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irgendwann war die Doppelbelastung zu viel. Weisst du, den Verlust zu verarbeiten und gleichzeitig meine Vollzeitstelle innehaben und auch noch teilweise die Pension zu schmeissen, das ging nicht mehr. Aber Familie geht über alles und es war keine Frage, dass ich meinen Job aufgebe und voll in die Pension einsteige. Und das mache ich jetzt immer noch. Ich bin quasi ein Allrounder und kann mir so meinen Tag selber bestimmen“. „Vermisst du deine Arbeit als Zimmermann denn manchmal?“ „Eigentlich nicht. Es gibt ja auch im Tannenhof ab und zu mal was, das geflickt werden muss. Oder wenn wir neue Möbel brauchen, habe ich die auch schon selbst schnell hergestellt. Wir sind übrigens da“.

      Samira hob den Blick und sah einen wunderschönen, klarblauen Bergsee. Es war schon hell geworden, die Sonne hatte sich bereits am Horizont gezeigt und während dem sie noch staunend nach draussen sah, schrie Yanick: „Wer zuerst im Wasser ist, hat gewonnen“. Sofort sprang er los, riss sich die Kleider vom Leibe, bis er nur noch die Badehosen trug, rannte auf dem kleinen Steg nach vorne und stürzte sich mit einem Kopfsprung ins Wasser. Samira sass noch immer staunend im Auto und als sie die Türe öffnete tauchte sein Kopf wieder an der Wasseroberfläche auf und er schrie wie ein wildes Tier. Samira lachte, während dem sie sich ebenfalls auszog und zaghaft einen Fuss ins Wasser hielt. „Reinspringen, sonst wird das heute nichts mehr“, ertönte es ungeduldig aus dem Wasser. „A-aber das ist ja eiskalt“, Samira zitterte. „Du wolltest doch eine Abkühlung. Jetzt spring endlich rein“. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Samira hielt sich die Nase zu und sprang ins Wasser. Es war so kalt, dass es ihr beinahe die Luft abschnitt und als sie wieder an der Oberfläche auftauchte, schrie sie beinahe so laut, wie er vorher. „Na, na, welch undamenhaftes Verhalten, hier so rumzuschreien“, sagte eine Stimme neben ihr und zugleich wurde sie mit sanftem Griff wieder untergetaucht. „Na warte“, gluckste sie, als sie es wieder nach oben geschafft hatte. Sie hätte ihn gerne ebenfalls unter Wasser gedrückt aber er schwamm lachend in eine andere Richtung. Nachdem sich ihr Körper an das kalte Wasser gewöhnt hatte, begann Samira es nun so richtig zu geniessen. Eine bessere Abkühlung hätte sie sich kaum wünschen können. Sie plantschten und schwammen um die Wette. Sie tauchten sich gegenseitig unter und sie lachten, herzlich und unbeschwert. „Du läufst ja blau an“, stellte Yanick irgendwann fest, „lass uns mal rausgehen“.

      Er kletterte schnell auf den Steg und zog Samira zu sich hoch. Sie standen sich jetzt direkt gegenüber und sie fühlte sich so sehr zu ihm hingezogen, dass sie sich ihm am liebsten gleich an den Hals geschmissen hätte und über ihn hergefallen wäre. Während dem sie noch so da stand und vor sich hinträumte, hatte er sich bereits ein grosses Badetuch geschnappt und um Samira gewickelt. „Dann machen wir dich mal trocken“, hörte sie seine zärtliche Stimme sagen, während dem er sie sanft abtrocknete. Sie fühlte sich so herrlich geborgen, wie sie es noch nie erlebt hatte. Er schenkte ihr einen intensiven Blick und lächelte, sie lächelte zurück und es schien, als ob die Zeit stehen geblieben war. Eingewickelt in die Badetücher sassen sie jetzt nebeneinander auf dem Steg und blickten auf das Wasser.

      „Bist du hier aufgewachsen?“, begann Samira das Gespräch. „Ja. Guttannen ist ein kleines Kaff mit ungefähr 320 Einwohnern. Hier kennt jeder jeden und ich bin es mir auch nicht anders gewohnt. Warst du immer eine Städterin?“ „Ja. Ich bin in Zürich geboren, in Zürich aufgewachsen und lebe noch immer da. Mir gefällt die Anonymität. Ich wohne in einem grossen Wohnblock mit etwa 70 Wohnungen und ehrlich gesagt, ich kenne keinen einzigen meiner Nachbarn“. „Guttannen ist mit 200 km2 eine der grössten Berner Gemeinden, falls dich das beeindruckt. Also wenn du auf Grosses stehst oder so“, murmelte er. „Nein, ich stehe nicht zwingend auf grosse Orte. Ich bin halt in der Stadt aufgewachsen und kenne es nur so aber es gefällt mir hier wirklich sehr gut und ich denke, du hast einen wunderschönen Platz zum Leben“. Sie schauten sich wieder an und lächelten beide. „Hast du einen Freund in Zürich?“, er blickte belanglos aufs Wasser, während dem ihr ganzer Körper von heissen Blitzen heimgesucht wurde. „Nein, ich bin Single. Und du?“ „Ja, ich auch. Hast du Hunger?“, er sprang schnell zum Auto und kam mit einem Picknick-Korb zurück. „Und wie“. „Dann lass uns die nassen Badeklamotten entsorgen und frühstücken“. Während dem Samira sich noch umblickte, wo hier wohl die Umziehkabinen waren, hatte sich Yanick die Badehosen bereits ausgezogen und während dem er sich frische Unterhosen und den Rest seiner Kleider anzog, stand sie sprachlos da und starrte ihn an. „Auf was wartest du? Zieh dich doch um, sonst erkältest du dich noch“, forderte er sie auf. Als er merkte, dass sie zögerte, fügte er noch hinzu: „Oh, entschuldige. Soll ich mich schnell umdrehen?“. Samira brach in schallendes Gelächter aus und konnte sich kaum mehr beruhigen. „Habe ich was Falsches gesagt?“, Yanick blickte sie fragend an. „Nein, es ist die Gesamtsituation, die mich amüsiert“, kicherte sie und während dem er sich provokativ die Augen zuhielt, zog sie sich schnell um und schrie dann: „Fertig“.

