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umgehen kannst“, fuhr er scheinbar unbeeindruckt fort, „wirst du dich morgen bei den Zwingern der Trosshunde melden. Ein volles Jahr lang sollst du die Magd des Trossmeisters sein und ich rate dir dringend, dein Temperament zu zügeln - denn Trosshunde sind andere Gegner als kleine Mädchen - die können sich nämlich wehren!“

       DER ZWINGER

      Mit einem sehr mulmigen Gefühl meldete Ysell sich am nächsten Tag bei Trossmeister Bogan, der sie selbst am Tor des Zwingers in Empfang nahm. Trosshunde waren, soweit Ysell wusste, sehr große, halbwilde Tiere, die für alles andere als ihre Freundlichkeit bekannt waren. Nie sah man einen von ihnen in der Stadt, aber die Geschichten, die über sie erzählt wurden, waren Legion - und es waren alles sehr blutrünstige Geschichten.

      Alle paar Jahre, wenn die Bevölkerung der Stadt zu groß wurde, und die Ernten nicht mehr ausreichten, um noch alle ernähren zu können, wurde aus mehr oder weniger freiwilligen Kandidaten eine Gruppe gebildet, die `Land machen´ ging.

      So fanden sich dann in etwa jedem siebten Jahr Abenteurer und Glücksritter, Machthungrige und Arme zu einem Clan zusammen. Etliche Leute, denen der Boden in der Stadt aus irgendwelchen Gründen zu heiß geworden war, fanden hier genauso Aufnahme, wie Schuldner, denen die Gläubiger im Nacken saßen. Ertappte Gesetzesbrecher konnten sich schlimmerer Strafe entziehen, wenn sie freiwillig in die Verbannung gingen; und die Obrigkeit nutzte gern die Gelegenheit, die Gefängnisse zu leeren. Jeder konnte sich melden und niemand wurde abgelehnt, solange er noch einigermaßen laufen konnte. So waren denn jedes Mal auch viele Alte dabei, die mitgingen, um ihren Familien nicht zur Last zu fallen. In der ärmeren Bevölkerung war es nahezu eine Ehrenpflicht, sich im Alter einem Clan anzuschließen und die Stadt für immer zu verlassen.

      Diese Clans gingen natürlich nicht mit leeren Händen. Zelte, Vorräte, Werkzeuge, Waffen und sonstige persönliche Besitztümer mussten transportiert werden. Hoch beladene Tragtiere bildeten den Tross, der vor dem Clan herzog, das Gepäck beförderte und den Weg ebnete. - Diese Tragtiere und auch den Clan gegen die Gefahren der Steppe zu schützen, das war die Aufgabe der Trosshunde.

      Trosshunde waren von wuchtigem Körperbau, ungeheuer stark und kannten keine Angst. Sie konnten schneller laufen als ein Pferd, nahmen es auch mit den gefährlichsten Tieren auf; und selbst ein gut bewaffneter Kämpfer sollte der Legende nach keine Chance gegen sie haben. - Mit diesen furchtbaren Tieren sollte es Ysell jetzt jeden Tag zu tun haben. - Ihr war schlecht vor Angst.

      „Du wirst dich vor allem um Läufer kümmern“, brummte Bogan, als er mit Ysell über den Hof des Zwingers ging. „Ein Trosshund reinsten Blutes. - Leider nur ein wenig ungehorsam. Ich traue mich selbst kaum, ihn zu berühren - aber du wirst mit ihm schon fertig werden.“

      „I-Ist er groß? - Ist er gemein? - Beißt er? “ Ysell konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. Ein ausgewachsener Trosshund wog weitaus mehr als sie selbst und konnte armdicke Holzknüppel zwischen seinen Kiefern zermalmen. Was, wenn es ihm nun einfiel, sehr ungehorsam zu sein, und ihr kurzerhand ... Ysell mochte nicht weiterdenken. Die Knie wurden ihr schwach und willenlos taumelte sie dem Alten hinterher, der, mürrisch wie er war, natürlich keine Antwort gab.

      Auf der anderen Seite des Hofes war das eigentliche Zwingergebäude. Ein Schuppen, dessen eine Seite mit Eichenstäben vergittert war. „Deinen Hund konnte ich hier nicht unterbringen“, erklärte der Alte im Vorbeigehen „Die Gitter würden ihn nicht halten können.“

      Endlich stoppte Bogan vor einem geschlossenen Schuppen am Ende des Zwingergebäudes. Betont vorsichtig fingerte er an dem Riegel der schweren Tür herum und Ysell sah ganz genau, dass er sich so hinstellte, dass er von der sich öffnenden Tür gedeckt war, während sie vollständig ungeschützt auf dem Hof stand.

      Ysell kam es vor, als habe der Richter sie zum Tode verurteilt und Bogan sei der Vollstrecker. Knarrend schwang die schwere Tür auf. Mit jeder Faser ihres Körpers bereit, beim geringsten Anlass laut schreiend davonzulaufen, starrte Ysell angstvoll in das Dunkel hinein und sah - einen Welpen.

