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Sturmhöhe. Emily Bronte
Читать онлайн.Название Sturmhöhe
Год выпуска 0
isbn 9783752950137
Автор произведения Emily Bronte
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ich sagte dir, wir lachten und lachten. Da hörten uns die Lintons und schossen wie zwei Pfeile auf die Tür zu. Zuerst noch einmal Ruhe, dann ein Geschrei: ›O Mama, Mama! O Papa! O Mama, komm her! Papa!‹ Tatsächlich, so heulten sie. Wir machten einen fürchterlichen Lärm, um sie noch mehr zu erschrecken. Aber plötzlich mußten wir den Sims loslassen, denn es war, als ob jemand den Riegel zurückschob, und wir meinten, wir müßten lieber ausrücken. Ich hielt Cathy an der Hand und drängte sie weiter, als sie mit einem Male hinfiel. ›Lauf, Heathcliff, lauf!‹ flüsterte sie, ›die Bulldogge ist losgelassen, und sie hat mich!‹ Nelly, der Teufel hatte sie beim Fußknöchel gepackt! Ich hörte sein gräuliches Schnaufen, und sie schrie nicht, o nein, sie hätte es verschmäht, zu schreien, selbst wenn sie von einem tollen Stier auf die Hörner gespießt worden wäre. Aber ich, ich brüllte, ich ließ Flüche los, die jeden bösen Feind zerschmettert hätten. Und ich ergriff einen Stein und stieß ihn dem Ungeheuer in den Rachen und mit aller Kraft in seine Kehle. Endlich kam ein Lümmel von Knecht mit der Laterne und rief: ›Halt ihn, Skulker, halt ihn!‹ Er verstummte, als er sah, was mit Skulker los war. Der Hund war nämlich halb erstickt. Seine große purpurrote Zunge hing weit aus dem Maul, und von seinen hängenden Lefzen floß blutiger Geifer. Der Mann hob Cathy auf. Ihr war übel, nicht aus Angst, das weiß ich sicher, nur vor Schmerzen. Er trug sie hinein, und ich folgte, murmelte Verwünschungen und schwor Rache.
›Was bringst du da, Robert?‹ rief Mr. Linton an der Tür. ›Skulker hat ein Mädchen gefaßt, Herr, und hier ist ein Bursche, der sieht toll aus!‹ Er packte mich am Arm und fuhr fort: ›Wahrscheinlich wollten Räuber die beiden durchs Fenster schieben, damit sie der ganzen Bande die Türen aufmachten, wenn wir alle schliefen, und sie uns in aller Ruhe ermorden konnten! Halt die Schnauze, du dreckiger Spitzbube! Dafür kommst du an den Galgen! Mr. Linton, legen Sie die Flinte nicht weg!‹ ›Nein, nein, Robert‹, antwortete der alte Narr. ›Die Schurken wußten, daß gestern meine Rente bezahlt worden ist. Da dachten sie, es gut zu treffen. Kommt herein. Ich werde ihnen einen Empfang bereiten! John, leg die Kette vor! Gib Skulker Wasser, Jenny! Einen Friedensrichter in seiner Festung herauszufordern, noch dazu am Sonntag! Wovor wird ihre Frechheit zurückscheuen? Meine liebe Mary, sieh her und fürchte dich nicht, es ist nur ein Knabe. Aber die Schlechtigkeit starrt sichtbar aus seinem Antlitz. Wäre es nicht ein Glück für unser Land, wenn man ihn auf der Stelle hängte, ehe sich seine wahre Natur in Taten offenbart, so wie jetzt nur in seinen Mienen?‹ Er schleppte mich unter den Kronleuchter, Mrs. Linton setzte die Brille auf die Nase und schon erhob sie die Hände vor Schrecken. Ihre feigen Sprößlinge krochen auch heran, und Isabella lispelte: ›Gräßlicher Kerl! Sperr ihn doch in den Keller, Papa! Er sieht genau aus wie der Sohn des Wahrsagers, der meinen zahmen Fasan gestohlen hat. Nicht wahr, Edgar?‹
Während sie mich so vornahmen, kam Cathy herein, hörte die Reden und lachte. Edgar starrte sie an und es gelang ihm schließlich, sie zu erkennen. Wir sehen uns ja in der Kirche, sonst allerdings nirgends. ›Das ist Miß Earnshaw‹, flüsterte er seiner Mutter zu, ›schau, wie Skulker sie gebissen hat, der Fuß blutet!‹
›Miß Earnshaw? Unsinn!‹ rief die Dame. ›Miß Earnshaw wird sich mit einem Zigeuner herumtreiben? Und doch, mein Liebling, sie ist in Trauer – o gewiß – und jetzt kann sie das ganze Leben lang lahm bleiben!‹
›Eine sträfliche Nachlässigkeit ihres Bruders.‹ Mr. Linton wandte sich von mir zu Catherine. ›Ich habe von Shilders gehört (so hieß der Geistliche, Mr. Lockwood), daß er sie in völligem Heidentum aufwachsen läßt. Aber was ist das für ein Bursche? Wo hat sie diesen Genossen aufgegabelt? Oho, ich sage euch: Das wird die sonderbare Errungenschaft sein, die mein verstorbener Nachbar auf seiner Reise nach Liverpool machte. Es ist ein kleiner Inder oder ein amerikanischer oder spanischer Schiffbrüchiger.‹
›Auf jeden Fall ein gottloser Bursche‹, versetzte die alte Dame, ›der ganz und gar nicht zu einem anständigen Hause paßt. Hast du bemerkt, wie er spricht, Linton? Ich bin entsetzt bei dem Gedanken, meine Kinder könnten es gehört haben.‹
