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Schlossbergianerinnen und Schlossbergianer schon früh angehalten werden, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für sich selbst, Verantwortung für die engagierte Entwicklung der eigenen Kompetenzen und Interessen, aber auch Verantwortung für die Belange der Schulgemeinschaft und Verantwortung für die Aufgaben und Herausforderungen der Zukunft.«

      »Aha, der Zukunft sogar«, murmelte Schönherr, der keine Ahnung hatte, wovon Hoffmann redete. »Das ist beachtlich, aber könnten wir zurückkommen auf ...«

      »Vielleicht - oh, verzeihen Sie, nur diesen einen Gedanken noch - vielleicht ist Ihnen bekannt, dass wir praktisch keine Durchfaller haben? Wer zu uns kommt, macht ein Spitzenabitur. Die besten Universitäten im In- und Ausland bemühen sich um unsere Absolventinnen und Absolventen. Und hier komme ich zurück auf Ihre Frage. Worauf legen wir bei unseren Bewerberinnen und Bewerbern besonderen Wert? Ich will es Ihnen sagen -«

      Der Schulleiter zog eine Spannungspause auf, die Schönherr beinahe ruiniert hätte, indem er die Augen verdrehte und leise stöhnte: »Bitte nicht.« Eine blöde, schwer zu kontrollierende Angewohnheit, seit er einmal als Jugendlicher von einem Zirkusclown (Humortyp: ADHS) aus den Zuschauerrängen geholt und gebeten worden war, auf einem Bein zu hüpfen und lustig in die Hände zu klatschen.

      »Mit unserem exzeptionellen Anspruch an eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung, die individuelle Leistung eng mit sozialer Verantwortung verzahnt, sind wir mehr als andere Bildungseinrichtungen darauf angewiesen, dass die ... tja, die Mischung stimmt, wenn ich das einmal so salopp sagen darf.«

      »Es tut mir leid, aber worauf wollen Sie eigentlich hinaus?« sagte Schönherr, auch wenn er das Gefühl hatte, dass ihm Hoffmann durch die Blume mitzuteilen versuchte, dass Lisa wohl nicht in die okkulte Mischung der Schlossberg passte.

      »Ich will offen mit Ihnen reden. Ein Großteil unserer Schülerinnen und Schüler kommt aus der gehobenen Mittelschicht.«

      »Was Sie nicht sagen.«

      »Charakter-Building in dem umfassenden Anforderungsspektrum, wie wir es anstreben, braucht eine kräftige Basis -«

      Der Schulleiter erhob sich von seinem Platz und ging zum Schreibtisch, wo eine Karaffe Wasser und ein leeres Glas standen. Während Hoffmann sich eingoss, redete er weiter: »Wir verlangen viel und müssen von Anfang an sichergehen, dass wir die richtige Umgebung für unsere Bewerberinnen und Bewerber sind. Viel genauer als andere Schulen haben wir darum ein Auge auf die weichen, die sozialen, die psychischen Kompetenzen. Zum Beispiel ist es für alle Schülerinnen und Schüler der Oberstufe obligatorisch, dass sie wenigstens zwei Jahre auf dem Campus wohnen und arbeiten. Zusammenleben auf begrenztem Raum, so lernen sie Höflichkeit, Rücksichtnahme, Toleranz und gegenseitigen Respekt. Sie lernen früh, Verantwortung zu übernehmen, um zu führen. Aber nicht jede Anwärterin und nicht jeder Anwärter ist geeignet, diesen steinigen und anspruchsvollen Weg zu gehen. Wahre Verantwortungselite, wahre Verantwortungskompetenz setzt eine charakterliche Eignung voraus, die belastbar sein muss, eine gewisse Robustheit und Stabilität im Bereich der Persönlichkeitsstruktur.«

      »Sie meinen, Lisa wäre auf der Schlossberg überfordert?« fragte Schönherr skeptisch.

      »Nicht, was die rein kognitiven und intellektuellen Kompetenzen anbetrifft. Die B-Reihe ihres Scores ist tadellos. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass wir ein besonderes Augenmerk auf die Frage legen, ob wir überhaupt das richtige Umfeld für die Bewerberin oder den Bewerber bieten können.«

      Es fiel Schönherr schwer, den vagen Andeutungen des Schulleiters nachvollziehbare Gründe für die merkwürdigen Bedenken der Schule zu entnehmen. Woher will Hoffmann wissen, was das richtige Umfeld für Lisa ist?

      »Die Angaben auf der Schulwebsite über das Auswahlverfahren sind sehr allgemein gehalten. Sie scheinen sich diesbezüglich einzig und allein auf die Score Holding zu verlassen?«

      »Ja, das stimmt«, sagte Hoffmann, und als er bemerkte, wie sein Gast bedrohlich tief einatmete, wie um genug Sauerstoff für eine Explosion anzureichern, beeilte er sich festzustellen, dass nur auf diese Weise eine gerechte Auswahl aus der Vielzahl der Bewerbungen möglich sei.

