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hätte ich ihn wirklich wieder laufen lassen müssen,« sagte der Fischer. »Denn, denk' nur, Klement, die Wildgänse verfolgten mich bis nach Hause, und den ganzen Morgen flogen sie über der Schäre hin und her und schrien, als verlangten sie, daß ich ihn zurückgeben sollte. Und nicht genug damit, auch das ganze Vogelvolk draußen bei uns, Möwen und Seeschwalben und alle die anderen, die keinen ehrlichen Schuß Pulver wert sind, kamen und ließen sich auf der Schäre nieder und machten einen fürchterlichen Spektakel, und sobald ich aus dem Hause ging, umflatterten sie mich, so daß ich wieder umkehren mußte. Meine Frau bat mich, ihn laufen zu lassen, aber ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, daß er hierher, nach der Schanze sollte. Und da stellte ich denn eine von den Puppen der Kinder ins Fenster, versteckte den Kleinen ganz unten im Kasten und machte mich auf den Weg. Und die Vögel glaubten offenbar, daß er da am Fenster stünde, denn sie ließen mich gehen, ohne mich zu verfolgen.«

      »Sagt er denn gar nichts?« fragte Klement. – »Ja, zuerst versuchte er, den Vögeln etwas zuzurufen, aber davon wollte ich nichts wissen, da hab' ich ihm einen Knebel in den Mund gesteckt.« – »Aber Asbjörn!« sagte Klement, »wie kannst du nur so gegen ihn handeln! Begreifst du denn nicht, daß er etwas Übernatürliches ist?« – »Ich weiß nicht, welcher Art er ist, das auszutüfteln überlasse ich anderen. Ich bin zufrieden, wenn ich nur gut für ihn bezahlt bekomme. Sag' du mir jetzt, Klement, was, meinst du, wird mir der Doktor auf der Schanze für ihn geben?«

      Klement besann sich lange, ehe er antwortete. Aber es hatte ihn eine so sonderbare Unruhe um des Kleinen willen befallen. Es war ganz, als stünde seine Mutter neben ihm und sagte, er müsse immer gut gegen die Männlein sein. »Ich weiß nicht, was es dem Doktor da oben belieben mag, dir zu bezahlen, Asbjörn,« sagte er. »Aber wenn du ihn mir lassen willst, so will ich dir zwanzig Kronen dafür bezahlen.«

      Als der Spielmann die große Summe nannte, sah Asbjörn ihn mit grenzenlosem Staunen an. Er dachte, Klement glaube, daß der Kleine eine heimliche Macht besitze und ihm von Nutzen sein könne. Er war keineswegs sicher, daß der Doktor eine so hohe Meinung von seinem Fang haben und ihm einen so hohen Preis dafür bezahlen werde. Und so nahm er denn Klements Anerbieten an.

      Der Spielmann steckte seinen Kauf in eine seiner geräumigen Taschen, kehrte nach der Schanze zurück und ging in eine der Sennhütten, wo weder Besuch noch Aufsicht war. Er zog die Tür hinter sich zu, nahm den Kleinen heraus und legte ihn vorsichtig auf eine Bank; der war noch an Händen und Füßen gebunden und sein Mund war zugestopft.

      »Höre jetzt, was ich sage,« begann Klement. »Ich weiß sehr wohl, daß Leute deiner Art nicht gern von Menschen gesehen werden, sondern lieber still umhergehen und die Dinge auf eigene Hand ordnen mögen. Darum habe ich gedacht, dir deine Freiheit zu geben, jedoch nur unter der Bedingung, daß du hier im Park bleibst, bis ich dir erlaube, von hier fortzugehen. Gehst du darauf ein, so nicke dreimal mit dem Kopf.«

      Klement sah den Kleinen erwartungsvoll an, der aber rührte sich nicht.

      »Du sollst es schon gut haben,« sagte Klement. »Ich will dir jeden Tag Essen hinstellen, und ich glaube, du wirst hier viel zu tun bekommen, so daß dir die Zeit nicht lang wird. Aber du darfst nirgends hinreisen, ehe ich dir die Erlaubnis dazu gebe. Wir können ein Zeichen verabreden. Solange ich dir Essen in einer weißen Schale hinsetze, sollst du hierbleiben. Stelle ich dir aber eine blaue Schale hin, so darfst du reisen.«

      Wieder schwieg Klement und er wartete, daß der Kleine ein Zeichen geben sollte, der aber rührte sich nicht.

      »Ja,« sagte Klement, »dann bleibt mir wohl nichts weiter übrig, als dich dem Herrn hier zu zeigen. Und dann wirst du in einen Glasschrank gesetzt, und alle Menschen in ganz Stockholm kommen, um dich zu sehen.«

      Dies schien den Kleinen jedoch zu erschrecken, und kaum hatte Klement ausgeredet, als er das Zeichen gab.

      »Das ist recht,« sagte Klement, nahm sein Messer und durchschnitt die Schnur, mit der die Hände des Kleinen gebunden waren. Dann ging er schnell auf die Tür zu.