      „Das ist dann also Läufer“, stellte Bogan Ysell das Tierchen vor. „der Name täuscht aber - denn laufen kann er noch nicht so gut.“

      Der Alte hatte sie belogen! Ysell merkte, wie die Wut in ihr emporkroch. - Er hatte ihr Schauermärchen erzählt und sie zu seinem Vergnügen wie eine Marionette der Angst über den Hof taumeln lassen. Was erlaubte sich dieser Hohlkopf eigentlich? So konnte er vielleicht mit seinen Viechern umspringen, aber doch wohl nicht mit ihr!

      „Du verstehst sicher, dass ich ihn wirklich kaum berühren mag“, drang die Stimme des Alten wie von weit her in Ysells Geist. „Ich habe Angst, ihm mit meinen groben Händen wehzutun. - Und was den Zwinger angeht - die Stäbe könnten ihn tatsächlich nicht halten. Er würde einfach dazwischen durchlaufen.“

      Heiße Schauer wallten in Ysell auf. Dieser alte Trottel faselte einen so unerträglichen Blödsinn, dass sie es kaum noch aushalten konnte. Sie spürte genau, dass gleich wieder der Zorn in ihr hochkochen würde.

      In diesem Moment jaulte der Welpe im Schuppen angstvoll auf und wich mit tapsigen Schritten zurück. Dann überlegte er es sich aber plötzlich anders, das kurze Fell stellte sich in seinem Nacken auf - und blitzartig machte er mit hochgezogenen Lefzen und zurückgelegten Ohren Front gegen Ysell.

      „Was ist denn das?“ Ysell schaute fassungslos auf das winzige Tierchen, das zähnefletschend in dem Verschlag stand - und vergaß dabei ganz, sich noch weiter in ihre Wut hineinzusteigern.

      „Er hat gespürt, dass du wütend bist“, antwortete Bogan. „Aber er weiß nicht warum. Er denkt, dass du ihn vielleicht angreifen willst.“

      „Aber ich habe doch gar nichts gemacht.“

      „Ich sagte doch, er hat es gespürt.“

      „Du meinst ...“

      „Deine bösen Gedanken haben ihn geängstigt.“

      „Er kann meine Gedanken lesen?“ Ysell schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Wieso zwingst du mich, dir alles zweimal zu erklären?“ Bogan runzelte die Stirn und sah Ysell streng an. Du hörst meine Worte, aber du scheinst sie nicht zu verstehen! - Hier also meine Antwort - und merke sie dir gut: - Ja! Trosshunde können die Gedanken der Menschen deuten, das macht sie so wertvoll. Mehr noch - sie können sogar mit den Menschen sprechen - und das macht sie noch wertvoller.“

      „Sprechen?“, rutschte es Ysell heraus. Sie hätte sich ohrfeigen können. „Entschuldigung!“

      Bogan lächelte und fuhr fort, als habe sie nichts gesagt. „Noch eins: Ich habe Läufer deinetwegen von seiner Mutter abgesondert, bevor du kamst. - Hätte sie es erlebt, wie du ihr Junges in Angst versetzt hast, dann würde ich dich jetzt zum Heilkundigen tragen müssen - und die Spur meiner Schritte wäre rot von deinem Blut. - Geh jetzt!“, schloss der Alte „Und sei morgen zur Zeit der Frühsonne wieder hier.“

      Läufer hatte sich inzwischen beruhigt, und Bogan schloss das Tor des Schuppens. Dann brachte er Ysell zur Straße und verabschiedete sich von ihr. „Bis morgen.“

      Verwirrt schlurfte Ysell die Straße entlang und schaute sich noch ein paar Mal nach dem geschlossenen Tor um. Sie brauchte einige Augenblicke, um wieder zu sich selbst zu finden - und als sie sich gefunden hatte, machte sie sofort ihren nächsten Fehler.

      Ysells Stolz ließ es natürlich nicht zu, dass sie sich an Bogans Anweisung hielt. Was bildete dieser verrückte Pupser sich eigentlich ein? - Bis morgen? - Er konnte sie doch nicht herumkommandieren wie einen seiner Hunde. Außerdem hatte sie den niedlichen Welpen gesehen und wollte mit ihm spielen - und zwar sofort.

      Kaum zweihundert Schrittmaß von dem Zwinger entfernt machte Ysell kehrt und schlug bald darauf abermals an das hohe Tor aus Eichenholz - aber Bogan wies sie schon an der Pforte ab. „Läufer muss sich erst wieder vollständig beruhigen“, sagte er „Er ist im Moment zu nervös, denn er ist nicht an solche Wutausbrüche gewöhnt. Wenn ihr euch morgen beide wieder beruhigt habt, mache ich

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