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bin. Und jetzt wollen Sie es als Selbstmord darstellen. Wären Sie nicht hinter mir her, dann könnte ich, dann ...“

      „Sie sind etwas durcheinander. Der Schock und so. Sie müssen erst einmal zur Ruhe kommen.“ Beruhigend legte Karl die Hand auf Martinas Schulter.

      „Hören Sie auf, mich zu begrapschen. Das würde Ihnen so passen. Sie sehen sich wohl schon am Ziel Ihrer Träume.“

      „Ich will Ihnen nur helfen. Ich werde Sie nicht anfassen. Einverstanden?“ Karl trat demonstrativ einen Schritt zurück. „Aber sagen Sie mir, warum Sie heute wieder versuchten, sich das Leben zu nehmen?“

      „Ich habe niemals versucht, mir das Leben zu nehmen. Eher würde ich Sie umbringen, Sie Unhold.“

      „Sie müssen mir glauben, dass ich Sie nur beschützen wollte!“

      „Ach, nennt man das jetzt so? Schützen wollen. Ist ja geradezu lachhaft.“

      „Ja, lachen Sie ruhig. Das wird Ihnen guttun. Ich wollte Sie vor sich selbst schützen. Es wäre doch sehr schade um ein so hübsches, bezauberndes, wenn auch kratzbürstiges, zänkisches Wesen, finden Sie nicht auch?“

      „Na schön. Lassen Sie mich mal nachdenken.“ Von den Ausführungen ihres Gegenübers mittlerweile überzeugt, begriff Martina die Zusammenhänge dieser Charade. „Ganz klar. Sie standen unter meinem Balkon und dachten, ich wollte mich in die Tiefe stürzen. Dabei versuchte ich nur mit aller Gewalt, meine Markise herauszuziehen. Und eben am Weiher, als ich Sie beobachtete und mich dabei zu weit vorlehnte, da hatten Sie ...“

      „Wieder den Eindruck von Selbstmord.“ Beruhigt sprach Karl den Satz zu Ende. „Da nun alle Missverständnisse verklärt sind, würde ich Sie gerne in ein Lokal Ihrer Wahl einladen. Und keine Angst. Mein Sohn wird mich als eine Art Anstandsdame begleiten.“

      „Und ich werde zur Unterstützung meine beste Freundin mitbringen. Die steht nämlich wirklich auf grau melierte Herren.“

      Der Abend war der Beginn von vielversprechenden und wunderbaren Freundschaften. Die brünette Kerstin Maurer hatte gleich ein Auge auf Karl Wagner geworfen, der ihr gegenüber auch nicht abgeneigt war.

      Jürgen, sein aparter wie ebenso charmanter Sohn, fand in der blonden, stupsnasigen Martina Schornagel die Liebe auf den ersten Blick.

      Die erste Berührung ihrer Hände erzeugte einen elektrischen Schlag.

      Martina war mehr als beeindruckt und konnte sich zum ersten Mal vorstellen, sich von einem solchen Mann wie Jürgen zähmen zu lassen.

      Die Fügung des Schicksals hatte sie zusammengebracht. Martina war sich dessen bewusst und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie konnte eine innere Verbundenheit und viele Gemeinsamkeiten feststellen. Ob er auch so ein Tollpatsch war?

      Hoffentlich nicht! Sonst würde die Versicherung ihrer zukünftigen Familie immense Kosten verursachen.

      Aber zuerst würden sie einen herrlichen und unvergesslichen Sommer verbringen.

      Dann würde die Hochzeit ihre Liebe krönen.

      Und anschließend würden sie traumhafte Flitterwochen auf Mauritius erleben.

       Veilchen im Januar 2006, Ausgabe 12

       Susanne Ulrike Maria Albrecht

      Fußballmuffel sind auch Menschen

      Auch Fußballmuffel können Vorteil und Gewinn aus der Weltmeisterschaft ziehen. Es ist alles eine Frage der Einteilung.

      So kann man die leergefegten Landstraßen während eines wichtigen Spieles nutzen für eine genüssliche Fahrt zu einem sonst wegen des Staus gemiedenen Ziel.

      Beim nächsten Spiel „Deutschland gegen ...“ ist die ideale Zeit, Erdbeergelee zu kochen, Obst einzumachen, einen köstlichen Kuchen zu backen. Garantiert kein Anruf stört die fleißige Hausfrau gerade in dem Moment, in dem das Einfüllen des heißen Breis in die Gläser fällig ist.

      Frau kann sich endlich mal genüsslich mit einer Freundin im Kino treffen, ein Eis essen gehen oder den lange fälligen ausgiebigen Friseurtermin wahrnehmen.

