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sehr führsorglich.«

      Ich benutzte die Gabel und steckte mir ein ordentliches Stück Erdbeerkuchen in den Mund. Beim Kauen hatte ich Gelegenheit, zu überlegen, wo ich stehen geblieben war. Ich machte einen Zeitsprung.

      Das Jahr der Schlange 2001

      August 2001, Olofstorp in der Nähe von Göteborg. Rin Mura öffnete das Fenster seines Arbeitszimmers. Warme Luft strömte in den Raum. Es roch nach Gewitter. Am Himmel zogen die Wolken langsam an der Mondsichel vorbei. Rin Mura beugte sich hinaus, blickte nach unten in den Hof der Villa, in dem die beiden kantigen Volvo-Limousinen in der beginnenden Dämmerung warteten. Er sog noch einmal die Luft ein, schloss dann das Fenster. Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Die Papiere hatte er bereits aus den schwarzen Aktenordnern genommen und bereitgelegt. Er nahm immer nur wenige Seiten und führte sie in den Schlitz des Schredders ein. Das Gerät zog Rin Mura die Blätter aus der Hand. Die rotierenden Messer lärmten, quälten sich durch das Papier und liefen leer, bis neue Blätter zugeführt wurden. Rin Mura griff nach den Kontoauszügen, besah sich noch einmal die Zahlenreihen und gab auch diese Dokumente in den Schredder.

      Das Klopfen überhörte er. Die Tür öffnete sich, Chenda trat ins Zimmer. Sie ging sofort zu ihm, umarmte ihn. Sie küssten sich, sahen sich dann für einen kurzen Moment schweigend an. Rin Mura holte den Umschlag aus seiner Jacketttasche hervor.

      »Hier sind deine Tickets und das Geld, Liebes«, erklärte er. »Es sind zehntausend Kronen und noch einmal zweitausend Dollar.«

      Chenda nahm den Umschlag, öffnete ihn. Das Geld beachtete sie nicht, sie zog die Tickets hervor, studierte sie.

      »Tijuana, Mexiko?«

      »Sorry, Liebes, aber ich konnte es dir vorher nicht sagen. Du wirst in Tijuana bereits erwartet, vertrau mir.«

      »Schiphol, ist das nicht ein Risiko?«, fragte Chenda.

      »Es geht nicht ohne Zwischenstopp«, erklärte Rin Mura, während er ihre Hand nahm und sie streichelte. »Du wirst aber nur zwei Stunden Aufenthalt haben.«

      Sie nickte, schob die Tickets wieder in den Umschlag und umarmte ihn ein zweites Mal. Sie gab ihm noch einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich von ihm löste und zur Tür ging. Draußen auf dem beleuchteten Flur lief einer der Leibwächter mit Chendas Koffern vorbei, trug sie aus dem Haus zu einem der Wagen.

      Ein anderer Mann stand im Flur, wartete, bis Chenda das Arbeitszimmer verlassen hatte. Rin Mura nickte, Louk Bourey trat ein, kam zu ihm an den Schreibtisch und verbeugte sich.

      Rin Mura legte Louk Bourey die Hand auf die Schulter. »Ist alles vorbereitet?«

      »Ja, es ist alles vorbereitet, Herr«, bestätigte Louk Bourey und deutete wieder eine Verbeugung an.

      Rin Mura lächelte. »Dann brauche ich jetzt Ihren Pass.«

      Louk Bourey nickte. Er hatte das bordeauxrote Ausweisheft bereits in der Hand, reichte es Rin Mura, der es sofort aufblätterte und sich die Fotografie ansah.

      »Als ich das Bild eingereicht habe, gab es keine Probleme«, erklärte Bourey. »Niemand hat danach gefragt und ich habe den Reisepass seit der Ausstellung vor zwei Monaten nicht benutzt. Ich habe ja noch meine alte ID-kort.«

      »Brauche ich die auch?«, fragte Rin Mura.

      Bourey schüttelte den Kopf. »Die habe ich jetzt sicher verwahrt. Sie verwenden nur meinen Reisepass.«

      »In Ordnung!« Rin Mura steckte den schwedischen Ausweis in seine Jacketttasche. Dann wandte er sich um, nahm den bereitgelegten Papiere vom Schreibtisch. »Ich gebe Ihnen also meinen koreanischen Pass. Das Foto ist wirklich so schlecht, dass es niemandem auffallen wird.«

      Rin Mura klappte den Ausweis auf. Die Fotografie wurde tatsächlich beiden Männern gerecht. Er reichte ihn Louk Bourey, der den Ausweis sofort in die Innentasche seiner Jacke steckte.