      »Keine Bewerbungsgespräche? Keine Tests?«

      »Um Gottes willen!« rief Hoffmann und riss vor Schreck die Arme hoch. »Schriftliche und mündliche Prüfungen? Können Sie sich vorstellen, was hier los wäre? So viele Anwälte können wir gar nicht bezahlen. Nein, das geht nicht. Abgesehen davon, dass derartige Auswahlverfahren unseren eigenen Ansprüchen an Fairness und Objektivität keinesfalls gerecht würden, sind sie auch aus wissenschaftlicher Sicht längst überholt. Was würden wir denn damit in Erfahrung bringen? Was würden uns Tests oder Interviews über die Bewerberin oder den Bewerber sagen, was der Score nicht viel genauer und zuverlässiger misst?«

      Schönherr schüttelte den Kopf, aber außer dem schwachen Wunsch, dass er jetzt gern über Lisa reden würde, hatte er nichts zu entgegnen.

      »Richtig, Ihre Tochter Lisa«, sagte Hoffmann, als handelte es sich um eine Nebensache, die ihm kurz entfallen war.

      »Ihr Schreiben vom -«, Schönherr zog das ausgedruckte Einschreiben der Schule aus der Innentasche seines Sakkos und tat, als müsse er den Brief kurz überfliegen, um sich seinen Inhalt ins Gedächtnis zu rufen. Dann legte er das entfaltete Blatt Papier wie ein Beweisstück auf den Tisch und sagte: »Das Schreiben enthält keinerlei Gründe für Ihre Entscheidung. Vielleicht können Sie mir helfen, das besser zu verstehen?«

      Der Schulleiter bedankte sich für die Frage und verzog gleichzeitig das Gesicht, als habe er große Bauchschmerzen.

      »Wir können und wollen die Gewichtung der einzelnen Score-Kapitel nicht öffentlich machen. Ich gebe Ihnen recht, dass das im Einzelfall unbefriedigend sein kann, aber wir arbeiten intensiv daran, unsere administrativen Stellen in die Lage zu versetzen, Veränderungspfade einzuschlagen, damit unser Auswahlverfahren noch transparenter ausgestaltet werden kann. Der Vorstand und die entsprechenden Panels haben sich einstimmig dazu verpflichtet, dem Leitgedanken Fairness und Gleichbehandlung für alle Bewerberinnen und Bewerber oberste Priorität einzuräumen. Aber wie wir die Auskunft der Score Holding im Detail bewerten, das können wir nicht veröffentlichen. Im Übrigen, mir ist kein einziges Unternehmen bekannt, Schulen und Universitäten eingeschlossen, das sich zu einem derartigen Schritt entschlossen hätte.«

      Hoffmann suchte nach Zustimmung in Schönherrs Augen.

      »Ich werde mit dem, was Sie mir sagen, nicht an die Öffentlichkeit gehen«, sagte Schönherr. »Das können wir gerne auch schriftlich ...«

      »Oh nein«, erwiderte der Schulleiter schnell und wedelte auf eine Weise mit den Armen, die wohl zum Ausdruck bringen sollte, dass er längst das allergrößte Vertrauen in die Verschwiegenheit seines Gastes gewonnen hatte. »Das wird sicher nicht nötig sein.«

      Schönherr war bei Hoffmann auf jene professionelle Freundlichkeit gestoßen, die ihn besonders dann reizte, wenn sie nur Fassade war, nur der plüschige Mantel um einen unverrückbaren egoistischen Kern. Nachdem er eine Weile stumm auf die geschlossene Tür zum Vorzimmer gestarrt und überlegt hatte, ob er die restliche Zeit nicht angenehmer bei Frau Schäfer verbringen sollte, sagte er: »Wissen Sie, ich habe keine Ahnung, welche Bedenken Sie bei Lisa quälen. Ich verstehe, dass Sie mir nicht sagen wollen, worum es wirklich geht. Vielleicht ist es Lisas häusliches Umfeld, das sie stört, ihre familiären Verhältnisse, vielleicht bezahlen Ihnen die Eltern viel Geld, damit man unter sich bleibt und keine Gefahr besteht für den zügigen Aufstieg des Juniors in den Konzernvorstand ...«

      »Sie wissen, dass wir nicht so eindimensional aufgestellt sind.«

      »Sicher, nur frage ich mich, ob zu der besonderen Verantwortung, von der Sie sprechen, ob nicht auch dazu gehört, Kindern eine Chance zu geben, die nicht perfekt in Ihre Mischung - wie Sie so schön sagen - passen?«

      Der Schulleiter atmete hörbar schwer, im Kampf mit den Richtlinien der Schule oder seinem Gewissen.

      »Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass wir großen Wert auf die F-Reihe des Scores legen. Psychische Stabilität, Teamgeist und moderne Intelligenzformen

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