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als sie. Es war hoffnungslos. In wenigen Augenblicken schon würde sie nachgeben müssen und dann...

      Ysell gab sich verloren, denn die Trossleute waren mit den Tragtieren wenigstens zweihundert Schrittmaß weit entfernt. Kalt und leidenschaftslos starrten die Insektenaugen des Jumpers auf sie herab, und Ysell sah, wie die Gier gelblichen Schleim aus seiner Fressöffnung triefen ließ. Verbissen und mit äußerster Anstrengung versuchte sie, die ruckartig auf sie zu drängende Schere fern zu halten und das Unvermeidliche vielleicht doch noch zu verhindern, bis die Hunde heran waren. – Das war sie Bogan schuldig, denn er hatte sie ausgebildet. Ysell kämpfte um ihr Leben, aber sie kämpfte auch, um Bogan nicht zu enttäuschen. - Bogan, mit dem alles begonnen hatte...

       DAS BUCH BOGAN

       YSELL

      Ysell rannte so schnell sie konnte um die Ecke des Marktplatzes, duckte sich unter einem Mauervorsprung hindurch, rutschte auf Knien und Ellbogen durch eine verdeckte Öffnung in der Wand, richtete sich hastig auf und raste mit jagendem Herzen die finstere Gasse entlang. Jetzt hieß es aufzupassen und den Wachen nicht unter die Augen zu kommen, bis der Aufruhr sich gelegt hatte.

      Ysell wurde ein wenig langsamer und schaute sich um. Nichts war von den Verfolgern zu sehen; es würde sicher eine Weile dauern, bis die dicken Kerle sich durch das enge Loch gezwängt hatten - wenn sie es überhaupt fanden. Sie konnte sich ein boshaftes Grinsen nicht verkneifen. - Elfjährige Mädchen waren eben doch gewitzter als erwachsene Männer. -Denen fehlte es nun mal eindeutig an Findigkeit und Phantasie.

      Ysell fiel in leichten Trab. Erstaunlich, wie humorlos die Wachen waren, fand sie. Gleich zu fünft hinter ihr herzujagen, bloß weil sie sich einen kleinen Spaß gemacht hatte...

      Mit schnellen Schritten ging Ysell weiter zwischen den hohen, lehmbraunen Mauern hindurch, in denen nur da und dort eine schmale Fensteröffnung davon zeugte, dass es sich um die Rückseiten zweier Häuserzeilen handelte.

      Ysell war in Sicherheit, das wusste sie. Sorgen machte sie sich bloß um Sabé, ihren Komplizen. Gleich nach ihrer Entdeckung waren die beiden in verschiedene Richtungen geflüchtet und sie hätte gern gewusst, ob auch er den Wachen hatte entkommen können. Gewiss, Sabé war schnell und wendig, aber er neigte auch ein wenig zum Leichtsinn, fand Ysell. Mittlerweile war sie noch langsamer geworden und schlenderte fast durch die vergessene Gasse hinter den Häusern, die nur sie, Sabé und ein paar andere Kinder kannten. Niemand war hinter ihr. Gleich würde sie am Ende der Gasse über die alte Mauer klettern und sich wieder unter die Leute mischen, dann würde sie endgültig in Sicherheit sein.

      Eine heiße Welle der Freude stieg in Ysell auf, als sie daran dachte, wie sie die Wachen hereingelegt hatte. - Schade nur, dass sie nicht in den vollen Genuss des Anblicks gekommen war. Gewandt wie ein Salamander erkletterte sie die Mauer, rollte sich über die Mauerkrone und fiel, mit den Füßen voran - einem Wächter in die Arme.

      „Ich habe schon gedacht, du kommst nicht mehr!“ Der Mann schloss seine Arme so fest um Ysells Leib, dass ihr fast der Atem verging. „Du bist langsam!“

      „W- woher“, stammelte Ysell aufgeregt und vergaß vor lauter Schreck sogar, sich zu wehren, „- wieso?“.

      „Wieso ich wusste, dass du hier herauskommen würdest?“ Der Mann lachte grimmig „Glaubst du, dass ich alt geboren wurde? Ich habe diesen Weg selbst wohl an die hundertmal benutzt - und vor mir mein Vater und mein Großvater.“

      `Übertölpelt!´ Der Gedanke versetzte Ysell schlagartig in helle Wut. Ohne jede Vorwarnung holte sie mit dem rechten Fuß aus und trat mit aller Kraft nach dem Schienbein des Mannes, holte sich an den metallbesetzten, ledernen Beinschützern aber nur einen abgebrochenen Zehnagel. Der plötzliche Schmerz tat ein Übriges. Außer sich vor Zorn und Angst trat und schlug Ysell um sich und hätte dem Wächter bestimmt in die Nase gebissen, wenn der seinen Griff nicht schnell gelockert und sie zu Boden gelassen hätte. Zu Ysells großem Ärger war er aber gewitzt genug, sie rasch bei ihrem Haar zu fassen und sich einige Strähnen um die Hand zu schlingen. So wurde sie denn, leise Verwünschungen vor sich hin zischend, mit hochrotem Kopf an ihren Haaren durch die halbe Stadt zu den Räumen der Wache geschleppt - ihrem Richter entgegen.