Da begann ich wieder zu fluchen, ärgere dich nicht, Nelly, und dem Robert wurde befohlen, mich hinauszubefördern. Ich weigerte mich, ohne Cathy zu gehen. Er schleifte mich in den Garten, drückte mir die Laterne in die Hand und versicherte mir, Mr. Earnshaw werde den Vorfall erfahren. Er befahl mir, unmittelbar heimzugehen, und verschloß die Tür. Die Vorhänge ließen noch eine Ecke des Fensters frei, und ich bezog von neuem meinen Späherposten. Ich hätte die große Scheibe in Stücke geschlagen, wenn man Catherine gegen ihren Willen zurückgehalten hätte. Aber sie saß ruhig auf dem Sofa, Mrs. Linton nahm ihr den grauen Umhang unserer Milchfrau ab, schüttelte den Kopf und machte ihr augenscheinlich Vorhaltungen. Ja, sie ist eine junge Dame, und zwischen ihrer und meiner Behandlung gab’s einen Unterschied! Die Dienerin brachte eine Schüssel mit dampfendem Wasser und wusch ihre Füße. Mr. Linton bereitete ein Glas Glühwein, Isabella schüttete einen Teller Kuchen in ihren Schoß und Edgar stand glotzend dabei. Dann trocknete und kämmte man ihr schönes Haar; sie erhielt ein Paar riesige Pantoffeln und wurde ans Feuer geschoben. Als ich davonging, war sie so lustig wie nur möglich und fütterte den kleinen Hund und Skulker, dem sie beim Essen Nasenstüber gab. Ihr reizendes Gesicht brachte sogar in die leeren blauen Augen der Lintons sozusagen einen menschlichen Widerschein. Ich sah ihre blöde Bewunderung. Cathy ist so unermeßlich viel mehr als sie – überhaupt als jeder andere auf der Erde –, nicht wahr, Nelly?«
»Diese Sache wird dir noch mehr Unannehmlichkeiten machen, als du denkst«, erwiderte ich, deckte ihn zu und löschte das Licht. »Du bist unverbesserlich, Heathcliff. Mr. Hindley wird jetzt rücksichtslos gegen dich vorgehen.«
Meine Worte erfüllten sich schlimmer, als ich in Wahrheit geglaubt hatte. Das unheilvolle Abenteuer machte Earnshaw rasend. Um nichts auszulassen, stattete Mr. Linton uns am nächsten Morgen einen Besuch ab. Er hielt dem jungen Herrn eine Strafpredigt über die Art, wie er über seine Familie wache, mit dem Erfolg, daß Mr. Hindley ernstlich in sich ging. Heathcliff wurde nicht geschlagen, aber darüber belehrt, man werde ihn auf der Stelle entfernen, wenn er noch ein einziges Wort mit Miß Catherine spräche. Mrs. Earnshaw ihrerseits nahm sich vor, die kleine Schwägerin nach der Rückkehr gehörig in Schranken zu halten, und zwar mit List, nicht mit Zwang, mit dem nichts zu erreichen war.
Siebentes Kapitel
Cathy blieb fünf Wochen in Grange, bis Weihnachten. Inzwischen war ihr Fußknöchel geheilt und ihre Umgangsart hatte sich gebessert. Unsere gnädige Frau besuchte sie in dieser Zeit häufig und begann ihre Erziehung, indem sie ihr Standesbewußtsein mit hübschen Kleidern und mit Schmeicheleien zu heben suchte. Dies nahm Cathy bereitwillig an, und so kam keine ungezügelte hutlose kleine Wilde ins Haus gesprungen, die uns alle mit ihren Umarmungen halbtot drückte: Von einem prächtigen schwarzen Pony stieg eine vornehme Erscheinung, braune Ringellocken fielen unter dem Rand des mit Federn geschmückten Biberhutes herab, und sie mußte den langen Tuchrock mit beiden Händen raffen, um hereinrauschen zu können. Hindley half ihr vom Pferd und rief begeistert:
»Cathy, du bist ja eine richtige Schönheit! Fast hätte ich dich nicht erkannt, du siehst jetzt aus wie eine junge Dame. Isabella Linton kann sich nicht mit ihr vergleichen, nicht wahr, Frances?«
»Isabella hat nicht die natürlichen Vorzüge Cathys«, erwiderte seine Frau, »sie muß sich nur davor hüten, hier wieder zu verwildern. Ellen, hilf Miß Catherine aus ihren Sachen – halt still, Liebling, du bringst deine Locken in Unordnung. Laß mich deinen Hut aufbinden.«
Ich nahm ihr den Mantel ab, und darunter kamen ein prachtvolles buntgewürfeltes Seidenkleid, weiße Hosen und polierte Schuhe zum Vorschein. Ihre Augen leuchteten, als die Hunde zu ihrer Begrüßung heransprangen, aber sie wollte sie nicht berühren, um das feine Kleid vor den Pfoten zu bewahren. Sie küßte mich zurückhaltend, denn ich war ganz mit Mehl bestreut vom Backen des Weihnachtskuchens. Dann schaute sie sich nach Heathcliff um. Dieser Wiederbegegnung sahen Mr. und Mrs. Earnshaw mit Besorgnis entgegen. Jetzt mußte es sich zeigen, ob Hoffnung bestand, die beiden Freunde voneinander zu trennen.
Heathcliff war schwer aufzufinden.