      Sogar die betagte Tante im Altersheim könnte der Fußballmuffel weiblichen oder männlichen Geschlechts mal wieder besuchen, ohne zu Hause vermisst zu werden. Ganz im Gegenteil, der echte Fußballfan am häuslichen Fernseher hat Besseres zu tun als die Häupter seiner Lieben zu zählen. Hauptsache, niemand stört das nervenzerreibende und ganzkörperentzückende Seh-Ereignis am Flach- oder gar Großbildschirm.

      Von einem persönlichen Besuch eines Spiels im Stadion ganz zu schweigen. Da wäre die Anwesenheit eines familieneigenen Fußballmuffels nicht zu ertragen und schade ums Geld wäre es allemal. „Hier bin ich Fan, hier darf ich‘s sein“, heißt es da in leichter Abwandlung eines Goethe-Zitats und gleichgültige oder ablehnende Zeitgenossen stören da nur.

      Der Fußballmuffel ist also während der Weltmeisterschaftsspiele fast vollkommen auf sich gestellt. Wenn er sich rechtzeitig nach Bundesgenossen umsieht, kann das eine spannende Zeit werden, die zu ungeahnten Aktivitäten verführt. Aber auch süßes Nichtstun wäre eine Alternative. Es kann ein preiswerter Urlaub zu Hause werden. Niemand wird die An- oder Abwesenheit bemerken, niemand Ansprüche stellen.

      Vorausgesetzt, dass der angetraute Fußballfan vor den Spielen gelernt hat, sich ein paar Brote selbst zu schmieren und sein Bier selbst aus dem Kühlschrank zu holen.

      Nach erholsamen Faulenzertagen oder tollen neuen Unternehmungen mit Gleichgesinnten hat am Ende der spannenden und anstrengenden Zeit der Fußballmuffel die nicht zu unterschätzende Freiheit, spätestens beim Endspiel (wo´s so richtig spannend wird), sich frisch und munter zu den bereits ziemlich ramponierten Fans vor den Bildschirm zu gesellen. Und er darf sich wertfrei mit dem Sieger freuen, egal wer das ist. Unsportlich wie er ist, hat er eh‘ schon die ganze Zeit a l l e n Teilnehmern Respekt gezollt und die bewundert, die diesen Stress bis zum Schluss mit Füßen und Nerven durchgehalten haben.

      „Der Weg ist das Ziel“ – und auf dem Siegertreppchen ist nun mal nicht genug Platz für alle.

      Also, bis dann! – Ich bin beim Endspiel fernsehend mit dabei und rege mich genauso auf wie selbst eingefleischte und altgediente Fans.

       Veilchen im Juli 2006, Ausgabe 14

       Nora Zorn

      Versuch über das Müsli

      Als Alfred Tepetuschnig eines Morgens erwachte, war er ein Protagonist in einem Roman von Peter Handke.

      Das war schlecht, denn als er in die Küche gehen wollte, um wie stets sein allmorgendliches Müsli zu verzehren, schien es ihm plötzlich wichtig, aus dem Fenster zu blicken. Was er aber dort sah, war nicht anders als sonst, doch schien es ihm nun als etwas ganz Inniges, als etwas nur für ihn. Er hatte Lust hinauszugehen, aber auch, mit dem Kopf gegen eine Mauer zu rennen, aber nicht aus Überzeugung. Also schlug er sich dreimal mit der Faust ins Gesicht, bis er weinte, und zerriss sein T-Shirt.

      Unabsichtlich las er fünfzehn Seiten aus dem Telefonbuch, das auf der Kommode lag. Die Namen auf diesen Seiten schienen ihn plötzlich persönlich zu betreffen, als wären sie Bekannte, die, einmal kennengelernt, sofort zu alten Bekannten würden. Das empfand er als so widerwärtig, dass er schnaubte, wobei ihm der Schleim aus der Nase sprang, worauf er gierig die ganzen fünfzehn Seiten noch einmal las. Er spielte Munterkeit, indem er pfiff und summte und war doch bereit, den nächsten Menschen zu ermorden, der seinen Weg kreuzte.

      Dann wurde ihm die Vorstellung verhasst, wie er hier im Flur vor der Küche stand, wissend, dass er bald in der Küche sein würde, nicht anders als all die vielen Male, all die vielen Tage zuvor. Wer sich da eine Zukunft vorstellen konnte, der musste ja wahnsinnig sein! Er wollte einschlafen. Nein, sich rasieren. Stattdessen beschloss er, sich nicht zu rasieren,

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