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Schalen servierten. Und falls Sie immer noch Zweifel haben, nannten Sie nicht Susanne in intimen Momenten „meine revolutionäre Bankräuberin?!“

      Kurt errötete; es gab wohl keine Intimität, die Susanne ihrer Tochter verheimlicht hatte. Um das Thema nicht weiter zu vertiefen, fragte Kurt, ob Susanne wisse, dass Helena ihn besuche?

      „Ich habe ihr gesagt, dass ich Deutschland und auch Hamburg besuchen wolle und falls es sich ergäbe, würde ich schauen, wer Sie sind und wie Sie leben.“

      „Warum ist Susanne nicht mit Ihnen gereist?“

      „Sie ist glücklich dort wo sie lebt. Warum soll sie einen unnötigen Blick in die Vergangenheit werfen?“

      „Was hat Ihnen Susanne von mir erzählt und über uns?“

      „Nicht viel und doch nicht wenig - wie Sie meinen geschilderten Detailkenntnissen entnehmen können. Über Susannes Erlebnisse mit dem anderen Geschlecht bin ich bestens informiert, genauso wie auch sie über meine.“

      Ihr forsches Auftreten mit einer Brise Frechheit lösten keine Sympathiewelle in Kurt aus.

      „Erzählen Sie mir von Ihnen, wo leben Sie und wie sieht ihr Alltag aus?“

      „Ich studiere Anglizistik und Germanistik. Da Shakespeares Dramen mich am meisten beeindrucken, absolviere ich momentan ein Auslandssemester in London. Sie erinnern mich an die griechische Mythologie. Beeindruckend mit welchem Schaffensdrang jemand um 1600 so analytisch das menschliche Dilemma mit seiner Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit theatralisch inszenierte. Daneben fasziniert mich mit Goethe und Schiller. Bevor ich nach Hamburg kam, besuchte ich Weimar. Beeindruckend wie epochale Literatur an einem so kleinen Ort ihren Ursprung fand.“

      Trotz ihres altklugen Dozierens konnte Kurt ihren Enthusiasmus für die deutschen Klassiker zu gut nachvollziehen. „Ihre Begeisterung teile ich. Während meines siebenjährigen Germanistik-Studiums unternahmen wir 1986 eine Studienfahrt nach Weimar. Wie Sie sagen ´so klein` und doch gingen von hier so viele Strömungen und Gedanken aus: die Literatur von Wieland, Herder, Goethe und Schiller. Die Weimarer Republik 1919 und der Bauhausstil. Wir reisten mit unserem Professor für fünf Tage im Herbst dorthin. Trafen uns mit wohl ausgesuchten, belesenen und politisch aus Sicht der DDR-Regierung gut geschulten Germanistik Studenten aus Jena. Langweilig, weil keine offene Diskussion möglich war. An Goethes und Schillers Schreibtischen zu stehen, den Orten wo ihre genialen Gedanken einst wehten und schließlich auf Papier fest verankert wurden, das war für mich mystisch.“

      Im Geiste sann er diesen Momenten nach. Helena beobachtete ihn schweigend. Ein kurzes Zucken durchzog Kurt, als sein Bewusstsein ins Cafe zurück rutschte. „´tschuldigung, ich schweife ab.“

      Helena hob minimal ihre Schultern an und ließ sie genauso laisse faire sinken.

      Schnell schob Kurt hinterher: „Wie gefiel Ihnen Weimar?“

      „Sehr sauber und zu touristisch. Goethes Wohnhaus erschien mir wie eine Disney-Attraktion. Keine Chance in diesem Massenandrang auch nur die Spur seines Geistes wahrzunehmen. So beeindruckend das Bauhaus ist, mir war alles zu steril, museal.“

      Das Gespräch verstummte, schweigend schauten beide auf die Straße. Mit Blick nach außen fragte Helena:

      „Was machen Sie beruflich?“

      „Ich leite den Programmbereich für Talkshow und politische Magazine bei einem privaten Fernsehsender.“

      „Was für Talkshow sind dieses?“

      „Kennen Sie ´Talk um 5 vor 12` oder `Ich sehe das anders!?`“

      „Nein, ich muss passen, ich schaue sehr wenig Fernsehen und deutsches schon gar nicht.“

      „Es sind zum einen Sendungen zu politischen Themen und zum anderen zu menschlichen Problematiken wie z. B. Schulden, Umgang mit Arbeitslosigkeit aber auch zwischenmenschlichen Themen.“

      „Was versteckt sich hinter letzteren Themen?“

      „Vieles: Bewältigung von Krisen, Schicksalsschlägen, Krankheit, Trennung, Untreue, Sexualität, Partnerschaft.“

      „Klingt nach Boulevard-Journalismus: Wir baden uns voyeuristisch im Schicksal von anderen.“

      Ihre Arroganz missfiel Kurt; wortlos rührte er in seinem Latte Macchiato. Helena schien seine mentale Verschnupfung zu bemerken. Mit etwas weicherer Stimme fragte sie ihn, ob ihm die Arbeit Spaß mache.

