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für Sie?«

      »Ja.«

      »Wo wohnt der Mann?«

      »Er ist in ›Soho‹ zu Hause«, sagte Leonard Edwards und nannte ihr die Adresse des Agenten. »Der Mann kann in dieser Angelegenheit für uns vielleicht noch zum heißen Eisen werden.«

      »Eines, welches keiner anzufassen wagt?«, hakte Clairé nach.

      »Eines, mit dem wir diesen Choung möglicherweise packen können, wie mit einer glühenden Zange.«

      »Was ist denn das Besondere an Howard van Eyck, Sir?«

      »Er kennt Min-Ho Choung fast so gut wie sich selbst. Sie wissen ja, wie das in unserem Beruf so geht. Van Eyck hatte schon mal in Nordkorea zu tun. Man fing ihn allerdings ab und polte ihn um. Und dann schickten sie ihn zusammen mit Min-Ho Choung auf Tournee. Van Eycks Flucht war eine kleine Sensation. Natürlich haben sie mehrmals versucht van Eyck fertig zu machen, aber wir konnten uns bislang jedes Mal schützend vor ihn stellen. Wenn Choung also nicht zu Ihnen kommt, Miss Beauvais, gehen Sie zu Howard van Eyck und hören sich an, was er über den Asiaten zu erzählen weiß. Vielleicht bringt Sie das dann auf eine gute Idee.« Damit war für den Augenblick alles gesagt und Edwards hatte das Gespräch beendet.

      *

      Clairé holte frische Wäsche aus dem Schrank und kleidete sich an. Mit schlängelnden Bewegungen streifte sie ihren streichholzschachtelgroßen Slip nach oben. Dann legte sie das dünne Gewebe des Büstenhalters über ihre Brüste, hakte das Ding mit einer gekonnten Bewegung zu und ließ Strumpfgürtel und Nylons folgen. Kaum war sie vollständig angezogen und frisiert, da schlug ihr Smartphone erneut an. Sie rechnete fest damit, dass es noch einmal Edwards war. Vermutlich kommt jetzt direkt die nächste Hiobsbotschaft, dachte sie bei sich.

      Aber es war nicht ›Fatso‹.

      Es war Min-Ho Choung!

      Für einen kurzen Augenblick blieb ihr das Herz stehen.

      ***

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      Kapitel 5

      Zachary Buchanan saß auf der Terrasse seines Tudor-Hauses. Ein malvenfarbener Schirm spendete reichlich Schatten. Buchanan hatte einen mehrstöckigen Whisky neben sich stehen. Es war die vierte oder fünfte Füllung seines Glases. Er zählte nicht mit. Wieder trank er. Wehmütig schaute er zum Swimmingpool, auf dessen Wasseroberfläche blitzende Lichtreflexe tanzten. Ye-Jin ist so gern geschwommen, dachte er wehmütig und glaubte ihr vergnügtes Lachen zu hören. Plötzlich weiteten sich seine Augen. Seine Vorstellung war mit einem Mal so realistisch, dass er sicher war, Ye-Jin im Wasser planschen zu sehen. Sekundenlang hielt er den Atem an. Ye-Jin winkte ihm. Dann kraulte sie auf ihn zu ... Und dann war sie plötzlich verschwunden.

      Buchanan erschrak.

      Doch dann war Ye-Jin wieder da. Diesmal war sie nackt und lag auf dem Grund des Schwimmbeckens. Sie regte sich nicht, und an ihrem schlanken Hals waren diese grauenvollen Würgemale zu sehen. »Nein!«, schrie er entsetzt auf und schlug die zitternden Hände vors bleiche Gesicht. »Oh, nein!« Wieder kam die lähmende Lethargie über ihn. Er trank sein Glas leer. Seine Finger vibrierten. Er hob beide Hände vor die brennenden Augen und wünschte sich nichts sehnlicher, als diese Finger um den Hals jenes Mannes zu legen, der ihm seine Ye-Jin auf so grausame Weise genommen hatte.

      Rache!

      Ja, er wollte Rache nehmen – unbarmherzig und gnadenlos würde sie sein, wenngleich er noch nicht wusste, wie er es anstellen sollte. Aber eines wusste er genau: Er würde den Mann töten, sobald er ihn gefunden hatte!

