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Gefangen - Unter Wasser und Beton. Frank Hille
Читать онлайн.Название Gefangen - Unter Wasser und Beton
Год выпуска 0
isbn 9783741868498
Автор произведения Frank Hille
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er legte die Blätter auf den Tisch. Was er gelesen hatte, war ihm zum Großteil unverständlich geblieben. Instinktiv spürte er aber, dass hier eine große Sache auf ihn zukam, aber wie er diese bewältigen sollte wusste momentan nicht. Wieder spürte er dieses Gefühl der geistigen Unterlegenheit aufsteigen, das er jedoch geübt unterdrücken konnte. Er schaute Fassbender unsicher an.
„Nun, Gauleiter“, fragte dieser ihn, „haben Sie Fragen?“
„Ein sicher großartiges Projekt für das Reich, Herr
Dr. Fassbender. Sie müssen verstehen, ich bin kein Techniker und verstehe viele Dinge nicht. Da brauche ich schon Hilfe.“
„Seien Sie unbesorgt. Die Aufgaben, die Sie zu erfüllen haben, liegen im Bereich Ihrer Möglichkeiten. Mit der nächsten Post wird Ihnen genau erklärt, wer an dem Projekt mitarbeitet und welche Aufgaben er hat. Ich selbst leite den Sonderstab „WF 44“ und werde alles in der Hand behalten. Diese Blätter dort“, er wies auf den Tisch „ und alle Post die Sie noch erhalten werden gibt, es nur einmal. Es existiert nicht einmal eine Fotokopie. Ich hoffe, Sie können die Bedeutung des Projektes für das Reich damit richtig einordnen. Und ich hoffe sehr, Sie enttäuschen den Führer nicht. “
„Selbstverständlich. Darf ich Ihnen noch einen Kaffee und eine Zigarre bringen lassen, Herr Dr. Fassbender?“
„Gern.“
Beide saßen schweigend in ihren Sesseln. Sauckel versuchte sich vorzustellen, welche Dimension das Projekt hatte. Die entsprechenden Mittel und Arbeitskräfte zu organisieren erschien ihm lösbar. Wovor er Angst hatte war die Tatsache, dass kein Mensch erfahren sollte, was in seinem Gau entstehen würde. Das hieß für ihn auch, Mitwisser zu eliminieren, wenn das Projekt abgeschlossen war. Er durfte keinen einzigen Fehler machen.
Donnerstag, 22. Oktober 1942, Nachmittag, Nordhausen
Steiner fuhr mit einem Horch zur Kiesgrube denn die Gefahr eines Bombenangriffes hielt er zu dieser Zeit für gering. Die Amerikaner hatten 1942 zwar begonnen Ziele in Frankreich anzugreifen, Deutschland blieb noch weitestgehend unbehelligt. Ab und an verirrten sich Bomberbesatzungen wegen Navigationsschwierigkeiten, warfen die Eier irgendwo ab und versuchten in die neutrale Schweiz zu gelangen, um sich dort internieren zu lassen. Eine B 17 konnte das mühelos schaffen, ihre Reichweite betrug fast 5.300 Kilometer.
Donnerstag, 22. Oktober 1942, früh, Dover
Captain Brown konnte sich auf seine Crew verlassen. Sie hatten bereits 24 Einsätze hinter sich und waren jedes Mal wohlbehalten zurückgekommen. Ein paar Einschüsse oder Löcher durch explodierende Flakgranaten waren zwar unschön, aber niemand war zu Schaden gekommen. Einmal hatte sein Kettenhemd, das die Besatzungen über der Fliegerkombination trugen und sie an Brust und Rücken schützen sollte und vom Hals bis zum Becken reichte, einen glühenden Flaksplitter aufgefangen. Am Boden hatte er ihn herausgezogen und trug ihn seitdem als Talisman an einer Kette um den Hals. Mit seinen 28 Jahren war er der Älteste. Seine Babys, wie er sie nannte, waren nicht älter als 22. Alles patente Jungs, die aus verschiedenen Bundesstaaten stammten. Keiner war verheiratet, sie hatten das Leben noch vor sich. Wenn sie vom Einsatz zurückkehrten erzählten sie sich gegenseitig, wie sie sich das Leben nach dem Krieg vorstellten. Jeder hatte seine Pläne und Wünsche.