      „Ja, ich habe zwar viel Stress, lerne dafür interessante Menschen kennen und kann Dinge gestalten. Jede Woche entscheide ich mit, welche Themen im TV-Programm behandelt werden.“

      „Sie scheinen eine hohe Position mit umfangreichen Einwirkungsmöglichkeiten inne zu haben. Wird Ihnen die Größe dieses Machtraumes nicht auch unheimlich?“

      „Keineswegs. Ich genieße diesen Gestaltungsspielraum. Die Themenvorschläge sammeln wir in der Redaktionssitzung. Meist bilden sich zwei oder drei Ideen heraus. Wenn wir uns nicht einigen können, gehört es zu meinen Kompetenzen die Entscheidung zu fällen. Es fasziniert mich, Einfluss bei der öffentlichen Meinungsbildung zu besitzen.“

      „Sie haben also die Macht Menschen zu manipulieren“, stichelte Helena mit angeschärftem Ton.

      „So dürfen Sie das nicht interpretieren. Schauen Sie, ich würde es folgendermaßen beschreiben: Wir stellen einen Stuhlkreis mit einem Moderator zur Verfügung. Stellen eine Frage in den Raum; und Menschen, die meinen zu diesem Thema etwas sagen zu haben, ermöglichen wir dieses dann. Unsere Zutat ist dann nur noch, dass wir ein paar Kameras auf diese Runde richten und den Fernsehnutzern bieten wir an, sich dieses anschauen. Es ist ihre Wahl, ob sie ihren Fernseher einschalten und welche Tastenkombination sie auf ihrer Fernbedienung drücken. Wenn sie unseren Sender auswählen, freut uns das. Von daher beschreibt Manipulation nicht unser Angebot.“

      Nach einer kurzen Stille schoss Helena eine Batterie von Fragen nach Lebenssituation, Familie und Freizeitgestaltung ab.

      Beruhigt nahm Kurt zur Kenntnis, dass sie die gewetzten Messer abgelegt hatte. Im Schnelldurchlauf erzählte er von seiner Familie und seinen beiden Hobbys.

      „Wie haben Sie ihre Frau kennengelernt?“

      „Als ich beim Fernsehen im dritten Programm tätig war, lernte ich sie als eine der Assistentin im Redaktionsbüro kennen. Ich schätzte ihre verlässliche und loyale Arbeit.“

      „Scheinbar nicht nur die“, rutschte es Helena heraus.

      „Diplomatie gehört offensichtlich nicht zu Ihren Stärken.“

      Helena schoss das Blut in die Wangen.

      „Entschuldigung. Wahrscheinlich liegt es an meiner Nervosität. Es ist nicht gewöhnlich, dass man einen fremden Mann trifft, der vor über zwanzig Jahren eine Zeitlang der wichtigste Mensch im Leben der eigenen Mutter war. Hätte Susanne Sie nicht getroffen, wäre sie wohl weiter als Bankkauffrau tätig gewesen, hätte ihren damaligen Freund geheiratet, wahrscheinlich zwei bis drei Kinder bekommen und würde jetzt in einer Einfamilienhaussiedlung leben und ihren Garten pflegen. Mir ist es ein Bedürfnis, Sie kennen zu lernen und auch zu erfahren, wie Sie den Sinneswandel meiner Mutter wahrgenommen haben.“

      Gibt es Dissonanzen zwischen Susanne und ihrer Tochter? In Kurt keimte der Eindruck, dass Helena Einblick in ein Kapitel von Susannes Lebensweg erhaschen wollte, der ihr bisher vorenthalten wurde. Auch wenn Helena anfangs betont hatte wie eng Mutter und Tochter sich standen, fragte Kurt sich, ob dieses in allen Dingen so war. Welche Antworten suchte Helena?

      „Um auf ihre Frage zurückzukommen: In unserer Branche gibt es keine nine-to-five-jobs; politisch unruhige Zeiten und Projekte fordern, dass man abends und auch mal am Wochenende arbeiten muss. Berufsbedingt arbeiteten Manuela und ich in solchen Ausnahmezeiten häufiger zusammen. Ihre Souveränität und die Ruhe, die sie selbst, wenn es hektisch wurde, ausstrahlte, faszinierten mich. Für mich war sie in unruhigen Fahrwassern ein Fels in der Brandung. Nicht verwunderlich, dass das Segeln unser gemeinsames Hobby wurde. In stürmischen Zeiten die Ruhe bewahren und sich auf einander

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