      »Wenn wir uns das nächste Mal treffen, wird alles hinter uns liegen und wir nehmen mit Stolz wieder unsere richtigen Identitäten an«, sagte Rin Mura beinahe feierlich. Er lächelte.

      »Danke, es ist eine große Ehre für mich, Herr.«

      Louk Bourey nickte und machte dann aus der Kopfbewegung eine Verbeugung. Er ging zwei Schritte rückwärts, drehte sich um und verließ das Arbeitszimmer. Er schloss die Tür hinter sich. Rin Mura blieb allein. Er hatte noch Arbeit vor sich. Zunächst ging er aber zum Fenster. Der Motor einer der Limousinen wurde gestartet. Die Scheinwerfer erhellten den Hof der Villa. Chenda saß bereits im Fond des Wagens. Louk Bourey kam über den Kiesweg. Einer der Leibwächter hielt ihm die Wagentür geöffnet. Bourey setzte sich neben Chenda. Seine Reisetasche wurde in den Kofferraum gelegt. Der Leibwächter stieg vorne beim Fahrer ein. Der Wagen fuhr an, rollte durch die Torausfahrt und fuhr in den Wald, der sich dem Villengrundstück anschloss. Einmal noch sah Rin Mura die Autoscheinwerfer durch die Bäume flackern, dann waren sie verschwunden. Für die knapp dreißig Kilometer bis zum Vedderland Airport von Göteborg würde der Wagen eine halbe Stunde brauchen. Rin Mura sah auf die Uhr.

      *

      Zwei Stunden später, Eastern Daylight Time, getarnter, abhörsicherer Einsatzraum.

      »Was ist das?«

      »Ein Kalender, Sir. Ein chinesischer Kalender.«

      Tillman Halls hatte sich erhoben, als die beiden Offiziere den Raum betraten. Der Colonel blieb vor der Leinwand des Videobeamers stehen und starrte auf die Zahlen und Symbole.

      »Wir haben das Jahr der Schlange«, erklärte der Commander, der den Colonel in den Raum geführt hatte. Der Commander deutete auf die Grafik. »Metall-Schlange, um exakt zu sein, aber Mr. Halls wird es ihnen genauer erklären.«

      »Jawohl, Sir!« Tillman Halls wartete, bis sich die Offiziere gesetzt hatten, dann nahm er selbst wieder Platz. Er zog sich das weiße iBook heran, fuhr mit dem Finger über das Touchpad und folgte mit den Augen dem Mauspfeil auf der Leinwand.

      »Es sind fünf Elemente und zwölf Tierzeichen. Es ist ein Sechzig-Jahre-Zyklus. Jede Kombination aus einem Element und einem Tierzeichen kommt also nur alle sechzig Jahre vor.« Tillman Halls sah den Colonel kurz an. »Die Schlange ist das sechste Tier. Sie steht für Schlauheit.«

      »Was soll das mit der Schlange?«, unterbrach der Colonel Tillman Halls.

      Halls räusperte sich. »Wir nehmen an, dass die Schlange eine Bedeutung für die Ereignisse der vergangenen Monate hat. Unser erster Toter wurde am 29. Januar gefunden. Laut Obduktion war der Mann nicht länger als achtundvierzig Stunden tot. Das Jahr der Schlange hat am 24. Januar 2001 begonnen und endet im nächsten Jahr am 11. Februar.«

      »Sie sagten chinesischer Kalender. Was hat das mit Kambodscha zu tun?«

      »Buddhismus, Sir. Wir glauben, dass es sich um ein Ritual handelt.«

      »Religiöse Morde?«

      »Nein, das glauben wir allerdings nicht. Die Symbole der Religion spielen zwar eine Rolle, aber es gibt noch eine andere Theorie, die sich aus der Gemeinsamkeit aller sechs Opfer ableitet.«

      »Moment!«, warf der Colonel ein. »Ich habe die Information, dass es sich nur um zwei Opfer handelt.«

      Tillman Halls schüttelte den Kopf. »Nein, es sind mittlerweile sechs, wir haben bis jetzt sechs Leichen. Die Zweite im Februar, eine im März, zwei im Mai und die Letzte am 23. Juli, also vor knapp drei Wochen.«

      »Sechs!« Der Colonel wandte sich jetzt an den Commander, sah ihn fragend an.

      »Ja, das ist richtig, Sir. Es sind sechs Opfer. Wir haben den Zusammenhang erst nach dem Fund der letzten Leiche eindeutig klären können.« Der Commander zog eine Akte heran, die auf dem Tisch lag, und schlug sie auf.

      Der Colonel beugte sich über das Papier und nickte. »Ja, richtig, die beiden Namen ganz oben, das sind unsere Leute.«

      »Und was ist mit den anderen?«,

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