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der Leere oder Ermüdung damit, irgendeine gleichgültige Bewegung zu wiederholen, bis die Wiederholung ein Bedürfnis erzeugt hat, welches der Beginn einer Gewohnheit ist? Das wird uns verstehen helfen, wie die Freude am Anhäufen von Geld eine verzehrende Leidenschaft bei Menschen wird, die sich zuerst gar nichts dabei dachten. Marner empfand das Bedürfnis, die Haufen von zehn erst zu einem Viereck und dann zu einem größeren Viereck anwachsen zu sehen, und jedes neue Goldstück gab ihm neben dem Gefühl der Befriedigung zugleich neues Verlangen. In dieser wundersamen Welt, die für ihn ein hoffnungsloses Rätsel geworden war, hätte er sitzen können und weben und weben und immer nur auf das Ende seines Gewebes blicken, bis er das Rätsel und alles andere außer seiner unmittelbaren Empfindung vergessen hätte, aber nun war das Geld da und bezeichnete Zeitabschnitte in seinem Leben, und es mehrte sich nicht nur, sondern blieb bei ihm. Mit der Zeit war es ihm, als ob es ihn kenne, grad wie sein Webstuhl, und nun und nimmer hätte er die Münzen, die seine vertrauten Freunde geworden waren, gegen andere Münzen mit unbekanntem Gepräge vertauscht. Er drehte sie in der Hand, er zählte sie bis ihre Form und Farbe ihm war wie die Befriedigung eines Durstes, aber nur spät abends nach getaner Arbeit holte er sie hervor, um sich an ihnen zu laben. Im Fußboden unter seinem Webstuhl hatte er einige Steine losgemacht und ein kleines Loch gegraben, wo er den eisernen Topf mit den Gold- und Silbermünzen hineinsetzte, und jedes Mal, wenn er die Steine wieder hineinfügte, bedeckte er sie mit Sand. Nicht als ob ihm der Gedanke gekommen wäre, es könne ihm gestohlen werden; Geld ansammeln war damals in ländlichen Bezirken ganz gewöhnlich; es gab in Raveloe alte Tagelöhner, von denen man wußte, sie hätten ihre Ersparnisse zu Hause, vermutlich in ihren Betten, aber obschon ihre ländlichen Nachbarn nicht alle so ehrlich waren, wie ihre Vorfahren in den Tagen König Alfreds, so war ihre Einbildungskraft doch nicht kühn genug, um sich einen Einbruch auszudenken. Wie hätten sie das Geld in ihrem eigenen Dorfe ausgeben können, ohne sich selbst zu verraten? Sie hätten »davongehen« müssen, und das war eine so bedenkliche Geschichte und ging so ins Blaue, wie eine Fahrt im Luftballon.

      So lebte denn Silas Marner einsam Jahr auf Jahr, während seine Goldstücke in dem eisernen Topf immer höher stiegen und sein Leben mehr und mehr zu einem bloßen Wechsel von Begierde und Genuß sich verengte und verhärtete, dem jede Beziehung zu einem andern menschlichen Wesen fehlte. Sein Leben kam nur noch auf Weben und Geldsparen hinaus, ohne daß er bedacht hätte, was er damit wolle. Dieselbe Entwicklung haben auch wohl schon weisere Männer durchgemacht, wenn sie sich von Glauben und Liebe losgerissen hatten; nur befaßten sie sich dann, statt mit einem Webstuhl und einem Haufen Goldstücke, mit einer gelehrten Untersuchung, einer sinnreichen Erfindung, oder einer höchst verzwickten Theorie. In Marners Gesicht und Figur zeigte sich allmählich nur noch die stete mechanische Beziehung zu den Dingen, die seine Tage ausfüllten, und er machte ziemlich denselben Eindruck wie ein Henkel oder eine gebogene Röhre, die nichts bedeuten, wenn sie allein stehen. Die vorstehenden Augen, die früher einen biederen und träumerischen Blick hatten, sahen jetzt aus, als wären sie nur für ein einziges, ganz kleines Ding geschaffen, wonach sie überall suchten, und er war so welk und gelb geworden, daß ihn die Kinder, obschon er noch nicht vierzig Jahre zählte, immer den »alten Meister Marner« nannten.

      Aber selbst in diesem Zustande des Welkens war noch nicht aller frischer Saft aus ihm gewichen, wie sich bei einem kleinen Vorfall zeigte. Jeden Tag pflegte er sich frisches Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle zu holen, und dazu gebrauchte er stets einen braunen irdenen Topf, der ihm unter dem wenigen Gerät, welches er sich gönnte, das kostbarste war. Alle die zwölf Jahre, seit er in Raveloe wohnte, war der Topf sein täglicher Gefährte gewesen, hatte immer an derselben Stelle gestanden, ihm immer am frühen Morgen willig den Henkel entgegengehalten, und wenn er ihn dann in der Hand fühlte, so freute er sich darüber so gut wie über das frische klare Wasser, welches er in dem Topfe nach Haus trug. Eines Morgens, als er von der Quelle zurückkam, stieß er gegen das Brett, welches über dem Graben nahe am Hause lag, und sein brauner Topf fiel heftig gegen die Steine am Rande des Grabens und brach in drei Stücke. Silas las die Stücke auf und trug sie mit betrübtem Herzen nach Haus. Der braune Topf konnte ihm nichts mehr nutzen, aber er steckte die Stücke zusammen und bewahrte sie an der alten Stelle zum Andenken.

