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Ein Mensch war nicht zu sehen. Die Tiere waren nicht angebunden, sondern hatten sich in das Stroh gelegt, wo sie dazu kommen konnten.

      Er wurde zornig, als er alle diese ungebetenen Gäste sah, und fing an zu rufen und zu schelten, um die Schlafenden zu wecken und sie hinauszujagen. Aber die Tiere blieben liegen, ohne sich zu rühren, als wollten sie sich nicht stören lassen. Nur ein altes Pferd erhob sich und kam ganz still auf ihn zu.

      Der Bauer verstummte plötzlich. Er erkannte das Pferd schon am Gange. Er ließ den Schein der Laterne auf das Pferd fallen, und es kam zu ihm heran und legte ihm den Kopf auf die Schulter.

      Da streichelte der Bauer es zärtlich. »Mein altes Pferd! Mein altes Pferd!« sagte er. »Was haben sie dir getan? Ja, alter Junge, ich will dich zurückkaufen. Du sollst nie wieder fort von diesem Hof. Du sollst es so haben, wie du willst, alter Junge. Die andern, die du mitgenommen hast, können hier bleiben, aber du sollst mit mir in den Stall kommen. Nun kann ich dir so viel Hafer geben, wie du fressen kannst, ohne daß ich ihn mir heimlich zu nehmen brauche. Ganz zuschanden bist du am Ende noch nicht. Das schönste Pferd auf dem Kirchhügel, das sollst du noch einmal werden. So, so! So, so!«

      Donnerstag, 28. April.

      Am nächsten Tag war schönes Wetter und heller Sonnenschein. Es wehte freilich ein starker Westwind, aber darüber konnte man sich nur freuen, denn er trocknete die Wege, die von dem heftigen Regen des vorhergehenden Tages ganz aufgeweicht waren.

      Früh am Morgen kamen die beiden Kinder aus Smaaland, das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads die Landstraße gegangen, die von Sörmland nach Närke hineinführt. Der Weg ging an dem südlichen Ufer des Hjelmar entlang, und die Kinder betrachteten das Eis, das noch den größten Teil des Sees bedeckte. Die Morgensonne warf ihren hellen Schein auf das Eis, und es sah gar nicht so dunkel und unheimlich aus, wie sonst das Frühlingseis, sondern es schien weiß und verlockend. So weit sie darüber hin sehen konnten, lag es fest und trocken da. Das Regenwasser war schon in die Löcher und Spalten hineingelaufen oder auch von dem Eis selbst aufgesogen. Sie sahen nichts als die herrliche Eisfläche.

      Das Gänsemädchen Aase und der kleine Mads waren auf der Wanderung gen Norden begriffen, und sie mußten unwillkürlich denken, wie viele Schritte ihnen erspart werden würden, wenn sie quer über den großen See gehen könnten, statt rund um ihn herumzuwandern. Sie wußten wohl, daß Frühlingseis heimtückisch ist, aber dies sah ja so vollkommen sicher aus. Sie konnten sehen, daß es drinnen am Lande mehrere Zoll dick war. Und sie sahen auch einen Weg, den sie verfolgen konnten, und das gegenüberliegende Ufer erschien so nah, daß sie in einer Stunde hinüber gelangen mußten.

      »Komm, laß es uns versuchen!« sagte der kleine Mads. »Wenn wir nur achtgeben, daß wir nicht in eine Wake hineinplumpsen, so wird es schon gehen.«

      Und damit begaben sie sich auf den See hinaus. Das Eis war nicht allzu glatt, es ging sich sehr angenehm darauf. Es stand freilich mehr Wasser darauf, als sie vom Wege aus hatten sehen können, und hier und da waren Blasen im Eis, wo das Wasser auf und nieder quoll. Vor den Stellen mußte man sich in acht nehmen, aber das war ja eine Kleinigkeit mitten am Tage in dem hellen Sonnenschein.

      Es ging schnell und leicht vorwärts, und die Kinder sprachen von nichts weiter, als wie klug sie gewesen waren, übers Eis zu gehen, statt die aufgeweichte Landstraße zu verfolgen.

      Als sie eine Strecke gegangen waren, kamen sie in die Nähe von Vinö. Da sah eine alte Frau sie von ihrem Fenster aus. Sie trat in die Tür hinaus, winkte ihnen und rief etwas, das sie nicht hören konnten. Sie verstanden sehr wohl, daß sie sie warnte, ihre Wanderung fortzusetzen. Aber sie, die selbst draußen auf dem Eis waren, konnten ja sehen, daß keine Gefahr vorlag. Es würde ja dumm sein, an Land zu gehen, wenn alles so vorzüglich ging.

      Sie wanderten also an der Vinö vorüber und hatten nun eine meilenweite Eisfläche vor sich. Hier draußen war stellenweise so viel Wasser auf dem Eis, daß die Kinder große Umwege machen mußten. Aber das fanden sie nur ergötzlich. Sie wetteiferten, ausfindig zu machen, wo das Eis am besten war. Sie waren weder müde noch hungrig. Sie hatten den ganzen Tag vor sich, und sie lachten nur, wenn sie auf neue Hindernisse stießen.

