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Maat deshalb, weil ich früher als solcher bei der Marine gedient habe.“

      Enno Fedder nahm man dagegen auf dem ersten Blick den sturmerprobten Seemann ab. Er war wie aus reinstem friesischen Schrot und Korn gemacht. Ein hemdsärmeliger Kerl, der aber mit weicher Stimme sprach. Enno versuchte sich gerade eine Zigarette anzustecken, aber der Wind blies ihm immer wieder die Flamme seines Feuerzeugs aus. Er kam herüber und warf einen flüchtigen Blick auf den Ausweis.

      „Und das hier ist mein Chef. Ihm gehört der Kutter“, stellte Hauke Enno vor.

      Der Kommissar hielt Enno sein brennendes Feuerzeug vor die Zigarette: „Rieken, Kripo Oldenburg.“

      „Kripo Oldenburg? Gibt´s denn keinen Polizisten hier aus Varel, den sie herschicken konnten?“ Enno nahm seine Mütze ab und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Er zwinkerte hinter seinen Brillengläsern und sagte dann: „Frage, Herr Kommissar: Warum gibt es in Ostfriesland keine Hämorrhoiden? - Antwort: Weil die ganzen Arschlöcher in Oldenburg sitzen.“

      Robert sah ihn einen Augenblick lang verständnislos an, sammelte sich dann wieder und sagte: „Ich weiß schon, ihr haltet ja Oldenburg immer noch für feindliches Ausland. Aber es ist nun mal nicht ganz einfach, einen Polizisten hier bei euch aufzutreiben, der telefonieren und gleichzeitig auch schreiben und lesen kann. Deshalb müsst ihr schon mit mir vorlieb nehmen.“ Dann sah sich Robert etwas genervt um. „Ziemlicher Menschenauflauf hier.“

      Enno wusste nun, dass er mit seinem Humor bei Robert keinen großen Eindruck machen konnte:

      „Wir haben schon versucht die Leute auf Abstand zu halten, Herr Kommissar. Aber Sie wissen ja, wie die heutzutage so drauf sind.“

      „Ja, gut. Ich übernehme das fürs Erste“, sagte Robert.

      Er stellte sich vor die Menschenansammlung und gab den Leuten eindeutig zu verstehen, dass sie sich gefälligst vom Hafengelände fernzuhalten hätten. Die Gaffer traten daraufhin wenige Meter zurück, lösten sich aber nicht auf, wie es Robert eigentlich erhofft hatte. Dann ging er zurück und stellte sich zwischen die beiden Fischer mit dem Rücken zur Kaimauer, so dass er die Menschenansammlung weiterhin im Blick behalten konnte. Enno begann zu berichten: „Naja, die Sache war so, Herr Kommissar. Wir sind heute gegen 4 Uhr rausgefahren, wie wir es fast jeden Tag tun, wenn die Tide es erlaubt. Aber heute schien nicht unser Tag zu sein. Wir haben's zuerst westlich von Alte Mellum versucht, aber da war nichts. Dann sind wir etwas weiter hinaus auf See in Richtung Minsener Oog. Aber auch da war nichts zu holen.“ Er warf jetzt seine Zigarettenkippe auf den Betonboden und trat sie aus. „Sie müssen wissen, die Fanggründe sind in dieser Jahreszeit äußerst unergiebig. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die ständigen Verlandungen in diesem Gebiet durch wandernde Sandbänke die Krabbenfischerei nicht gerade leichter macht.“

      Robert warf nun einen Blick hinüber zum Kutter.

      „Sie sind der Eigentümer des Schiffs?“

      „Ja. Ich habe mir den Kutter aber erst vor zwei Jahren gekauft. Hätte ich damals geahnt, welche Schwierigkeiten auf mich zukommen, glauben Sie mir, hätte ich´s gelassen.“

      Hauke Schortens nickte Enno zu. Er rieb sich gereizt die Stirn: „Genau. Wenn das so weitergeht, können wir unseren Job bald hinschmeißen, Herr Kommissar.“

      Enno wirkte nachdenklich: „Hauke hat nicht ganz unrecht. Unsere alten und angestammten Fangplätze werden außerdem von anderen Kollegen, wenn man diese Leute überhaupt so nennen mag, regelrecht ausgeplündert. Sie fangen sogar die Fischbrut weg, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will. Und gesetzlich geregelte Fangquoten existieren ja für uns Krabbenfischer nicht.“

      Robert sah verzweifelt auf seine Uhr. „Sie haben sicher recht, Herr Fedder. Nur leider hat das wenig mit Ihrem - wie soll ich sagen - heutigen Beifang zu tun. Erzählen Sie mir doch bitte, wo und wie Sie den Toten genau herausgefischt haben.“

      Enno machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, ihm zu folgen. Robert warf nochmals einen Blick auf die Gaffer, die aber keinen Schritt nähergekommen waren. Dann gingen die drei Männer in Richtung Kaimauer und betraten den schmalen hölzernen Laufsteg, der von der Mauer direkt hinüber zum Kutter führte. Auf Deck gab Enno dem Kommissar das Feuerzeug zurück. Der Fischer spürte instinktiv, dass der Kripomann in Gummistiefeln nicht einer der üblichen Beamten war, die eigentlich keine blasse Ahnung vom Fischfang haben, aber dennoch überall mitreden wollten. Enno schritt zur Mitte des Decks und blieb dann vor einem abgedeckten Haufen stehen.