      Das war die Geschichte Silas Marners bis zum fünfzehnten Jahre nach seiner Ankunft in Raveloe. Den lieben langen Tag saß er am Webstuhl; seine Ohren hörten nur das eintönige Geräusch, seine Augen waren nahe herabgebeugt auf das langsam zunehmende bräunliche Gewebe, seine Muskeln bewegten sich mit so gleichmäßiger Wiederholung, daß eine Unterbrechung ihm beinahe so beschwerlich schien, als wenn er den Atem hätte lange anhalten müssen. Aber spät am Abend kam die Stunde der Schwelgerei; dann machte er die Läden zu, verschloß die Tür und holte sein Gold hervor. Schon längst war der Haufen zu groß geworden für den eisernen Topf, und er hatte sich zwei dicke lederne Beutel gemacht, die sich biegsam in die verborgene Stelle einfügten. Wie die Goldstücke glänzten, wenn er sie aus der dunkeln Öffnung des Leders herausschüttete! Silber war verhältnismäßig wenig dabei, weil die langen Stücke Leinwand, die er hauptsächlich anfertigte, meist in Gold bezahlt wurden und er mit dem Silber seine täglichen Bedürfnisse bestritt, wozu er immer die kleinsten Stücke verwandte; die Goldstücke hatte er am liebsten, aber auch das Silber wollte er nicht wechseln; die Kronen und die halben Kronen, die er sich durch seine Arbeit verdient hatte – er hatte sie alle lieb. In Haufen breitete er sie vor sich aus und badete seine Hände darin; dann zählte er sie und legte sie in regelmäßigen Rollen aufeinander und befühlte ihre runden Formen mit dem Daumen und Zeigefinger und dachte zärtlich an die Goldstücke, die er mit seiner Arbeit erst zur Hälfte verdient hatte, als wären sie ungeborene Kinder, – dachte an die Goldstücke, die erst noch kommen sollten in kommenden Jahren, sein ganzes Leben hindurch, das unabsehbar vor ihm lag mit seiner endlosen Reihe von Arbeitstagen. Kein Wunder, daß seine Gedanken auch dann bei dem Webstuhl und dem Gelde weilten, wenn er durch die Felder ging, um sich Garn zu holen oder eine fertige Arbeit wegzubringen; nie mehr lenkten sich seine Schritte an die Hecken und die Ränder von Gewässern, um die einst wohlbekannten Kräuter zu suchen; auch diese gehörten der Vergangenheit an, von der sein Leben zurückgewichen war, wie ein kleiner Bach, der weit hinabgefallen ist unter den Grasbehang seines früheren Bettes und nur noch als dünner Silberfaden sich eine Furche im dürren Sande macht.

      Aber um die Weihnachtszeit dieses fünfzehnten Jahres trat eine zweite große Änderung in Marners Leben ein, und seine Geschichte wurde auf eine merkwürdige Weise in das Leben seiner Nachbarn verflochten.

      Dritter Abschnitt

      Der größte Mann in Raveloe war Squire Cass, welcher der Kirche schräg gegenüber in dem großen roten Hause mit der hübschen Treppe davor, und dem großen Stalle dahinter wohnte. Es gab außer ihm noch mehrere Grundbesitzer im Dorfe, aber er allein hatte den Ehrentitel Squire; denn obschon Herrn Osgoods Familie auch von sehr alter Herkunft war – die Leute von Raveloe hatten sich mit ihren Gedanken nie in die schreckliche Zeit zurückgewagt, wo es noch keine Osgoods gab – so gehörte ihm doch nur der Hof, den er bewohnte, während Squire Cass ein paar Pächter hielt, die sich über das viele Wild bei ihm beklagten, grad als wäre er ein Lord gewesen.

      Damals war noch jene herrliche Kriegszeit, die für eine besondere Gunst der Vorsehung gegen den Grundbesitz galt, und das Sinken der Preise hatte noch nicht die kleinen Gutsbesitzer und Pächter den Weg des Verderbens geführt, wozu ihnen bereits eine üppige Lebensweise und schlechte Wirtschaft hinreichend die Räder schmierte. Raveloe lag fern ab von der Strömung industrieller Tätigkeit und puritanischen Ernstes; die Reichen aßen und tranken nach Herzenslust und nahmen Gicht und Schlaganfälle als etwas hin, was merkwürdigerweise in anständigen Familien läge, und die Armen meinten, die Reichen täten ganz recht, ein lustiges Leben zu führen; nebenbei fiel bei ihrem Schmausen immer mancherlei ab, worauf die Armen angewiesen waren, und besonders galten die großen Festlichkeiten im Laufe des Jahres als etwas recht Gutes. Die Festlichkeiten in Raveloe nämlich waren wie die Rinderbraten und die Bierfässer – sie wurden auf einem großen Fuß gehalten und dauerten eine gute Weile, namentlich zur Winterszeit. Wenn Damen einmal ihre besten Kleider und Kopfputze eingepackt und es riskiert hatten mit der kostbaren Last in Regen oder Schnee über Ströme zu setzen, wo man gar nicht wissen konnte, wie hoch das Wasser gestiegen war oder noch steigen würde, da ließ sich natürlich nicht erwarten; daß sie sich mit einer kurzen Freude abfänden. Deshalb hatte man es

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