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Psychologie für Sportschützen. Hannes Kratzer
Читать онлайн.Название Psychologie für Sportschützen
Год выпуска 0
isbn 9783844275629
Автор произведения Hannes Kratzer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
2.3.4. Konzentrationsfähigkeit
Die Trainierbarkeit der Konzentrationsfähigkeit ist in vielen Untersuchungen hinreichend belegt. Die meisten Ergebnisse stammen allerding aus dem klinischen und pädagogischen Bereich, wo es vor allem um den Abbau von Defiziten geht. Hier sind beachtliche Erfolge erreicht worden. Aber wie ist das im Sportschießen? Können die gleichen Methoden eingesetzt werden? Unser Ziel ist es doch nicht, Defizite abzubauen, sondern eine bereits vorhandene, gute (oder auch sehr gute) Konzentrationsfähigkeit in Richtung Extremausprägung zu entwickeln.
Vergleicht man die unterschiedlichsten Sportarten, so gehört das Sportschießen zu jenen mit den höchsten Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit. Demzufolge finden sich unter den Spitzenschützen auch sehr viele mit einer extremen Ausprägung dieser Eigenschaft.
Die im Sportschießen durchgeführten Untersuchungen bestätigen die Trainierbarkeit der Konzentrationsfähigkeit, auch bei Vorliegen überdurchschnittlicher Ausgangsleistungen.
Sowohl die Sportler in der Experimentalgruppe (zusätzlich zum schießsportlichen Training Konzentrationstraining im Labor) als auch in der Kontrollgruppe verfügen über ein überdurchschnittliches Ausgangsniveau (Durchschnitt d2/KVT = 100). Dennoch gelingt es, durch zusätzliches Konzentrationstraining einen Übungsgewinn zu erzielen. Deutlich wird aber auch, dass durch das regelmäßige schießsportliche Training selbst eine erhebliche Verbesserung in der konzentrativen Leistungsfähigkeit erreicht wird.
Vergleicht man individuelle Entwicklungsverläufe, so ergeben sich auffällige interindividuelle Differenzen.
Bei den aufgeführten Werten handelt es sich um Jahresdurchschnittswerte der im Labortraining gezeigten Leistungen. Analog zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit deutet sich an, dass eine positive Leistungsentwicklung ihre Entsprechung auf der Ebene der Leistungsvoraussetzungen hat. Entscheidend ist letztlich nicht die durchschnittliche Wirkung des Konzentrationstrainings, sondern der Trainingserfolg beim einzelnen Sportler. Die langjährigen Erfahrungen bestätigen, dass ein systematisches Konzentrationstraining besonders im Anfängerbereich sinnvoll und effektiv ist. Bei fast allen Sportlern können deutliche Verbesserungen erreicht werden.
2.4. Eignungsauswahl: Ja oder Nein ?
Wenn in Trainerweiterbildungen der Begriff Eignungsauswahl oder Eignungsauslese fällt, entsteht oft eine Diskussion darüber, ob man überhaupt im Kindes- oder Jugendalter Tests mit dieser Zielrichtung durchführen sollte. Viele wollen gar keine Leistungsschützen entwickeln, sondern „nur“ Nachwuchs für den Verein gewinnen. Die Leistung käme dann mit dem regelmäßigen Training und wirkliche Talente würden sich sowieso durchsetzen. Hinter derartigen Bemerkungen verbergen sich oft falsche Vorstellungen über die Ziele von Eignungsüberprüfungen.
Obwohl wir davon ausgehen, dass prinzipiell alle aufgeführten Leistungsvoraussetzungen trainier- und entwickelbar sind, zeigen die Erfahrungen aber auch, dass
① nicht unbegrenzt trainiert werden kann, d.h. eine deutlich unterdurchschnittlich entwickelte Komponente kann nicht in den positiven Extrembereich entwickelt werden und
② die Trainierbarkeit der Sportler selbst unterschiedlich ausgeprägt ist.