      „Wie gesagt, wir wollten schon aufgeben, haben es dann aber doch nochmal, etwa zwei bis drei Meilen vor Wangerooge versucht – und plötzlich hing der da in unserem Netz.“

      Enno deutete mit einer knappen Handbewegung auf den abgedeckten Haufen. Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, hob Hauke auf der Backbordseite des Kutters einen Zipfel des zerschlissenen Segeltuchs auf, mit dem die Wasserleiche bereits auf See notdürftig abgedeckt wurde. Ein ekelhafter Gestank von angegammeltem Fisch, Schlamm und Maschinenöl breitete sich schlagartig auf Deck aus. Die beiden Fischer schienen daran gewöhnt zu sein. Robert warf nur einen flüchtigen Blick auf die Leiche, dann presste er ein Taschentuch vor seinen Mund.

      „Genauso war's! Und dann hat Enno über Funk sofort die Küstenwache alarmiert!“, sagte Hauke und ließ das Segeltuch wieder fallen.

      „Was übrigens sehr umsichtig und richtig von Ihnen beiden war.“

      Robert schoss ein paar Fotos von der vorläufigen Lagerstätte der Leiche und fotografierte auch das Deck des Kutters: „Haben Sie zufällig auch die genauen Koordinaten der Fundstelle festgehalten?“

      Enno hatte sich unterdessen an der verbogenen Seilwinde zu schaffen gemacht, bevor er antwortete: „Natürlich, ist ja nicht meine erste Wasserleiche. Als erfahrener Seemann weiß man ja wohl, was in solch einer Situation zu tun ist. Ich habe die Koordinaten hier elektronisch im Logbuch gespeichert.“

      „Herr Kommissar“, warf Hauke ein, „wir sind übrigens der Meinung, dass es sich bei dem da vielleicht um einen dieser Hamburger Schnösel handeln könnte, die gern mal eine Party auf Papas Yacht veranstalten und dann besoffen ein unfreiwilliges Bad in der Nordsee nehmen.“

      „Wieso kommen Sie ausgerechnet auf Hamburg? Der Mann könnte doch genauso gut aus Groningen oder sonst woher stammen. Ist Ihnen sonst irgendwas Verdächtiges aufgefallen? Herumtreibende Wrackteile vielleicht oder ein gekentertes Beiboot?“

      Hauke zog ein dümmliches Gesicht und zuckte mit den Schultern: „Nein. Nicht, dass ich wüsste.“

      Aber Robert bohrte weiter und wendete sich nun gezielt an Enno, da ihm dieser Mann als der wesentlich Intelligentere erschien. Aber auch Enno zuckte nur mit den Schultern; ein leichtes Unbehagen war ihm dennoch anzumerken.

      „Mir fällt da auch nichts ein. Außer, dass es heute ein beschissener Tag auf See war.“

      Dabei lenkte er seinen Blick hinüber zur Kaimauer, wo sich neben dem Liegeplatz des kleinen Ausflugdampfers Etta von Dangast erneut eine Menschenmenge angesammelt hatte, um von dieser günstigen Position aus die Vorgänge an Bord des Kutters genau beobachteten zu können. Einige der Leute hielten sogar Handys und Kameras hoch über ihre Köpfe und begannen zu fotografieren. Enno reagierte wütend: „Herr Kommissar. Wir sollten zunächst dafür sorgen, dass diese saublöden Typen da endgültig vom Hafengelände verschwinden. Was meinen Sie? Ich jedenfalls habe nicht das geringste Interesse, mein Bild morgen in einem dieser Wurstblätter wiederzufinden.“

      Robert schritt eilig über das Deck, kletterte den Laufsteg hinüber und stellte sich erneut direkt vor die Gaffer auf die Kaimauer. Noch bevor jemand eine Frage an ihn richten konnte, blaffte er die Leute an. Diesmal zeigten seine verbalen Ausfälle offenbar eine spürbare Wirkung, da er auch seinen Dienstausweis hochhielt. Nachdem sich die Neugierigen wieder verstreuten, telefonierte Robert mit seiner Dienststelle und blickte dabei von oben herab auf das durch die Ebbe immer tiefer absinkende Schiffsdeck, auf dem die beiden Fischer noch immer standen und warteten. Dann informierte er die beiden Männer von der Kaimauer aus:

      „Ich habe die zuständige Polizeidienststelle informiert. Die Leute

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