Das Briefing hatte ihnen ein Ziel in Frankreich bei Amiens zugewiesen. Also kurzen Sprung über den Kanal, Bomben runter und wieder ab nach Hause dachte er sich. Die deutschen Jagdflieger waren nicht mehr so kraftvoll wie zu Kriegsbeginn, sie hatten in der Luftschlacht um England Federn lassen müssen. Und der eigene Jagdschutz kam immer besser in Form. Was soll also passieren, beruhigte er sich, denn Anspannung war vor jedem Einsatz da. Er versuchte es seinen 9 Babys nicht zu zeigen. Besonders seinem Tail Gunner Baker und den Ball Turret Gunner Wilson durfte er die Unsicherheit nicht spüren lassen. Baker hatte hinter seinem Browning M2 eine exponierte Position in der Heckverteidigung. Die Deutschen waren schnell darauf gekommen, die Bomber von hinten unten anzugreifen. Noch schlechter war Wilson dran. Im Kugelturm unter dem Rumpf, welcher sich um seine horizontale und vertikale Achse mit Hilfe eines Elektromotors bewegen ließ, musste er auf dem Rücken liegend zwischen den Beinen hindurch visieren, Sicht war nur durch kleine Fenster möglich. Der Turret Gunner konnte als einziger der Besatzung keinen Fallschirm anlegen, weil der Platz dazu nicht ausreichte. Und falls die Maschine abschmierte, brauchte der Schütze gut eine Minute, um aus seinem Gefängnis zu entkommen. Viele schafften es nicht. Brown gab sich keinen Illusionen hin. Auch er und sein Copilot Pacino hatten zwar gepanzerte Rückenlehnen, am Bug fand sich jedoch keinerlei Panzerschutz, so dass sie Frontalbeschuss nahezu wehrlos ausgesetzt waren. Allerdings vertraute er auf die geballte Feuerkraft der Formation die eine Annäherung der Jäger erschwerte.
Die Maschine rollte auf die Graspiste. Die Motoren dröhnten schon gut 20 Minuten und hatten Betriebstemperatur erreicht. Zusammen mit Pacino war er die Checkliste durchgegangen, es gab keine Probleme. Über die Bordsprechanlage rief er seinen Leuten zu:
“ Das wird ein Spaziergang heute, Jungs. Das Ziel ist 500 Kilometer entfernt, eine schwach geschützte Gießerei, zum Mittagessen sind wir wieder da.“
„Hast du für uns in der Kantine bestellt“ ließ sich Wilson vernehmen.
„Ja, Austern und Sekt“ rief Brown zurück.
Brown schob die Gashebel der vier Motoren nach vorn und ließ die Bremse los. Die Maschine gewann an Fahrt und hob schwerfällig und leicht nach Steuerbord driftend ab. Mit den Füßen bediente er die Ruder und langsam kletterten sie höher, um sich in die Formation einzureihen. Es dauerte zirka 30 Minuten bis alle 50 Bomber in der Luft waren. Wie Habichte umkreisten bereits die Jäger die Bomber, es waren P 51 Mustang. In der Anfangszeit der Tagangriffe gab es keinen geeigneten Jäger mit ausreichender Reichweite, so dass die Bomber auf sich selbst gestellt waren. Die Verluste waren dementsprechend hoch gewesen.
Die Armada ging auf Zielkurs. Funksprüche schwirrten zwischen den Maschinen hin und her, die Navigatoren legten den Kurs fest. Sie überquerten den Kanal und drehten nach Süden auf das Ziel zu. Gegnerische Jäger waren nicht zu sehen. Es hatte sich eingebürgert, dass die komplette Schutzkleidung erst dann angelegt wurde, wenn das Ziel in Nähe kam. Brown forderte seine Leute jetzt dazu auf. Sie waren 150 Kilometer von Lille entfernt.
Donnerstag, 22. Oktober 1942, früh, Stadtrand Lille
Seit vier Uhr saß der Gefreite Weber vor seinem Sichtgerät der Freya. Die Antenne der Radarstation drehte sich monoton und einschläfernd. Ihm war langweilig. Manchmal verfluchte er seinen Posten. Aber allemal besser, als sich in Russland die Knochen zerschießen zu lassen kam es ihm dann in den Sinn. Der Roman, in dem er gelesen hatte, war in seinem Tornister verschwunden, denn Lesen war ausdrücklich untersagt. Einmal hatte ihn der Feldwebel erwischt und mächtig zusammen geschissen. Die Strafe bestand dann darin, die Wege zwischen den Baracken vom Unkraut zu befreien und dem Feldwebel einen kleinen Vorgarten anzulegen. Dieser sadistische Hund dachte er sich. In der Ausbildung hatte er ihn so geschunden, dass er nachts im Bett in das Kissen heulte. Abiturienten waren dem Feldwebel immer suspekt, weil aus seiner Sicht verweichlicht. Also musste man den Spunden erst einmal beibringen, was von einem richtigen Soldaten der deutschen Wehrmacht erwartet wurde.
Weber blickte in Intervallen auf den Schirm. Alles ruhig heute. Die Augen fielen