In der Trainierbarkeit gibt es demnach erhebliche Unterschiede, sowohl zwischen den überprüften leistungsbestimmenden Komponenten als auch zwischen den Sportlern. Folglich wäre es sinnvoll und nützlich, entsprechende Überprüfungen durchzuführen, vor allem im Interesse der Sportler.
Was verstehen wir eigentlich unter Eignung?
Eignung ist die Bezeichnung einer hinreichenden Übereinstimmung von personellen Leistungsvoraussetzungen und aufgabenabhängigen Anforderungen bei konkreten Tätigkeiten als „Geeignetsein“; zugleich Ziel und Zweck der Ausbildung (Training) als „Geeignetmachen“.
(Clauß u.a., 1981)
Die Aufgabe des Trainers besteht in erster Linie im „Geeignetmachen“. Deshalb sollte man die Eignung auch immer unter mehreren Aspekten sehen.
❶ Trainingsmethodischer Aspekt
Wenn wir „Geeignetmachen“ als unsere Hauptaufgabe ansehen, dann ist auch der trainingsmethodische Aspekt von herausragender Bedeutung. Im Auswahlprozess werden Stärken und Schwächen der einzelnen Sportler aufgedeckt. Das ermöglicht von Anbeginn eine effektive Ausbildung der jungen Schützen, die gezielt auf die Überwindung bestimmter Schwächen bzw. auf die Nutzung konkreter Vorzüge gerichtet sein kann.
❷ Leistungsaspekt
Es werden jene Schützen ausgewählt und besonders gefördert, deren zukünftige sportliche Leistungsfähigkeit mit höchster Wahrscheinlichkeit im Bereich der ermittelten Prognoseleistung für die betreffende Disziplin liegt. Deren Höhe hängt davon ab, auf und für welche Ebene ausgewählt wird (Vereins-, Kreis-, Landesebene, nationale oder internationale Ebene).
❸ Individueller Aspekt
Eine wissenschaftlich begründete Überprüfung ist immer auch ein Hilfsmittel für die individuelle Beratung, Steuerung und Förderung der Sportler. Das Vorgehen beugt individuellen Fehlentscheidungen und Rückschlägen vor und trägt dazu bei, konflikthafte Persönlichkeitsentwicklungen zu vermeiden.
Fehlt einem Pistolenschützen beispielsweise die Fähigkeit zur exakten Einschätzung einer Mittenlage (optische Diskriminationsfähigkeit) so wird sich das in seiner Disziplin irgendwann als limitierend (leistungsbegrenzend) erweisen. Sind die anderen leistungsbestimmenden Komponenten aber vorhanden, so steht einer erfolgreichen Entwicklung in einer anderen Disziplin (z.B. Wurfscheibe) nichts im Wege.
❹ Ökonomischer Aspekt
Auch im Leistungssport kommt es darauf an, die zur Verfügung stehenden materiellen Mittel zweckmäßig und konzentriert an der richtigen Stelle einzusetzen. Die Förderung talentierter Schützen mit Sportgeräten oder finanziellen Mitteln ist immer dann nachhaltig begründbar, wenn entsprechende Überprüfungsergebnisse vorliegen. Irrtümer und Fehlentscheidungen werden verringert, mit gleichem oder geringerem materiellen Aufwand kann unter Umständen mehr erreicht werden.
Ein solches Verständnis von Eignung und Auswahl führt zu einem methodisch begründeten Einsatz der verschiedensten Überprüfungsmethoden (KASTEN 4).
Über apparative Möglichkeiten zur Überprüfung der taktil-kinästhetischen Diskriminationsfähigkeit (Sensibilität) im Finger verfügen die Messplätze in den Bundesleistungszentren.
Aufgrund der in den Untersuchungen erreichten Ergebnisse wird jedem Sportler ein sogenanntes Eignungsprädikat zugeordnet:
❶ Besonders geeignet
Die leistungsbestimmenden Komponenten sind in ihrer Mehrzahl überdurchschnittlich