      „So, so, Hühnermist also!“ Der Richter nahm seinen Hut ab und schaute nachdenklich hinein. „Das muss aber sehr unangenehm sein für die Wachen, wenn du ihnen Hühnermist in die abgelegten Helme tust. - Hast du denn daran nicht gedacht?“

      „Äh, nö“, versicherte Ysell treuherzig „Hab ich wirklich nicht.“

      „Und treten und schlagen und beißen, wenn man verhaftet werden soll“, fuhr der Richter unbeeindruckt fort „was soll denn das?“

      „Och, das war ja nur Spaß“, beteuerte Ysell „Ich hab mich doch gar nicht richtig gewehrt!“.

      „So?“ Der Richter schien irgendwelche Zweifel an dieser Darstellung der Dinge zu haben. „Und wer war dein Komplize?“, wollte er dann wissen.

      „Welcher Komplize denn?“ Ysell schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich war allein.“

      „Stell dich nicht dümmer als du bist!“ Der Richter sah streng auf Ysell hinab. „Also - der kleine Halunke, der mit dir zusammen gesehen wurde - der die Pferde der Wachen losband - wer war das?“

      Ysell konnte es nicht verhindern, dass sich ein belustigter Ausdruck in ihre Augen stahl, als sie daran dachte, wie schnell die Wachen aus dem Haus gestürzt waren, nur an die Pferde denkend - eilig die Helme von der Fensterbank greifend ... Sie achtete jedoch sehr darauf, dass das Lächeln ihre Mundwinkel nicht erreichte. „Niemand.“ Ysell richtete sich zu voller Größe auf und sah dem Richter gerade ins Gesicht. „Niemand war bei mir. Ich war allein!“

      „Du könntest es dir leichter machen“, schlug der Richter nun in versöhnlichem Tonfall vor „Wenn du mir den Namen des Jungen gibst, würde ich deine Bestrafung noch einmal überdenken.“

      Sabé! schrie eine Stimme in Ysell auf. Gib ihm den Namen, dann lässt er dich in Ruhe! Was kann der Richter schon tun? Er wird euch eine kleine Strafe auferlegen, das hält Sabé schon aus! Aber wenn du bockig bist ... Schnell schüttelte Ysell diese verführerischen Gedanken ab. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie den Richter an. „Ich war allein!“, behauptete sie mit fester Stimme „Nur ich kann bestraft werden.“

      „Gut!“ Der Richter nickte ernst mit dem Kopf „Wie du willst. - Es ist jetzt die Zeit der Mandelblüte. Du wirst, bis die letzte Mandel geerntet ist, jeden Tag den Platz der Wachen blitzsauber fegen - und achte dabei besonders auf Hühnermist!“

      Wenig später gingen Ysell und der Wächter wieder gemeinsam durch die Stadt, denn selbstverständlich mussten Ysells Eltern von dem Vorfall unterrichtet werden. Kleine Staubwolken wirbelten um die Knöchel der beiden, wenn ihnen jemand entgegenkam, und sie zum Straßenrand hin ausweichen mussten. Der Steppenwind war in diesem Frühjahr besonders schlimm und trug eine solche Menge feinen Flugsandes in die Stadt, dass die Menschen halbe Tage damit beschäftigt waren, die Straßen gangbar zu halten. Ysell wurde es schlecht bei dem Gedanken an ihre Strafe. Der Platz der Wachen war groß, und jeden Tag war eine ganze Karrenladung Flugsand zu beseitigen.

      Etwas ließ Ysell keine Ruhe; „Was wäre eigentlich geworden, wenn ich, na sagen wir mal, wirklich einen Komplizen gehabt und ihn an den Richter verraten hätte?“, wollte sie jetzt von dem Wächter wissen.

      „Du hattest einen Komplizen, das wollen wir doch mal festhalten“, erwiderte der Mann freundlich. Er führte Ysell jetzt am Arm und sein Griff war lange nicht so schmerzhaft wie auf dem Weg zum Richter; „und wenn du ihn verraten hättest, dann müsstest du jetzt sicherlich ein volles Jahr lang den Platz vor der Wache fegen.“

      „Ich werde noch verrückt!“, stöhnte Ysells Mutter und rang in offensichtlich größter Seelenqual die Hände. Mit fahrigen Bewegungen goss sie sich einen Becher Wein aus dem Krug ein, den ihr Mann mitgebracht hatte. „Ich werde noch verrückt!“

      Ysell

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