Скачать книгу

mit Küche, Internet, Café und Wohnzimmer ein schöner Aufenthaltsort geworden. Glücklicherweise brachte ein gewisser Alexander Keiths aus Schottland die gute Brautradition mit, sodass ich während einer Brauereiführung, die eher einem Theaterstück glich, gutes schottisches Ale genießen durfte. Das war das erste Mal, dass ich auf nordamerikanischem Boden anständiges Bier bekam. Ich war gespannt, wie dies in den kommenden Wochen aussehen würde. In Halifax merkte ich, dass die Welt doch ziemlich klein sein kann, denn mir lief zum ersten Mal ein Meenzer{41} Wesen über den Weg. Endlich konnte ich wieder »Meenzer Bube, Meenzer Mädche«{42} singen, ohne von allen Seiten schief angeguckt zu werden.

      Von Halifax reiste ich mit dem Bus die Südostküste Nova Scotias entlang nach Lunenburg. Wie der Name erkennen lässt, war diese Stadt eine deutsche Gründung. Haupterwerbszweig war im 18. Jh. der Schiffbau gewesen. Viele der Bewohner sind damit sehr reich geworden. Ihre wunderschönen Holzbauten am Naturhafen konnte ich auch noch nach 250 Jahren bewundern. Das bekannteste Boot, das im Ort gebaut wurde, war »Bluenose« im Jahre 1921: ein Zweimaster-Holz-Segelboot, das eigentlich dem Fischfang dienen sollte, aber hauptsächlich für das jährliche Bootsrennen zwischen den USA und Kanada genutzt wurde. Von 1921 bis 1938 gewann die Bluenose jedes Rennen gegen die Boote aus den Vereinigten Staaten. Mit dem Ausbruch des 2. Weltkriegs gab es keine Rennen mehr und die Ära der Holzsegelboote war vorbei. Bluenose wurde 1942 nach Haiti verkauft und sank dort vor der Küste im Jahre 1946. 1963 wurde mit den gleichen Konstruktionsplänen Bluenose II gebaut. Seither kann man, wenn man Glück hat, mit Bluenose II vor der Küste Nova Scotias mitsegeln. Als ich das Boot in seinem Geburtshafen Lunenburg sah, musste ich natürlich mit auf den Segeltörn. Es war eine wunderschöne Erfahrung, das lautlose Gleiten des Schiffes zu erleben. Statt eines Dieselmotors waren bei dieser Reise das Knirschen des Holzparketts und das Flattern der Fahne die markanten Geräusche gewesen.

      Manchmal kann Reisen ohne Auto in Kanada wirklich anstrengend sein. Der einzige täglich verkehrende Bus von Lunenburg nach Yarmouth an der Südwestküste von Nova Scotia fuhr ausgerechnet spätabends. Um Mitternacht kam ich in Yarmouth an. Da es kein Hostel gab, musste ich irgendwo zelten. Aber leider landete ich in einem großen Gewerbegebiet, sodass ich eine unfreiwillige Nachtwanderung von über einer Stunde zum nächsten Zeltplatz unternehmen durfte, ehe ich um halb zwei Uhr nachts endlich in meinen Schlafsack kroch. Am nächsten Morgen ging schließlich alles in umgekehrter Richtung zurück. Ich befand mich leider in der Zivilisation, wo Trampen unmöglich erschien, da ich mich bereits in der Stadt befand. Dass ich mich als Fußgänger langsam »Downtown«{43} einer nordamerikanischen Stadt näherte, merkte ich als erstes an den zunehmenden Spuren für die Autos auf Ausfallstraßen. Plötzlich existierten Trampelpfade am Seitenrand für ganz bescheuerte Menschen, die doch tatsächlich per Pedes unterwegs waren. Später wandelten sich die Pfade in Bürgersteige. Kurz vor Downtown wuchsen auf einmal statt riesiger Parkplätze und Einkaufszentren Bäume am Straßenrand, und hatte der McDonald’s keinen »Drive Thru«{44} mehr, befand ich mich tatsächlich in Downtown.

      Von Yarmouth fuhr ich mit einem Katamaran die 200 Kilometer von der Halbinsel Nova Scotia nach Westen an die Ostküste der Vereinigten Staaten. Leider war ich der einzige Passagier unter 65 Jahren, aber da Amerikaner sehr kontaktfreudig sind, kam ich mit einem Paar aus Wisconsin ins Gespräch. Die beiden waren sicher bereits Mitte 70. Leider sprachen wir recht schnell über Politik. So langsam musste ich wirklich diplomatisches Geschick beweisen, denn was sollte ich auf Fragen, was wir Deutschen von Präsident Bush hielten, antworten? Anscheinend hatte meine ausweichende Antwort die beiden zufrieden gestellt, da ich weder zum Staatsfeind erklärt wurde, noch das Gespräch abgebrochen wurde.