      Von Zeit zu Zeit sahen sie nach dem gegenüberliegenden Ufer hinüber. Es schien noch so weit weg, obwohl sie schon eine gute Stunde gegangen waren. Sie waren ein wenig erstaunt, daß der See so breit war. »Es ist, als wenn das Ufer vor uns wegliefe,« sagte der kleine Mads.

      Hier draußen war kein Schutz gegen den Westwind. Er wurde mit jedem Augenblick heftiger und hüllte sie so fest in ihre Kleider, daß es ihnen schwer wurde, sich zu bewegen. Der starke Wind war die erste wirkliche Unannehmlichkeit, die ihnen auf der Wanderung begegnet war.

      Es wunderte sie, daß der Wind so merkwürdig stark dröhnte, als habe er den Lärm aus einer großen Mühle oder einer Fabrik mitgenommen. Aber so etwas gab es ja doch nicht da draußen auf der Eisfläche.

      Sie waren westlich um die große Insel Valen herumgegangen, und nun meinten sie, merken zu können, daß sie sich dem nördlichen Ufer näherten. Gleichzeitig aber wurde der Wind heftiger, und das gewaltige Bullern, das ihn begleitete, nahm so stark zu, daß sie anfingen, unruhig zu werden.

      Auf einmal kam ihnen der Gedanke, daß der Lärm, den sie hörten, von Wellen kommen könne, die schäumend und brausend gegen eine Küste schlugen, aber das war ja unmöglich, da der See noch mit Eis bedeckt war.

      Trotzdem blieben sie stehen und sahen sich um. Ganz draußen, nach Westen zu, bei Björnö und Göcksholmsland gewahrten sie eine weiße Mauer, die quer über den See ging. Erst glaubten sie, es sei ein Schneerand, der an einem Wege entlang laufe, aber sie begriffen bald, daß es Schaum von Wellen war, die gegen das Eis schlugen.

      Als sie das sahen, gaben sie sich die Hände und fingen an zu rennen, ohne ein Wort zu sagen. Der See war nach Westen zu offen, und sie glaubten sehen zu können, daß der Schaumrand schnell nach Osten zu vorrückte. Sie wußten nicht, ob das Eis im Begriff war, überall aufzubrechen, oder was geschehen könne. Aber sie fühlten, daß sie nun in Gefahr waren.

      Plötzlich schien es ihnen, als höbe sich das Eis gerade an der Stelle, wo sie liefen, als höbe es sich und sinke wieder, als habe jemand von unten dagegen gestoßen. Dann hörten sie einen dumpfen Knall im Eis, und gleich bildeten sich nach allen Seiten Risse darin. Die Kinder konnten sehen, wie sie durch die Eiskruste liefen.

      Nun wurde es einen Augenblick still auf dem Eis, dann aber spürten sie wieder dasselbe Heben und Senken. Nun begannen die Risse, sich zu Spalten zu erweitern, durch die man das Wasser hervorquellen sah. Gleich darauf wurden die Spalte zu Rinnen, und die Eiskruste teilte sich in große Schollen.

      »Aase,« sagte der kleine Mads. »Ich glaube, dies ist Eisbruch!«

      »Ja, das ist es, kleiner Mads,« sagte Aase. »Aber wir können das Ufer noch erreichen. Laufe, so schnell du kannst.«

      In der Tat hatten der Wind und die Wellen noch genug damit zu tun, das Eis von dem See zu entfernen. Die schwerste Arbeit war freilich getan, wenn erst die Eiskruste zerbrochen war, aber alle die Stücke sollten wieder geteilt und gegeneinander geworfen und zertrümmert und zerrieben und aufgelöst werden. Es war noch eine Menge hartes, festes Eis vorhanden, das große, ganze Schollen bildete.

      Die größte Gefahr für die Kinder aber war, daß sie keinen Überblick über das Eis hatten. Sie vermochten nicht zu sehen, wo die Spalte so breit waren, daß sie nicht darüber hingelangen konnten. Sie wußten nicht, wo sie die großer Eisschollen finden sollten, die sie tragen konnten. Daher wankten sie aufs Geratewohl hin und her. Sie kamen weiter auf den See hinaus, statt sich dem Ufer zu nähern. Sie wußten nicht aus noch ein da draußen auf dem berstenden Eis, und sie waren so bange, daß sie schließlich stehen blieben und weinten.

      Da kam eine Schar wilder Gänse in gestrecktem Flug über ihren Köpfen daher. Sie schrien laut und stark, und das Sonderbare war, daß die Kinder deutlich die Worte hörten: »Ihr müßt nach rechts gehen, nach rechts, nach rechts!«

      Sie setzten sofort ihre Wanderung fort, den Rat befolgend. Aber es währte nicht lange, da standen sie wieder

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