      Der Junge löste das Band um seine Knöchel und nahm den Knebel aus dem Munde, ehe er an etwas anderes dachte. Als er sich dann nach Klement Larsson umwandte, um ihm zu danken, war der schon verschwunden.

      *

      Klement war kaum zur Tür hinausgekommen, als er einem schönen und vornehmen alten Herrn begegnete, der sich offenbar auf dem Wege nach einem herrlichen Aussichtspunkt dort in der Nähe befand. Klement konnte sich nicht entsinnen, den vornehmen alten Herrn schon früher gesehen zu haben, der aber hatte Klement offenbar einmal bemerkt, als er Violine spielte, denn er hielt ihn an und ließ sich auf ein Gespräch mit ihm ein.

      »Guten Tag, Klement,« sagte er. »Wie geht es dir? Du bist doch nicht krank? Ich finde, du bist in der letzten Zeit so mager geworden.«

      Der alte Herr hatte etwas so unbeschreiblich Freundliches, daß Klement Mut faßte und ihm erzählte, wie sehr er unter dem Heimweh leide.

      »Aber hör' einmal!« sagte der alte vornehme Herr. »Du sehnst dich nach Hause, wenn du in Stockholm bist? Das kann doch nicht möglich sein!«

      Und der vornehme alte Herr sah beinahe beleidigt aus. Aber dann mochte ihm wohl einfallen, daß der, zu dem er sprach, nur ein unwissender alter Bauersmann aus Helsingland war, und da wurde er wieder so wie vorher.

      »Du hast wohl noch nie gehört, wie Stockholm entstanden ist, Klement. Wüßtest du das, so würdest du verstehen, daß es nur eine Einbildung von dir ist, wenn du dich von hier wegsehnst. Komme mit mir nach der Bank da, dann will ich dir ein wenig von Stockholm erzählen.«

      Als der vornehme alte Mann sich auf die Bank gesetzt hatte, sah er erst eine Weile auf Stockholm hinab, das in all seiner Pracht unter ihm ausgebreitet lag, und dann atmete er tief auf, als wolle er die ganze Schönheit der Stadt einatmen. Darauf wandte er sich an den Spielmann.

      »Sieh einmal, Klement,« sagte er, und während er sprach, zeichnete er in dem Kiesgang zu ihren Füßen eine kleine Karte. »Hier liegt Uppland, und hier schiebt es nach Süden zu eine Landzunge vor, in die eine Menge Buchten einschneiden. Und hier kommt Sörmland mit einer anderen Landzunge, die ebenso eingeschnitten ist und schnurgerade nach Norden geht. Und hier kommt ein See von Westen her, der ist voller Inseln: das ist der Mälar. Und hier kommt von Osten her ein anderes Gewässer, das vor lauter Inseln und Schären kaum weiterkommen kann, das ist die Ostsee. Und hier, Klement, wo Uppland sich mit Sörmland begegnet, und der Mälarsee mit der Ostsee zusammentrifft, läuft ein kleiner Fluß, der heißt Norrström, und mitten im Norrström liegen drei Werder.

      Anfangs waren diese Werder nichts weiter als gewöhnliche Werder mit ein paar Bäumen darauf, von der Art, wie sie noch heute zahlreich im Mälar liegen, und sie lagen lange Zeit ganz unbewohnt da. Eine gute Lage hatten sie ja freilich, da sie mitten zwischen zwei Gewässern und zwei Landschaften lagen, aber das beachtete niemand. Ein Jahr nach dem anderen ging dahin. Die Leute siedelten sich auf den Mälarinseln und draußen in den Schären an, aber die drei Werder im Strom bekamen keine Einwohner. Ausnahmsweise konnte es wohl einmal geschehen, daß ein Schiffer bei einem von ihnen anlegte und sein Zelt für die Nacht dort aufschlug.

      Niemand aber blieb dauernd dort.

      Es war schon spät im Sommer, und das Wetter war noch schön, obwohl die Abende bereits anfingen, dunkel zu werden. Der Fischer zog sein Boot an Land, legte sich daneben, den Kopf auf einem Stein und schlief ein. Als er erwachte, war der Mond schon lange aufgegangen. Er stand gerade über seinem Kopf und leuchtete gar prächtig, so daß es fast ganz hell war.

      Der Mann fuhr in die Höhe und wollte eben das Boot ins Wasser schieben, als er eine Menge schwarzer Punkte sich draußen auf dem Meer bewegen sah. Es war eine große Schar Seehunde, die in voller Fahrt auf den Werder zukamen. Als der Fischer sah, daß die Seehunde scheinbar an Land kriechen wollten, duckte er sich nieder, um nach seinem Spieß zu suchen, den er immer im Boot bei sich hatte. Als er sich aber wieder aufrichtete, waren keine Seehunde mehr zu sehen; statt ihrer standen am Ufer des Sees die schönsten jungen Mädchen in schleppenden, grünen seidenen Gewändern und mit Perlenkränzen im Haar. Da begriff der Fischer, daß es Meerjungfrauen waren, die auf den öden Schären, weit draußen im Meer

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