      In Bar Harbour, Maine, angekommen, erkannte ich erneut, dass Reisen ohne Auto in Nordamerika wirklich anstrengend war. Vom Fährterminal durfte ich wieder auf Nachtwanderung mit ungewissem Ausgang gehen, wusste ich doch lediglich, dass ich irgendwann an einem Campingplatz vorbeikommen musste, doch nicht nach wieviel zurückgelegten Kilometern. Wild zelten klappte neben dem Marriot, dem Hilton und dem Holiday Inn leider nicht. So hieß es wandern, wandern und nochmals wandern. Nach etwa eineinhalb Stunden erblickte ich das erlösende Campingplatz-Schild. Der Besitzer konnte es nicht glauben, dass hier ein »German« zu Fuß unterwegs war. Daher lieh er mir sein Mountainbike, mit dem ich durch den Acadia National Park radeln konnte. Endlich ein Rad, das einigermaßen rollte, ohne dass meine rudimentären Technikkünste aufblitzen mussten. Der Nationalpark eignete sich perfekt zum Mountainbike fahren. Unbefestigte für Autos nicht zugängliche Wege durch Kiefernwälder entlang der Atlantikküste waren absolut mein Terrain. Es duftete so angenehm, wie in einem Wald in der Provence, und endlich war es wieder warm. Schließlich war es auf Island, Neufundland und Nova Scotia doch bereits ziemlich kühl gewesen.

      Der »Dog« und seine Tücken

      Etappe: Von Bar Harbour ME, USA 44° Nord 68° West (GMT -4) nach St. Louis MO, USA 39° Nord 90° West (GMT -5): 2.573 km – Total 16.843 km

      St. Louis, 10. Oktober 2002

      Mit der Ankunft in meinem ersten US-Bundesstaat auf dieser Reise, dem kleinen Maine, befand ich mich weiterhin auf der Spur der Wikinger, die vor 1.000 Jahren etwa bis zum heutigen New Jersey vorgedrungen waren. Maine gehört zu den sechs Bundesstaaten, die die so genannten »Neu-England-Staaten« bilden. Grob genommen ist dies der äußerste Nordosten der USA. Maines Spitzname lautet »Pine Tree State«, wegen der vielen Pinien, die es einmal gegeben hatte – nun leider aber nicht mehr allzu häufig gab. In Maine fing nun meine Reise quer durch das Land von Küste zu Küste mit einer urtypischen amerikanischen Institution an, die alle kennen, aber wahrscheinlich noch niemand aus der Leserschaft genutzt hat: den Greyhound. Die wenigen Leute, die ich traf und die mit diesen Überlandbussen unterwegs gewesen waren, hatten nur Horrorgeschichten auf Lager. So war ich gespannt, was ich alles zu erzählen hätte. Leider verlief meine erste Fahrt von Bar Harbour nach Boston ebenfalls nicht gerade allzu angenehm.

      Zunächst durfte ich morgens um halb fünf im Platzregen aufstehen und mein Zelt zusammenpacken. Der einzige Bus von Bar Harbour nach Boston musste unbedingt morgens um halb sieben abfahren. Glücklicherweise nahm ich den Luxus eines Taxis in Anspruch, um nicht im Dauerregen zur Busstation zu gelangen, ansonsten wäre ich wahrscheinlich total aufgeweicht worden. Da ich in den USA permanent Gefahr lief, wegen Vitaminmangels an Skorbut zu erkranken, da es im preiswerten Nahrungsmittelsektor meist nur Chips und Cola zum Essen und Trinken gab, stopfte ich mich im Bus mit Pflaumen und Birnen aus einem Vegetarier-Laden voll. Daraufhin bekam ich im Bus allergrößte Magenkrämpfe. Neben mir saß dazu noch ein Mitsechziger, der statt die amerikanische Fahne zu schwenken, eher mit seiner starken Alkoholfahne auf sich aufmerksam machte. Zudem nickte er leider gleich nach Fahrtantritt ein und begann ein DauerSchnarch-Konzert. Nach sieben Stunden Fahrt war ich endlich in Boston, Massachusetts, angekommen. Der Staat trägt zu Recht den Spitznamen »Spirit of America«.

      Boston gilt als Geburtsstätte der Vereinigten Staaten. In der Stadt startete die amerikanische Revolution und dort entsprang auch der für die USA so typische Patriotismus. Vor der Revolution gab es die amerikanische Nation überhaupt noch nicht. Vielmehr waren mehrere Staaten aus der »Alten Welt« damit beschäftigt, sich diesen Kontinent untereinander aufzuteilen und schließlich später gegenseitig abzuringen. Die Spanier unter Christoph Kolumbus waren seit 1492 auf dem heutigen Gebiet der USA vor allem im Westen und Süden aktiv. Die Franzosen unter Cartier bauten hingegen Forts von Québec in Kanada den Mississippi hinunter bis nach Nouvelle Orléans, dem heutigen New Orleans. Die Engländer hingegen bauten unter Cabot an der Ostküste jeweils eigenständige Kolonien auf. Diese bildeten die Basis der heutigen Oststaaten. Sogar die Holländer im heutigen New York, damals »Nieuw Amsterdam« genannt, und die Schweden auf der Delaware-Halbinsel mischten im großen Spiel mit. Ganz im Westen traf man bis zum 17. Jh. an der Küste nördlich vom heutigen San Francisco sogar auf russische Stützpunkte, die von Pelzhändlern aufgebaut worden waren. Doch die dominierende Macht wurde mit der Zeit England. Nieuw Amsterdam wurde von den Holländern gegen Surinam eingetauscht, die Schweden gingen mehr oder weniger freiwillig. Die Franzosen wurden im 7-jährigen Krieg um 1760 besiegt. 1763 verlor Frankreich nicht nur Kanada, sondern auch das gesamte Territorium auf heutigem US-Boden mit der Ausnahme von New Orleans und Lousiana.

      Auslöser für die amerikanische Revolution war eine große Steuererhöhung durch das Empire in den

Скачать книгу