       ***

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      Kapitel 6

      »Miss Clairé Beauvais?«, fragte Choungs in perfektem Englisch, wenngleich ihn seine asiatische Stimmhöhe als Ausländer brandmarkte. »Mein Name ist Min-Ho.«

      Den Zunamen blieb er einfach schuldig, aber den brauchte er ihr auch nicht zu nennen. Es gab nicht allzu viele Asiaten mit diesem Vornamen in London, die gerade dann anriefen, wenn man darauf wartete. »Min-Ho«, wiederholte Clairé. Sie tat als suche sie den Namen einzuordnen, während ihr etwas über die Wirbelsäule zu krabbeln schien. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Wir kennen uns noch nicht«, kam er ihr helfend entgegen. »Ich bin Ausländer.«

      »Ihr Name klingt koreanisch oder vielleicht chinesisch.«

      »Da liegen Sie richtig, Miss Beauvais.«

      »Sind Sie geschäftlich in London?«

      »Auch das ist richtig«, kam es lächelnd durch die Leitung.

      »Und Sie fühlen sich einsam, nicht wahr?«

      »Sehr einsam. Ich dachte, Sie könnten mir ein wenig von Ihrer kostbaren Zeit schenken.«

      »In der Regel schenken die Ärmsten am liebsten«, stellte Clairé ironisch fest. »Ich verschenke durchaus keine Zeit?«

      »Nun ja, das sollten Sie natürlich nicht wörtlich nehmen. Ich kann bezahlen, was immer Sie verlangen.«

      »Dann sollten wir das direkt klären. Denn ich bin mir nicht sicher, ob Sie meinen Stundensatz von zehntausend Pfund kennen.«

      »Davon habe ich gehört und ist kein Problem. Ich zahle bar.«

      »Wann möchten Sie kommen?«, fragte Clairé darauf mit vibrierenden Nerven. Vor ihrem geistigen Auge erschien das Bild des Nordkoreaners. Sie schauderte. Ihre Gedanken drehten sich um das Fläschchen, das sie von Edwards bekommen hatte. Sie hörte ihn noch sagen, wie gefährlich dieser Killer sei und musste an ihren Auftrag denken.

      »Wann darf ich kommen?«, erkundigte sich Choung zurückfragend.

      »Darf ich erfahren, wer Ihnen meine Nummer gegeben hat?«

      »Ein Freund«, antwortete Choung ausweichend.

      »Aha, … ein Freund also. Und Sie möchten …«

      »Müssen wir das denn im Detail am Telefon besprechen, Miss Beauvais?«

      »Aber nein.«

      »Wann darf ich also kommen?«, setzte Min-Ho Choung noch einmal an.

      Clairé stellte fest, dass sein Englisch beinahe Oxford-Qualität aufwies. Nur an wenigen Stellen kam der Koreaner durch. »Passt es Ihnen in einer Stunde?«, fragte sie. »Ich möchte mich zuvor noch ein wenig für Sie zurechtmachen.«

      »Ich werde pünktlich sein.«

      Sie nannte ihm ihre genaue Anschrift, dann beendete sie schnell den Anruf. In einer Stunde werde ich also dem Mann gegenüberstehen, dem der Ruf einer kaltschnäuzigen Bestie vorausgeht: Min-Ho Choung, schoss es ihr durch den Kopf.

       ***

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      Kapitel 7

      Buchanan schüttelte sich. Über den Tod von Ye-Jin hinwegzukommen, war ihm einfach unmöglich. Der schmerzliche Verlust hatte eine tiefe Wunde in seine Seele gerissen, und es würde eine schreckliche Narbe davon zurückbleiben. Eine Narbe, die er den Rest seines Lebens mit sich herumtragen würde, eine, die ihn zu jeder Stunde daran erinnern würde, wie furchtbar und grausam ihm das Schicksal mitgespielt hatte.

      Ye-Jin! Immer wieder zerfloss ihr Name in seinem heißen Kopf. Er musste den Blick vom Swimmingpool fortreißen und schnellte hoch. Dann rannte er ins Haus und brüllte nach seinen Bodyguards Ironside und Gilyard.

      Als die beiden angerannt kamen, spiegelte sich Besorgnis auf ihren Gesichtern.

      »Ist

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