »Das muss ein Rollenspiel sein.«

      Unsicherheit und Misstrauen huschten nacheinander durch ihre schönen Augen, die mich bannten. Plötzlich begann das Traumbild zu flackern, schwarze Schlieren durchzogen das Bild – wie dunkle Nebelschwaden. Sie hatte einen starken Geist, sonst würde sie meiner Macht nicht beinahe trotzen können. Dann legte sich die Störung und sie murmelte leise: »Nur ein Traum, was soll‘s«. Tief atmete sie durch, ehe sie mir endlich antwortete. »Laoghaire.« Die Stimme war dünn und trug nicht richtig, doch sie räusperte sich und wiederholte es noch einmal mit fester Stimme. »Mein Name ist Laoghaire.«

      Erneut verbeugte ich mich. »Es ist mir eine Ehre Eure Bekanntschaft zu machen, holde Laoghaire.«

      Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, die ich in diesem Moment zu gern berührt hätte.

      »Würden Ihr mir die Ehre erweisen und meine weitere Neugier stillen?«

      Eine ihrer sanft geschwungenen Augenbrauen hob sich, dann nickte sie. »Einverstanden.« Sie kam langsam auf mich zu und blieb drei Ellenlängen vor mir stehen.

      »Was sind Eure Lieblingsblumen, Laoghaire?« Ihr Name glitt mir über die Zunge wie warmer Met, würzig und weich. »Welche Farbe mögt Ihr am liebsten? Mit welchen Klängen kann ich Euer Herz erfreuen? Was ist Eure Leibspeise? Und was, bei Yggdrasils Wurzeln, hat Euch vorhin solche Angst bereitet?«

      Erneut flackerte das Bild, da trat auch mein treuer Alvar heran und schob seinen mächtigen Schädel unter ihre zitternde Hand. Sie beruhigte sich, lächelte ihn an und schien über meine Fragen nachzudenken.

      »Verzeiht meine Indiskretion, aber diese Fragen brannten mir auf der Seele. Drum lasst mich nicht als ahnungslosen Toren zurück.«

      Ihr Blick ruht auf mir und wieder versank ich ihren Augen, die in diesem Moment dunkel wie das Moor waren. Ebenso tief und unergründlich.

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