      Sie sassen gemütlich auf dem kleinen Steg und tranken den Kaffee, den Yanick in einer Thermoskanne mitgebracht und jetzt in zwei weisse Tassen mit roten Punkten abgefüllt hatte. Zudem gab es frisches Brot, jede Menge Käse und diverser Fleischaufschnitt und Würste. Dazu kleine Tomaten, Pfirsiche sowie Aprikosen. „Es ist einfach herrlich“, sagte Samira mit vollem Mund. Vergessen waren ihre ganzen Blockaden und Sorgen, die sie zu Hause noch so beschäftigt hatten. Sie überlegte sich gerade, ob sie das Thema mit dem Tod von Yanicks Vater nochmals aufgreifen sollte, als ihr Handy klingelte. „Miss Zürich bitte ans Telefon“, scherzte Yanick lachend. Sie blickte aufs Display und sah, dass Jana anrief. „Sorry, ich muss da schnell rangehen“. Sie erhob sich und ging in Richtung anderes Ende des Steges. „Hallo Jana?“ „Samira? Geht’s dir gut?“ Jana klang irgendwie besorgt. „Ja, warum?“ „Ehrlich gesagt, deine SMS klangen ein bisschen wirr. Wo bist du denn?“ „In Guttannen, im Berner Oberland und es ist soooo herrlich hier“. „Und was machst du dort und mit wem bist du überhaupt dort? Du hast gar nichts gesagt, dass du wegfährst übers Wochenende“. „Ach, das war ganz spontan. Ich musste einfach mal weg und ich bin…“, sie drehte sich zu Yanick um und wusste nicht so recht was sagen, da er offensichtlich mithörte. „Ich erzähle es dir später, ok?“ „Und was ist jetzt mit diesem Traummann?“ „Später, ich kann jetzt nicht“. Sie konnte ja nicht laut aussprechen, dass sie hier mit ihrem Traummann sass. Was hätte Yanick dann bloss von ihr gedacht? „Ich melde mich wieder. Tschühüss“. Samira beendete das Gespräch und setzte sich wieder zu Yanick. „War das deine Mami?“, neckte er sie. „Nein, das war Jana. Meine beste Freundin“. Yanick lächelte und blickte auf den See. „Schön, dass du hier bist, Samira“. Sie assen gemütlich zu Ende und Samira hätte sich gewünscht, dass die Zeit stehen bleibt und sie noch ewig hier sitzen könnten. „Isst du heute Abend bei uns im Tannenhof?“ Sie nickte. „Und hast du danach noch Pläne?“ „Nein, ich lasse den Tag einfach so auf mich zukommen“. Er dachte kurz nach und sagte dann: „Ich muss noch ein paar Dinge in der Pension erledigen aber nach dem Abendessen habe ich Feierabend. Wenn du magst, können wir dann zusammen was unternehmen“. Samira hatte das Gefühl, dass ihr Herz gleich aus ihrer Brust sprang, so glücklich fühlte sie sich in dem Moment. „Oh ja, sehr, sehr gerne“.

      Sie genossen noch ein wenig die Sonne, sprachen über dieses und jenes. Unter anderem erfuhr Samira, dass Yanick 37 Jahre war ist. Älter als sie, das gefiel ihr. Yanick war das komplette Gegenteil von Loris und sie war bereits jetzt von Kopf bis Fuss in ihn verliebt. Etwas später fuhren sie wieder zum Tannenhof zurück. „Du darfst übrigens auch unseren Garten nutzen, wenn du ein wenig lesen möchtest oder dich in einen Liegestuhl legen willst. Fühl dich bei uns einfach wie zu Hause“. Bei der Pension angekommen standen sie noch ein wenig vor seinem Auto rum und wussten sich nicht recht zu lösen. „Ja dann“, meinte er dann irgendwann, „sehen wir uns nach dem Abendessen auch wieder hier im Garten“. Samira fragte sich, ob er das Knistern zwischen ihnen auch spürte und sie starrte noch lange in die Richtung, in die er davon gelaufen war und sich nochmals umgedreht und ihr zugewinkt hatte.

      „Oh mein Gott, Jana“, brüllte sie kurz später ins Telefon, als sie in ihrem Zimmer angekommen war. „Ich bin so verliebt, das habe ich so noch nie erlebt“. „Wie verliebt? In wen?“ „Na, Yanick. Ich habe ihn hier in Guttannen kennengelernt und es war Liebe auf den ersten Blick“. „Ein Ferienflirt?“, klang es verunsichert aus der Leitung retour. „Nein, nichts Ferienflirt. Es ist die ganz grosse Liebe“, jauchzte

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